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,,Ich war zweimal in meinem Leben Tischler und zweimal König gewesen", dachte Urfin mit einem schiefen Lächeln, „dann werde ich eben wieder Tischler, zum dritten und letzten Mal..." Er teilte seinen Entschluß der Eule mit, seiner einzigen Ratgeberin, und diese hieß ihn gut.

„Bleibt uns wohl nichts anderes übrig, Gebieter", sagte die Eule. „Gehen wir zurück in dein Anwesen. Wir werden dort ein neues Haus bauen und darin leben, bis uns wieder was einfällt."

„Ach, Guamoko, Guamoko", seufzte Urfin, „spar dir die Mühe und versuche nicht, mich mit leeren Hoffnungen zu trösten. Ich bin nicht mehr jung und habe auch nicht mehr die Kraf, zehn Jahre auf ein Wunder zu warten. Bitte nenn mich auch nicht mehr Gebieter, was bin ich jetzt für ein Gebieter und worüber gebiete ich denn noch?Nenn mich einfach Herr!" „Zu Befehl, Herr!" erwiderte Guamoko gehorsam. Der Weg in das Blaue Land war für Urfin Juice sehr beschwerlich. Um nachts im Walde nicht zu frieren, kroch er unter die Decke der abgefallenen welken Blätter, oder er baute sich eine dürftige Laubhütte. Ein Feuer konnte er nicht anzünden, weil sein Feuerzeug mit den anderen Habseligkeiten im Troß bei den Marranen geblieben war. Er ernährte sich von Obst und Weizenähren, die er auf den Feldern pflückte. Die Eule brachte ihm mehrmals Rebhüner, die sie gejagt hatte, doch Urfin konnte sie nicht roh essen und gab sie ihr seufzend zurück. Er war sehr abgemagert, seine Wangen waren eingesunken, und die große Nase sprang turmgleich über den eingefallenen Mund hervor. Ein Stoppelbart bedeckte sein Gesicht, den er nicht entfernen konnte, weil er kein Rasierzeug hatte. Die Erinnerung bohrte in seinem Kopf und gab ihm keine Ruhe. War er glücklich gewesen, als er das Zauberland regierte? ,,Nein, ich war nicht glücklich", mußte sich Urfin gestehen. "Ich hatte die Macht mit Gewalt erobert, den Menschen die Freiheit geraubt, und sie haßten mich. Selbst die Höflinge, denen ich hohe Ämter zuteilte, taten nur so, als liebten sie mich. Schranzen und Speichellecker sangen mir Loblieder bei Schmaus und Gelage, nicht weil sie mich bewunderten und verehrten, sondern weil sie sich Orden und reiche Gaben erschleichen wollten. Ich habe die Smaragdenstadt arm gemacht, habe aus ihren Mauern und Türmen die Edelsteine herausgebrochen, und wenn ich durch die Straßen ging, warf man mit Ziegeln nach mir. Weshalb begehrte ich nur die Macht? Weshalb?... "

Urfin fand auf diese Frage keine Antwort. Als er auf ein paar zusammengebundenen Baumstämmen den Großen Fluß überquerte, mußte er daran denken, wie seine Holzarmee während des Feldzugs gegen die Smaragdenstadt ins Wasser gefallen war.

„Hätte der Fluß sie doch für immer fortgeschwemmt!... Das verdammte Lebenspulver? Wozu mußte ich es entdecken! Das Pulver ist an meinem ganzen Unglück schuld!..."

Urfin atmete auf, als er die Gelbe Backsteinstraße erreichte. Ihm war, als hieße sie ihn willkommen und lade ihn zum Weitergehen ein. Er fühlte, wie die Heimat näher kam, selbst die Luft schien hier frischer und angenehmer zu duften als in der Fremde. Auch blickten ihn die sanften Käuer, denen er begegnete, so freundlich an, als hätten sie alles vergessen und trügen ihm nichts nach. Die kleinen blaugekleideten Menschen, die blaue Spitzhüte mit Schellen auf dem Kopf trugen, baten den müden Wanderer of, in ihre blauen Häuschen hinter den blauen Zäunen einzutreten. Auf den kleinen Tischen mit blauen Decken standen blaue Tellerchen mit schmackhaften Gerichten, und lächelnde Hausfrauen bewirteten herzlich den hungrigen Gast. Zwei- oder dreimal hatte Urfin in blauen Häuschen sogar übernachtet...

Sein rauhes Herz begann aufzutauen.

„Wie ist das möglich?" dachte Urfin reumütig. „Ich habe diesen guten Menschen so viel Böses zugefügt, habe nur davon geträumt, sie zu beherrschen und zu unterdrücken, sie aber haben alle meine Bosheiten vergessen und sind jetzt so freundlich zu mir... Anscheinend habe ich doch nicht so gelebt, wie ich hätte leben sollen..."

Urfin wagte es nicht, der schlauen und bösen Eule seine neuen Gedanken und Gefühle mitzuteilen, denn er wußte, daß sie sie nicht billigen würde. Eines Tages um die Mittagszeit stand er wieder in seinem Hof. Vom abgebrannten Haus war nur ein regenfeuchter Kohlenhaufen übriggeblieben, doch der Keller war unversehrt und das Schloß ganz. Als er die Tür aufbrach und hineinschaute, sah er sein ganzes Werkzeug genau so daliegen, wie er es zurückgelassen hatte. Eine Träne rann über seinen stoppligen Bart...

,,Die braven Käuen!" seufzte er. „Erst jetzt verstehe ich, was das für gute Menschen sind... Oh, wie tief stehe ich in ihrer Schuld!" Schon unterwegs hatte Urfin beschlossen, sich möglichst weit weg von Kogida und näher zu den Weltumspannenden Bergen anzusiedeln.

,,Die Menschen sollen meine Verbrechen vergessen", dachte der ehemalige Herrscher des Zauberlandes. „Das wird schneller geschehen, wenn ich ihnen nicht beständig vor den Augen bin und möglichst weit wegziehe..." Bevor er seinen Hof verließ, wollte Urfin von den Beeten Abschied nehmen, die er so lange und mit so viel Liebe gepflegt hatte. Als er auf die Wiese hinter den Gartenzaun hinaustrat, gewahrte er mit Entsetzen ein ganzes Dickicht aus hellgrünen Pflanzen mit fleischigen langen Blättern und dornigen Stielen. „Da sind sie wieder!" stöhnte Urfin.

Er hatte sich nicht getäuscht: Es war die Pflanze, aus der er vor vielen Jahren das Lebenspulver gewonnen hatte. „Sind die Samen tief in der Erde aus ihrem langen Schlaf erwacht?" fragte sich Urfin. ,,Oder war es wieder der Wind, der sie hergeweht hat?" Er entsann sich, daß vor zwei Tagen ein Hagelsturm tobte, vor dem er unter einem Baum mit buschiger Krone Schutz gefunden hatte.

„Es muß wieder der Sturm gewesen sein, der uns die Bescherung gebracht hat", sagte Urfin, und die Eule stieß einen Freudenschrei aus. Eine große Versuchung überkam Urfin Juice. „Da ist das Wunder", dachte er, von dem Guamoko gesprochen hat. „Ich werde nicht zehn Jahre darauf warten müssen, denn es ist bereits geschehen, und ich sehe es mit meinen Augen." Urfin streckte die Hand nach einer Pflanze aus, zog sie aber, von einem Dorn gestochen, sofort wieder zurück. „Jetzt werde ich die alten Fehler nicht wiederholen nach all den Erfahrungen, die ich gemacht habe. Jetzt kann ich 500 ... nein, 1000 kräftige Holzköpfe anfertigen, die mir gehorchen werden. Aber warum nur Holzköpfe? Auch unverwundbare fliegende Ungeheuer will ich machen, Holzdrachen, die schnell wie der Blitz fliegen und gewittergleich auf die Köpfe zitternder Menschen niedergehen werden!" Solche Gedanken wälzten sich in seinem Kopf und ließen seine Augen funkeln.

„Was sagst du, Guamoko, zu diesem neuen Geschenk des Schicksals?" wandte er sich an die Eule.

„Was ich sage, Gebieter? Ich sage: Mach soviel Pulver, wie du nur kannst, und schlage los! Jetzt werden wir's ihnen heimzahlen, den Spöttern!" Doch worüber Urfin unterwegs so lange nachgedacht hatte, war nicht spurlos verschwunden. Etwas hatte sich in seiner Seele verändert. Die glänzende Zukunft, die sich wieder vor ihm auftat, lockte ihn nicht mehr. Er setzte sich auf einen Baumstumpf, betrachtete aufmerksam den Blutstropfen, den der Dornenstich auf seinem Finger hinterlassen hatte, und dachte angestrengt nach.

„Blut...", flüsterte er. „Wieder Blut, Menschentränen, Kummer und Leid. Nein, das darf nicht wiederkehren!"

Er holte einen Spaten aus dem Keller und grub alle Pflanzen mit der Wurzel aus.

„Ha, ich kenne euch!" schrie er zornig. „Wenn ich euch ungeschoren lasse, überwuchert ihr die ganze Gegend, und dann entdeckt jemand die Zauberkraft wieder, die in euch steckt, und stellt Dummheiten an. Nein, ich hab es satt!..."