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Als sie jedoch weiterlas, verging ihr die gute Stimmung. Das Mädchen war nicht Elli, sondern Ann, ihre um zehn Jahre jüngere Schwester, gewesen. Ann und ihr Freund Tim O'Kelli hatten Elli oft von ihren wunderbaren Abenteuern erzählen hören, und beide hatten lange Zeit von einer Reise in das Zauberland geträumt, bis ihr Traum schließlich in Erfüllung ging. Sie hatten die Große Wüste und die Weltumspannenden Berge auf dem Rücken wunderbarer Maultiere überquert, von denen die Chroniken der Zwerge nichts genaues zu berichten wußten. Dem Chronisten war nur soviel bekannt, daß diese Tiere sich von Sonnenlicht ernährten. Ann und Tim kamen in das Land der Füchse, wo sie König Nasefein XVI. einen großen Dienst erwiesen, für den er sich dankbar zeigte, indem er dem Mädchen einen Silberreif schenkte, der seinen Träger unsichtbar machen konnte.

Dieser Reif und der Zauberkasten, auf dem man alles sehen konnte, was in der Welt geschah (der Scheuch hatte ihn von der guten Fee Stella geschenkt bekommen), leisteten Ann und Tim unschätzbare Hilfe in ihrem Kampf mit dem schlauen Urfin. Die Kinder befreiten den Holzfäller und die anderen Gefangenen und zogen mit ihnen in das Violette Land, das zu jener Zeit die Herrschaft der Marranen bereits abgeschüttelt hatte. Urfin unternahm einen Feldzug gegen Ann und ihre Freunde. Als seine Armee sich dem Violetten Palast näherte, trugen gerade zwei Volleyballmannschaften der Zwinkerer das Endspiel um die Landesmeisterschaft aus. (Das Volleyballspiel hatte seinerzeit Tim O'Kelli den Zwinkerern beigebracht.) Die Stimmung der heranrükkenden Marranen war sehr kriegerisch. Urfin hatte ihnen erzählt, daß ihre Verwandten und Freunde, die im Violetten Land geblieben waren, um dort die Ordnung aufrechtzuerhalten, von Zwinkerern ermordet, ihre Leichen zerstückelt und den Schweinen zum Fraß vorgeworfen worden waren. Die Marranen schrien nach Rache. Doch als sie sich in den Todeskampf stürzen wollten, gewahrten viele von ihnen unter den Spielern und Fans Freunde und Brüder, von denen Urfin gesagt hatte, sie seien bestialisch ermordet worden. Sie sahen diese „Ermordeten" lachen, mit Zwinkerern scherzen und ihnen Bälle zuwerfen. Die Marranen begriffen, daß der „Feuergott" ein Betrüger war, der die Völker gegeneinander aufhetzte, um sie unter seine Herrschaft zu bringen. Als Urfin sich entlarvt sah, floh er wie ein Feigling. Seine ehrgeizigen Pläne waren wieder einmal gescheitert.

„Hat Pech gehabt, der Arme", seufzte Arachna teilnahmsvoll. „Er hatte große Pläne, doch es fehlte ihm an Geschick... "

Sie las weiter, wie die Soldaten der beiden Armeen sich verbrüderten, gemischte Mannschaften bildeten und ihre Kräfte im Volleyballspiel maßen. Tim und Ann aber kehrten auf den Rücken ihrer Maultiere in die Heimat zurück. Diese Begebenheit hatte sich vor etwa einem Jahr zugetragen.

URFIN JUICE WIDERSTEHT DEN VERSUCHUNGEN

Arachna brauchte mehrere Wochen, um die lange Geschichte von den Ereignissen der letzten Jahrzehnte im Zauberland zu Ende zu lesen. Als es soweit war, verspürte sie einen ungestümen Tatendrang. Es tat ihr bitter Leid, daß sie geschlafen hatte, als im Zauberland so viele Wunder geschehen waren.

„Hätte ich nicht geschlafen wie eine dumme Gans, so hätte ich diesen Herrschern gezeigt, was eine Arachna vermag!" seufzte die Hexe. Der Ehrgeiz spiegelte ihr Bilder vor, in denen sie kaiserliche Purpurgewänder oder zumindest eine königliche Krone trug. Im Geiste sah sie sich als Gebieterin des Zauberlandes, die nicht nur demütigen Statthaltern wie dem Scheuch und dem Eisernen Holzfäller, sondern sogar stolzen Feen wie Willina und Stella Befehle erteilte. Auf ihren Befehl zogen mehrere Zwerge unter der Führung Kastaglios aus, um Urfin Juice zu suchen und ihn in die Höhle Arachnas zu bringen. Haben sie diesen Auftrag erfüllt? Hat sich der ehemalige König einverstanden erklärt, in den Dienst der Hexe zu treten?

Um das zu erfahren, wollen wir uns um ein Jahr zurückversetzen und nachsehen, was aus dem gestürzten Herrscher geworden war. Weder die Marranen noch die Zwinkerer wünschten den Tod des Betrügers. Sie begnügten sich damit, den falschen Feuergott mit Schmach davonzujagen. Der ehemals so treue Meister Petz hatte seinen Herrn verlassen, der Holzclown Eot Ling, der ihm so ergeben war, hatte sich im Gewirr verloren, und nur die Eule Guamoko war bei ihm geblieben. Jetzt saß sie auf Urfins Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: „Laß den Mut nicht sinken! Halt dich stramm!... Wir werden 's den Spöttern noch heimzahlen... "

Urfin verstand, daß die Eule schwatzte, daß sie ihn nur aufmuntern wollte, doch er war ihr auch dafür dankbar. Die Schande bedrückte so sehr sein Herz, daß es zu zerspringen drohte. Er erinnerte sich, wie er erst vor wenigen Monaten auf dem Rücken des Riesenadlers vor den Springern erschienen war, welchen Eindruck sein feuerrotes Gewand und die brennende Fackel in der erhobenen Hand auf sie gemacht und wie diese Toren ihn als Gott anerkannt und ihr Schicksal in seine Hände gelegt hatten. Was hatte er für sie getan? Er hatte die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer gemacht, hatte Gier nach fremdem Eigentum in ihre Herzen gepflanzt und sie in den Krieg gegen ihre Nachbarn getrieben. Jetzt rächte sich das alles an ihm...

Wohin sollte er sich nun wenden? Es gab niemanden im ganzen Zauberland, den Urfin einen Freund hätte nennen können, es gab keinen Zufluchtsort für ihn. Sein bescheidenes Häuschen beim kleinen Dorf

Kogida hatte er verbrannt, als er auf Karfax' Rücken zu den Marranen aufbrach. Jetzt ging er mit leeren Händen und leeren Taschen einem ungewissen Schicksal entgegen. Alles, was er besessen hatte, war im Troß der Marranenarmee geblieben: Bettzeug, warme Kleidung, Waffen, Werkzeug...

Sollte er zurückkehren und um Nachsicht bitten? Natürlich würden die großmütigen Marranen ihm seine Habseligkeiten zurückgeben, doch würde er ihren Spott oder, was noch schlimmer war, ihr Mitleid ertragen können?...

Nein, das war ausgeschlossen! Urfin biß die Zähne zusammen und beschleunigte seinen Schritt. Nur fort, fort von hier', hämmerte es in seinem Kopf.

„Noch ist niemand im Zauberland Hungers gestorben!" dachte Urfin. "Auf den Bäumen gibt es Obst genug, und Laub für eine Hütte, in der sich übernachten läßt, kann ich mit den Händen sammeln..." Als er sich etwas beruhigt hatte, fiel ihm ein, daß im Hof seines abgebrannten Hauses ein Keller war, in dem er sein Tischlerwerkzeug aufbewahrt hatte: Äxte und Sägen, Hobel, Meißel und Bohrer. Es war anzunehmen, daß der Brand den Keller verschont hatte, und folglich mußte das Werkzeug noch daliegen. Daß die ehrlichen Käuer nichts angerührt hatten, stand außer Zweifel.