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Hiermit schnallte er sein Wams auf und schüttete zweitausend Goldstücke aus.

»Da«, sprach er, »diese Kleinigkeit biete ich von ganzem Herzen eurer Gesellschaft zum Antrittsgeld und mich selbst unmaßgeblich zum Anführer dar mit der Verheißung, diese eure steinerne Wohnung in gar kurzer Zeit in eine goldene zu verwandeln!«

Ohne Anstand und ohne Bedenken übertrugen die Räuber ihm einstimmig die Hauptmannschaft. Sie brachten sogleich ein stattliches Kleid hervor und ließen es ihn statt des zerlumpten Kleides anziehen. Als er geputzt war, küßte er sie die Reihe herum. Nun wurde er bei Tische auf den Ehrenplatz gesetzt und unter weidlichem Gebecher bei einem fröhlichen Schmause eingeweiht.

Unterm Tischgespräche ward er von des Mädchens Flucht und von meiner willigen Beihilfe und von dem uns zugedachten abscheulichen Tode unterrichtet. Er erkundigte sich, wo das Mädchen wäre, und ließ sich zu ihr führen. Als er sie gesehen, wie sie krumm zusammengeschlossen dalag, ging er mit gerümpfter Nase wieder hinweg und sprach:

»Ich bin weder so einfältig noch so verwegen, daß ich dasjenige, was ihr beschlossen habt, geradezu aufheben sollte. Inzwischen würde ich mir doch auch Vorwürfe machen, euch das zu verhehlen, was mir gut dünkt. Hört mich in dem Vertrauen an, daß euer Vorteil mir am Herzen liegt! Mißfällt euch meine Meinung, nun, so bleibt die Erfüllung der eurigen euch ja immer unverwehrt.

Ich denke also: Räuber, die ihr Handwerk verstehen, müssen nichts in der Welt ihrem Vorteile vorziehen, selbst die Rache nicht, mit der man ohnehin nur allzuoft ebensosehr sich selbst als andern schadet! Gesetzt, ihr lasset das Mädel im Esel umkommen, so ist’s wahr, euer Mütlein habt ihr gekühlt; aber euer Vorteil, was gewinnt der?

Darum, so wäre mein unmaßgeblicher Rat: Bringen wir die Dirne lieber nach irgendeiner Stadt, und da sie verhandelt! Für solch eine Jugend kann man etwas lösen. Ich kenne Kuppler, die sie uns mit tausend Freuden für bare alte Dukaten abnehmen. Laßt denn das gnädige Fräulein eine Bordelldame werden! Die Lust zu einer anderweitigen Flucht wird ihr da schon vergehen, und bei dieser so trefflichen Versorgung seid ihr wahrhaftig nicht minder gerächt.

So wäre mein Vorschlag nach meinen besten Einsichten! Ich halt’ ihn für ersprießlich, stelle ihn euch aber völlig anheim. Es ist eure Sache, ihr seid Herren und Meister, zu tun oder zu lassen, was ihr wollt!«

Also sprach er und erwies sich dadurch zu gleicher Zeit als einen ebenso eifrigen Plusmacher denn Erretter des Mädchens und von mir armen Grauchen.

Die anderen ratschlagten ein Langes und Breites. Mir war bei ihrer Unschlüssigkeit nicht wohl; mein Herz war in der Klemme. Endlich und endlich traten sie alle einhellig der Meinung des neuen Ankömmlings bei, und dem Mädchen wurden sogleich die Fesseln abgenommen.

Wer hätte es geglaubt? Sobald das Mädchen nur den jungen Kerl gesehen und von Bordell und Kuppler gehört, wußte sie sich vor Freuden nicht mehr zu lassen. Das empörte mich gewaltig. Ich ward auf das ganze Geschlecht ungehalten, als ich sah, wie ein junges Ding, das so viele Liebe zu ihrem Bräutigam und so großes Verlangen nach einer ehelichen Verbindung bezeugt hatte, so ehrvergessen und bei erster Erwähnung eines liederlichen, unzüchtigen Hauses so über die Maßen erfreut sein konnte.

»Ach, sie haben alle weder Sitten noch Charakter!« brach ich bei mir selbst voller Unwillen aus. Das schöne Geschlecht verzeihe es! Ich sprach’s als – Esel.

Der neue Hauptmann nahm darauf wieder das Wort.

»Jetzt«, sprach er »laßt uns vorerst unserem Beschützer, dem Mars, ein Dankfest feiern und dann auf Verkauf des Mädels und auf Anwerbung neuer Rekruten ausziehen! Aber, mir deucht, es fehlt uns wohl an Opfertier und an hinlänglichem Vorrate von Wein zum Trinken. So gebt mir nur ihrer zehn Gefährten zu, mehr braucht’s nicht, damit ich nach dem nächsten Schlosse gehe und dort Ernte halte zu unserem Schmause!«

Das geschah, und er marschierte mit ihnen fort.

Unterdessen zündeten die übrigen ein großes Feuer an und errichteten aus frischen Rasen dem Gotte Mars einen Altar.

Nach Verlauf kurzer Zeit kehrten jene wieder zurück, große Weinschläuche auf den Schultern und eine Herde Vieh vor sich her.

Ein großer, bejahrter, langhaariger Ziegenbock ward gleich zum Opfer auserlesen und dem helfenden und schützenden Mars geschlachtet. Darauf ging es an die Zubereitung des herrlichen Gastmahls.

»Nicht genug«, begann endlich der Hauptmann, »daß ich bei euren Auszügen und Räubereien euer rüstiger Anführer bin, ich will es auch bei eurem Vergnügen sein.«

Und damit schickt er sich an, mit großer Geflissenheit alles zu besorgen. Er wischt, kehrt, schwenkt, deckt, kocht, richtet an, trägt auf, legt vor – es war ein Vergnügen, ihn zu sehen. Vor allen Dingen aber ließ er sich angelegen sein, die großen Humpen recht fleißig anzufüllen. Und unter dem Scheine, als holt er etwas, das bei Tische fehle, ging er von Zeit zu Zeit dahin, wo das Mädchen lag. Bald brachte er ihr Essen, das er heimlich wegpraktiziert, bald ließ er sie aus seinem Becher trinken, nachdem er vorher selbst kredenzt. Er war seelenvergnügt.

Das Mädchen ihrerseits nahm alles mit Freuden an, was er ihr zusteckte, und wenn er ihr zuweilen eine Kuß geben wollte, reichte sie ihm zuvorkommend den Mund hin. Das verdroß mich ungemein.

»Pfui«, apostrophierte ich sie unwillig bei mir selbst, »bist du ein ehrliches Mädchen und kannst du so der Eheverlobung und deines Geliebten vergessen? Kannst dem Bräutigam, den deine Eltern dir zugedacht, diesen wildfremden, blutdürstigen Räuber vorziehen? Du mußt ja gar kein Gewissen haben, daß du deine Liebe so mit Füßen trittst und hier unter Lanzen und Schwertern Unzucht treibst! Weißt du wohl, daß, wo es die anderen Räuber merken, du gleich wieder zur alten Strafe verurteilt werden und mir also das Leben rauben wirst? Wahrhaftig, das heißt, aus anderer Leute Leder Riemen schneiden!«

Indem ich aber noch so in meinem Herzen mit ihr haderte, merkte ich mit einmal aus einigen dunklen Reden die aber doch für einen Esel von Verstande Sinn hatte, daß ich gegen das arme, unschuldige Kind einen gar falschen Verdacht hegte, indem der vermeinte berühmte Straßenräuber Hämus kein anderer war als Tlepolem selbst, ihr Bräutigam. Aus der Folge ihres Gesprächs ward mir’s vollends offenbar, denn meine Gegenwart legte ihnen nicht den geringsten Zwang an.

»Nur guten Muts, süße Charite!« – sagte er etwas laut zu ihr – »bald sollst du diese deine Feinde alle als deine Gefangenen sehen!«

Mit den Worten ging er und schenkte den Schwelgern bei Tische, die schon alle ihre völlige Ladung hatten, lauter ungemischten und nur etwas laugemachten Wein ein, munterte sie dabei noch unaufhörlich zum Trinken auf, tat ihnen aber nur immer aus leeren Bechern Bescheid.

Wahrlich, ich habe ihn im Verdacht, daß er ihnen ein schlafbringendes Mittel in den Trunk getan; denn stracks lagen sie allesamt wie tot da, in Schlaf und Weine begraben.

Nun war er drüber her, sie dicht und fest zu knebeln und zu binden, und als er damit fertig war, setzte er sein Mädchen mir auf den Rücken und sofort der Heimat zugewandert!

Wie wir uns derselben näherten, ergoß sich schier die ganze Stadt aus den Toren. Eltern, Anverwandte, Freunde, Pflegekinder, Gesinde, alles kam jauchzend uns entgegengerannt; in allen Augen blitzte die Freude des Wiedersehens. In kurzem hatten wir ein unzähliges Gefolge. Groß und klein, jung und alt, Mann und Weib wimmelte in fröhlichem Getümmel um uns her. Auch war es in der Tat ein seltenes und merkwürdiges Schauspiel, ein Mädchen im Triumph auf einem Esel einziehen zu sehen.

Was mich betrifft, um gleichfalls meinen Anteil an der gegenwärtigen erfreulichen Begebenheit blicken zu lassen und bei der allgemeinen Freude nicht gleichgültig zu scheinen: Ich stolzierte hochtrabend einher, und mit emporgereckten Ohren und offenen Nüstern frohlockte und jubilierte ich dermaßen aus vollem Halse, daß alles nur dröhnte.