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Endlich übernahm mich die Ungeduld: »Stehst du so dabei«, dachte ich, »und sagst nichts, so scheint’s, als habest du ein böses Gewissen und sei die abscheuliche Beschuldigung wahr.« Ich wollte also wenigstens ausrufen: »Ich bin unschuldig!«

Das erste Wort kam ganz gut und laut und mehr als einmal heraus, allein die übrigen vermocht’ ich auf keine Weise hervorzubringen. Ich mochte meinen unförmigen, ungeschickten Lippen noch so viel Gewalt antun, ich mochte sie noch so sehr vorstrecken und spitzen, es blieb bei demselben Tone. Ich! Ich! i-ate ich mehrmals, daß alles widerhallte.

Das alles Hadern mit dem Glücke umsonst war, blieb nichts anderes zu tun, als alles zu verschmerzen. Hatte ich mich doch schon darein geben müssen, daß ich mit meinem eigenen Reitgaule Dienst-, Last- und Krippengenosse geworden war.

Ich versank darauf in eine wichtigere Sorge, als es die über die Verletzung meines guten Leumundes war. Das über mich gesprochene Urteil, wodurch ich zum Schlachtopfer für die Seele des Mädchens verdammt worden, kehrte mir wieder zu Sinne, und ich blickte so wehmütig nach meinem Bauche hin, als wäre er schon mit dem armen Mädchen trächtig.

Unterdessen holte der Räuber, der soeben die falsche Nachricht von mir mitgebracht hatte, tausend Goldstücke hervor, die er in einem Zipfel seines Kleides eingenäht hatte. Er hätte sie, sagte er, verschiedenen Resienden abgenommen; als ein redlicher Kerl aber brächte er sie treulich zur gemeinschaftlichen Kasse. Er erkundigte sich auch sehr geflissentlich nach seiner Kameraden Befinden.

Als er hörte, daß einige von ihnen, und zwar die wackersten, bei verschiedenen gefährlichen Vorfällen draufgegangen wären, so tat er den Vorschlag: »Man solle eine Weile die Landstraßen in Frieden lassen und allgemeinen Waffenstillstand beobachten; unterdessen aber sich auf Anwerbung junger Leute legen, damit ihr martialisches Herr völlig rekrutiert und wieder so vollzählig als ansehnlich würde. Die Widerspenstigen könne man ja mit Gewalt zwingen und die Unentschlossenen durch Geschenke gewinnen, davon nichts zu erwähnen, daß sehr viele herzlich gern freiwillig zu ihrer Gesellschaft übergehen würden, um sich nur dem Joche der Knechtschaft zu entziehen und bei ihnen ein freies Herrenleben zu führen. Er für sein Teil sei unlängst einem großen, vierschrötigen, handfesten, jungen Kerl begegnet und habe ihm angeraten und endlich ihn auch überredet, die Nerven seines Armes nicht in steter Faulheit erschlaffen zu lassen, sondern zu etwas Besserem anzuwenden, den Vorteil einer festen Gesundheit sich noch zur rechten Zeit zunutze zu machen und nicht schüchtern nach kärglichen Almosen seine starke Faust auszurecken, mit der er gebieterisch große Geldsummen einfordern könnte.«

Der Rat ward beliebt; es wurde beschlossen, sowohl den halb und halb Angeworbenen aufzunehmen, als auch aufs Rekrutieren auszugehen.

Darauf ging der Werber fort, und nach Verlauf kurzer Zeit kehrt er wieder mit einem so schönen, großen Kerl, wie er versprochen hatte, zurück. Fast keiner von den Anwesenden konnte sich mit demselben vergleichen. Ohne von seiner übrigen stammhaften Leibesstatur zu reden, war er noch einen Kopf größer als alle insgesamt, und das Milchhaar kräuselte sich kaum erst auf seinen Wangen. Sein Anzug bestand aus lauter Lumpen von allerhand Farben, die übel zusammengefügt waren, kaum bedeckten sie ihn halb; allenthalben strebte daraus eine breite Brust und ein mit dicker Schmutzrinde überzogener Leib hervor.

Als er hereintrat, sprach er:

»Seid gegrüßt, ihr wackeren Diener des Gottes Mars, bald meine Brüder! Und wollet willig unter euch einen Menschen aufnehmen, der sich freiwillig anbietet, sein Leben schon oftmals gewagt hat, lieber Wunden als Geld empfängt und dem Tode, den andere scheuen, kühn Trotz zu bieten weiß! Glaubt nicht, daß Mangel oder Verworfenheit mich zu euch treibe, und beurteilt meine Verdienste nicht aus diesen Lumpen; denn, wie ihr mich hier seht, bin ich Hauptmann der allerstärksten Bande gewesen und habe ganz Mazedonien verwüstet. Ich bin jener berühmte Straßenräuber, der thrazische Hämus, bei dessen Namen ganze Provinzen zittern. Mein Vater hieß Thero und ist gleichfalls unter den Straßenräubern namhaft. Er hat mich mit Menschenblut gesäugt und mitten unter seiner Banditenbande erzogen. Ich bin Erbe und Nacheiferer seiner hohen Eigenschaften. Allein die ganze zahlreiche Gesellschaft, die er mir hinterließ, mitsamt den großen Schätzen allen hab’ ich innerhalb eines kurzen Zeitraums verloren, weil ich den ersten kaiserlichen Finanzminister, der in Ungnade gefallen war, im Vorbeigehen an der Seeküste angefallen hatte. Doch ich will euch die ganze Sache in ihrer Ordnung erzählen:

Es lebte am kaiserlichen Hofe ein mit vielen Würden und Ämtern bekleideter Herr in großer Gunst und Ansehen. Neid machte sich an ihn, feindete ihn an, stürzte ihn; er ward verbannt. Seine Gemahlin, eine gewisse Plotina, eine Frau von seltener Treue und Tugend, die ihrem Gatten schon zehn Kinder geboren, verschmähte und verachtete der Hauptstadt üppige Ergötzlichkeiten, teilte den Kummer ihres Gemahls und gesellte sich ihm im Elende als Gefährtin zu. Sie schor sich das Haar ab, kleidete sich wie eine Mannsperson, versteckte Juwelen, Geschmeide und Spargeld in ihrem Gürtel und ging so unerschrocken unter der Wache und unter den blanken Schwertern einher, jeglicher Gefahr teilhaftig, immer wachsam auf die Wohlfahrt ihres Gemahls und mit echtem männlichen Mut alle Mühseligkeiten erduldend.

Schon waren fast alle Beschwerlichkeiten und Gefahren der Reise zu Wasser und zu Lande glücklich überstanden und man steuerte auf Zakynthus los, welches dem Verbannten vor der Hand zum Aufenthalt war angewiesen worden, als man sich einfallen ließ, vorher am aktiischen Gestade noch anzulegen, allwo wir eben, nachdem wir von Mazedonien herabgekommen waren, unser Wesen trieben. Die ganze Schiffsmannschaft verließ den Bord, um in einem kleinen Wirtshaus nicht weit vom Meere zu übernachten. Wir überfielen sie darin und plünderten sie rein aus, wiewohl nicht ohne die allergrößte Gefahr; denn sobald nur Plotina das erste Geräusch an der Haustüre hörte, stürzte sie in die Stube hinein und machte durch ihr ängstliches Geschrei alles wach. Soldaten, Bediente, die ganze Nachbarschaft rief sie zu Hilfe, und hätten sich nur die Leute nicht alle selbst gefürchtet und vor Angst verkrochen, wir wären nimmermehr so ungestraft davongekommen.

Hierauf kam das treue Biederweib (denn ich muß ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen) mit ihren Bitten bei dem Kaiser ein, und da sie ihrer Klugheit und ihres guten Herzens wegen allgemein beliebt ist, so erhielt sie sowohl die schleunige Zurückberufung ihres Gemahls als auch vollständige Rache wegen der Beraubung.

Kurz, der Kaiser wollte nicht, daß des Hämus’ Straßenräubergesellschaft ferner bestehen sollte; den Augenblick war es auch damit aus. So viel vermag der bloße Wink eines großen Fürsten!

Als nun einige Kompanien Soldanten nachsetzten und alle meine Leute niedermachten, entwischte ich noch mit genauer Not und ganz allein davon.

Ich entkam dem Tode, der mich gleichsam schon in seinen Klauen hielt, auf folgende Art: Ich legte ein geblümtes Weiberkleid an, das hübsch weit und lang war und recht schlotterig saß, setzte eine Mütze auf, zog weiße dünne Schuhe an, wie das andere Geschlecht zu tragen pflegt, und also vermummt bestieg ich einen Esel, der Gerste trug, und ritt glücklich mitten durch die Haufen der mir nachstellenden Soldaten hindurch. Sie ließen mich frei und ungehindert passieren, weil sie mich für eine Eseltreiberin ansahen; denn ich hatte damals noch keinen Schein von Bart.

Inzwischen, so enge ums Herz es mir auch unter den Schnapphähnen ward, so blieb ich dennoch des Ruhms und der Tapferkeit meines Vaters eingedenk. Unter meiner Vermummung fand ich leicht in den Schlössern und Landhäusern Zugang, und war ich gleich allein, so scharrte ich demungeachtet einen ansehnlichen Reisepfennig zusammen.«