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    Er faßte den verzweiflungsvollen Gedanken, hinauszustürzen und zu versuchen, das Freie zu erreichen.

    Ein seltsamer Laut, ein leises Knirschen berührte sein Ohr, es kam von der Wand hinter ihm. Was war das?

    Wie ein Hauch drang es jetzt zu ihm her in spanischer Sprache: "Schläfst du?"

    Er bebte in fieberhafter Erregung von oben bis unten.

    Wo kam der Laut her? - Er schien aus der Erde zu dringen.

    Don Fernando neigte das Haupt nach der Seite hin, woher der Ton kam und flüsterte: "Nein."

    "Komme hierher - langsam - leise."

    Es war, trotzdem Licht durch die Ritzen der Tür zu erkennen war, ganz dunkel in der Zelle. Zitternd, Schritt vor Schritt ging er vorsichtig nach der Ecke zu, von dort kam die Stimme.

    "Wo bist du?"

    "Hier."

    "Was willst du?"

    "Dich retten."

    Mit Mühe unterdrückte Don Fernando einen Freudenschrei; schon die spanischen Laute hatten ihm gesagt, daß er einen Freund vor sich habe.

    "Beuge dich zur Erde, vorsichtig, sprich nicht mehr."

    Der junge Spanier ließ sich langsam nieder, eine Hand berührte ihn, und nur seinem angstvoll lauschenden Ohre verständlich erklang es: "Hier ist eine Öffnung am Boden, du findest eine Treppe. Taste und komm herab."

    Don Fernando tastete mit den Händen, fühlte mit grenzenlosem Entzücken eine viereckige Öffnung im Boden und eine Stufe. Mit größter Vorsicht setzte er seine Füße auf die oberste Treppenplatte und stieg die Stufen hinab in das Dunkel. Wieviel wußte er nicht, er war halb betäubt. Jetzt fühlte er eine menschliche Gestalt neben sich.

    "Bleibe," hauchte es in sein Ohr, "ich will die Öffnung schließen." Er erriet mehr als er es sah, daß sein unbekannter Freund die Stufen hinaufging und die Öffnung oben schloß, nur ein leises Knirschen gab davon Kunde.

    Eine Hand faßte die seine.

    "Folge mir."

    Willenlos folgte der erregte Gefangene der Hand, die ihn führte, durch einen sich windenden Gang und betrat mit seinem Führer den Raum, in dem der Mestize weilte.

    "Keinen Laut, noch ist Gefahr."

    "Was hast du mit uns vor? Wer bist du?"

    "Ein Gefangener dieser Roten, gleich euch. Ihr sollt morgen geopfert werden, abgeschlachtet zu Ehren ihres Götzen; ich rette euch oder wir sterben zusammen."

    Techpo befreite den Mestizen von der Fessel, die ihn an der Wand hielt.

    "Und nun folgt mir, es ist keine Zeit zu verlieren."

    Techpo stieg rasch hinauf, eilig folgten Don Fernando und der Halbindianer.

    Sie standen in dem Gemache auf der Terrasse des Tempels. Techpo schloß die Öffnung vorsichtig. Er flüsterte den beiden, die sich selbst in der Dunkelheit mit forschenden Blicken maßen und gleichzeitig ihren Retter zu erkennen suchten, zu: "Dicht hinter mir gehen, leise. Kommt jemand uns in den Weg, werft euch zu Boden; muß gekämpft werden, übt keine Schonung, unser Leben ist verfallen."

    Er wandte sich nach der den Priesterhäusern abgewandten Seite des Tempels und schlich geräuschlos voran, dicht folgten ihm, lautlos, Don Fernando und der Mestize.

    Sie erreichten das Erlengebüsch, Techpo hob die Büchse auf und übergab dem Mestizen die Machete.

    "Fort, die Nacht schreitet vor, bald kommt der Tag, bleibt dicht hinter mir, lautlos."

    Schnell schritt der Knabe voraus, mit unfehlbarer Sicherheit den Weg wählend.

    Von den Priesterhäusern her tönten Stimmen durch die Nacht und eiliges Hin- und Herrennen von Menschen.

    "Deine Flucht ist entdeckt," sagte Techpo zu dem Spanier.

    "O, hätte ich eine Waffe," seufzte Don Fernando, "ich möchte nicht wehrlos sterben."

    "Nimm meine Machete." Der Knabe reichte ihm die Waffe.

    "Vorwärts - wir müssen die Felsen gewinnen - verfolgen wird uns niemand, sie werden an einen Zauber glauben."

    Sie eilten weiter.

    Vom Tempel her tönte jetzt durch die Nacht der dumpfe, aber weithin hallende Ton eines Hornes, der, ein Zeichen drohenden Unheils, alle Schläfer in dem Tale der Aimaràs weckte.

    In den zerstreuten Häusern der Indianer flammten Lichter auf.

    "Schnell."

    Jetzt wurde es auch lebendig in den Gärten und man vernahm Stimmen.

    Das Horn ließ sich fort und fort vernehmen. Eine Gestalt tauchte schattenhaft zu ihrer Rechten auf. Stimmen erklangen.

    "Zur Seite! Hinter den Busch! Nieder!"

    Dem Anruf gehorchend, schlüpften alle drei hinter den von Techpo bezeichneten Busch und beugten sich zur Erde.

    Sieben bis acht Männer huschten an ihnen vorbei und liefen dem Tempel zu, von dessen Höhe immerfort das dumpfe Horn herabklang.

    "Presto amigos, der Tag kommt heran."

    Sie stürmten unter Techpos Führung dahin. Von neuem kamen ihnen Männer entgegen, diesen war nicht auszuweichen.

    "Kämpfen!" sagte der Knabe.

    Die Aimaràs stutzten, als sie die drei Gestalten der Flüchtlinge, die so eilig herankamen, erspähten, und einer rief ihnen zu: "Halt!"

    Doch Techpo stieß einen gellenden, weithin hallenden Schrei, den Kriegsruf eines benachbarten in den Bergen wohnenden Stammes, der seit Menschenaltern mit den Aimaràs in Todfeindschaft lag, aus.

    Dies erschreckte die Aimaràs, die, durch das warnende Horn von einer Gefahr unterrichtet, jetzt, als sie den Kriegsruf der Chibchas hörten, den Feind mitten im Dorfe glaubten. Sie verschwanden im Dunkel.

    Mit aller Kraft weiter strebend, erreichten jetzt die Flüchtlinge den Rand der Felsen. Noch war es dunkel.

    "Geht dicht hinter mir, wir dürfen keine Spur hinterlassen," flüsterte der Knabe, und gehorsam folgten ihm die beiden anderen auf den Fersen über nacktes Felsgestein.

    Techpo bog nach links ein und stieg in einer schmalen Felsrinne nach oben.

    Sie war sehr steil und der hinter ihm gehende Spanier kam schwer fort. Techpo, dies gewahrend, reichte ihm die Hand, der nachfolgende Mestize, der des Bergsteigens gewohnt schien, unterstützte Don Fernando und schwer atmend erreichten die drei nach Anspannung aller ihrer Kräfte endlich ein kahles Felsplateau. Sie überschritten es in einer geraden Linie, um dann über einen schmalen Felsgrad hin, der besonders in der Dunkelheit nur mit Lebensgefahr zu überschreiten war, auf ein anderes höher gelegenes Felsplateau zu gelangen.

    "So, jetzt sind wir einstweilen sicher," sagte der Knabe, "hier werden sie uns nicht vermuten, und sollten sie unsere Spur haben, über den Felsgrad traut sich keiner von ihnen. Aber wir müssen weiter, ehe die Sonne aufgeht, wir haben noch eine gefährliche Stelle vor uns."

    Mit ungeminderter Kraft schritt der Knabe voran, mit Mühe nur folgte ihm der erschöpfte Spanier und selbst der Mestize zeigte, daß seine Spannkraft nachließ.

    Schon wich die Nacht und die ersten roten Strahlen zuckten über den Horizont, als die Flüchtigen den Rand des mit Steinen übersäten Plateaus erreichten und in eine Schlucht hinabsahen, die jenseits wilde Felsformationen zeigte, die von düsterem Koniferenwald überragt waren. Deutlicher konnten die drei Flüchtlinge, die ein seltsames Schicksal hier auf der Höhe der Kordilleren vereinigt hatte, sich gegenseitig betrachten.

    Mit Staunen sah Don Fernando den schönen Knaben vor sich, dessen Gestalt durch die indianische Tracht sehr vorteilhaft gehoben wurde.

    Techpo blickte in des erschöpften Spaniers Antlitz, glücklich einen Weißen zu sehen, einen Jüngling, dessen Äußeres ihn symphatisch anmutete.