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    Dem Cura war die Erscheinung Tejadas sehr wenig sympathisch, doch wies das so oft durch Parteikämpfe und Bürgerkriege zerrissene Land eine solche Zahl abenteuerlicher Gestalten auf, daß ihm diejenige Tejadas weder neu noch überraschend war.

    Er erwiderte höflich: "Ja, Sennor, durch des Himmels Gnade und die Tapferkeit unseres Pflegesohnes wie hingebender Freunde ist großes Unheil von unserem Hause abgewandt worden. Unser Zögling Alonzo d'Alcantara hat sich dadurch als echter Sohn seines heldenhaften Vaters in die Welt eingeführt."

    "O, es ist rührend und staunenswert zugleich. Welch seltenes Geschick! Wie soll es mich freuen, einen Sproß meines teueren Coronel zu sehen."

    "So habt Ihr auch für die Sache der Libertados gefochten, Sennor -?"

    "Molino, wenn's beliebt, Hochwürdiger. - Ja," sagte mit der Miene eines Märtyrers Tejada, "gefochten und gelitten."

    Ein Klopfen an der Türe beantwortete der Cura mit einem "Entra!" und herein trat Alonzo.

    "O Väterchen, du hast Besuch? Entschuldige mich."

    "Nein, komm nur, Kind, hier ist ein Gast, der sich freut, dich begrüßen zu können."

    Alonzo hatte mit dem ersten Blick den Mann aus der Posada in Naëva erkannt, und sein Gesicht nahm den Ausdruck starrer Ruhe an, der keine Gefühlsbewegung mehr verriet.

    Der Geistliche, der den verwilderten Knaben mit eines Vaters Liebe erzogen hatte, kannte dieses Gesicht und wußte, daß es dem Fremden gegenüber Bedeutung haben müsse.

    Doch sagte er ohne zu Zögern: "Dies ist Don Alonzo d'Alcantara, Don Pedros Sohn, Sennor. Ein reisender Caballero, Kind, der uns die Ehre erwiesen hat, auf Otoño vorzusprechen. Sennor Molino, wenn ich recht verstand."

    Tejada, der seit gestern wußte, daß er in Alonzo d'Alcantara den verwegenen Reiter und meisterhaften Schützen aus Naëva erkennen würde, war doch durch die Haltung und den Ernst des jungen Mannes, der hochaufgerichtet vor ihm stand, überrascht.

    "O" - sagte er dann sich zusammennehmend - "ja, das ist meines teueren Don Pedros Blut, ich erkenne es, ich fühle es. O Sennor, gestatten Sie mir, daß ich Sie umarme."

    Er erhob sich und wollte seine Absicht ausführen.

    Alonzo, in dem wieder der Verdacht sich regte, in diesem Mann denjenigen vor sich zu haben, der den tödlichen Schuß auf Gomez abgegeben hatte, verbeugte sich, ohne daß ein Zug in seinem Gesicht sich bewegte, mit höflicher Kälte und sagte: "Es wäre dies zu viel der Ehre für mich, Sennor."

    Selbst die Hände, die Tejada ihm entgegenstreckte, schien er nicht zu sehen.

    Der Cura bemerkte es, Tejada aber war gewandt genug, schnell noch mit der Hand nach den Augen zu fahren, als ob er sich eine Träne abwische und sagte: "Verzeihen Sie, Sennores, wenn einem alten Soldaten, der für die Freiheit dieses Landes gefochten hat, bei der Erinnerung an seinen glorreichen Capitano die Weichheit überkommt. O, wie es mich freut, einen Sohn Don Pedros noch am Leben zu finden, o, das wird großes Aufsehen im Lande erregen."

    "Jedenfalls bei allen Freunden der Familie," sagte der Cura, der den Fremden jetzt aufmerksamer betrachtete, nachdem ihm Alonzo mit solcher Kälte begegnet war.

    "Sie waren schon früher in diesem Teile des Landes, Sennor?" fragte Alonzo, ohne auf die Gefühlsäußerungen des alten Soldaten Rücksicht zu nehmen.

    Tejada stutzte bei dieser Frage, die ihm recht unerwartet kam, entgegnete aber doch gefaßt: "Mein wildes Kriegsleben hat mich wohl auch vorübergehend mit diesem Teile des Landes in Berührung gebracht; es gab eine Zeit, wo echte Patrioten nur in der Wüste sicher waren; doch das ist lange her."

    "Sie kommen aus dem Norden, Sennor Molino?"

    "So ist es, hochwürdiger Herr. Ich habe Eigentum am Magdalena, doch die Zeiten sind so unruhig, und man ist mir in Bogotá so wenig gewogen, daß ich in das Land geritten bin, um, wenn es möglich ist, mir eine Heimstätte im Süden zu suchen."

    "O, drohen uns wieder Unruhen?" fragte der Cura.

    "Das möchte ich nicht sagen," erwiderte Tejada ausweichend. "Doch gehört eine feste Hand dazu, um alle widerstrebenden Elemente des Landes im Zaum zu halten."

    "Die wir ja glücklicherweise in Sennor de Valla haben," ergänzte der Cura.

    "O ja, gewiß."

    Zu welcher politischen Partei die Vivandas sich bekannten, wußte Tejada nicht, doch war klar, daß die Beschützer eines d'Alcantara nicht freundlich gegen einen Minister gesonnen sein konnten, der die Güter dieser Familie in Besitz hatte, abgesehen von allem anderen, was den Sprößling Don Pedros von de Valla trennte.

    Da er, als vom Norden kommend, mit den Verhältnissen dort besser vertraut sein mußte als die Bewohner des Ocoaufers, obgleich er weniger davon wußte als sie, scheute er sich, durch Fragen sich Blößen zu geben und äußerte nur: "Ein gütiges Geschick möge unser teueres Vaterland vor Unglück behüten und ihm den Frieden erhalten."

    "Amen," sagte der Cura.

    "Sie werden gewiß bald Bogotá aufsuchen, Don Alonzo?" fragte Tejada dann.

    "Das wird mit der Zeit gewiß geschehen," erwiderte der Cura freundlich an Stelle des Jünglings, "einstweilen wollen wir unseren Pflegesohn noch etwas in unserer Nähe behalten."

    "Man wird den Sohn des edlen Don Pedro mit Freuden in Bogotá willkommen heißen, und wenn ich ihm dort etwas nützen kann -?"

    "Sehr freundlich, Sennor, aber unsere Verbindungen genügen."

    Er hieß Tejada noch einmal willkommen und befahl dem Majordomo, ihm ein Gastzimmer anzuweisen.

    Als der Gast sich entfernt hatte, befragte der Cura den Jüngling um die Ursache seines abstoßenden Benehmens gegen diesen.

    "Ich halte den Mann für einen Bandido, Vater," erwiderte er kurz.

    Der alte Herr erschrak bei dieser schroffen Äußerung.

    "O -o, Alonzo, womit begründest du ein solches Urteil?"

    "Sieh dir sein Gesicht an, Vater, ich wittere die Nähe des Raubtieres."

    Bei der Besorgnis, die die Vivandas für Alonzo hegten, die gestiegen war, seit er öffentlich als d'Alcantara proklamiert worden war, schoß jetzt dem Cura der Gedanke durch den Kopf, daß Alonzo von dem Menschen, der die unverkennbaren Zeichen des Abenteurers trug, eine Gefahr drohen könne, die der Jüngling instinktiv vorausfühle.

    Daß ein Mann, gleich de Valla, nicht davor zurückschaudern würde, nach dem Erben Pedro d'Alcantaras den Meuchelmörder auszusenden, war dem Cura traurige Gewißheit; darum war ja dessen Abstammung ängstlich als Geheimnis bewahrt worden, bis zu dem Augenblicke, wo Alonzo selbst in hochherziger Aufwallung Eugenio Kenntnis davon gegeben hatte.

    Bei einigem Nachdenken mußte sich der Cura indessen sagen, daß de Valla, wenn er von Alonzos Dasein jetzt erführe, zugleich auch wisse, daß dieser seinem Sohne mit eigener Gefahr heldenmütig Freiheit und Leben gerettet habe.

    So verworfen war kein Mensch, um dem Retter seines Kindes nach dem Leben zu streben.

    Außerdem konnte de Valla kaum Kunde von den Vorgängen im Gebirge durch Eugenio haben.

    "Nein, nein," sagte sich tröstend der Greis, "meine Besorgnisse sind übertrieben, von diesem Fremden ist nichts für Alonzo zu besorgen."

    Er ging deshalb auf seine Äußerungen nicht weiter ein, sondern ermahnte ihn, seine Antipathie gegen den Mann zu bekämpfen und die üblichen Höflichkeiten dem Fremden gegenüber nicht außer acht zu lassen, worauf er ihn in der gewohnten gütigen Weise verabschiedete.