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Also gelangten wir zu Charitens Wohnung.

Ihre Eltern trugen sie auf ihren Händen hinein und pflegten ihrer mit der allerzärtlichsten Sorgsamkeit. Mich aber trieb Tlepolem unverzüglich mit anderen Saumtieren mehr, von einer großen Menge Leute begleitet, wieder zur Räuberhöhle zurück. Ich sah es gern. Da Neugier überhaupt sehr meine Sache ist, so wünschte ich, die Räuber aufheben zu sehen.

Wir fanden sie nicht so sehr mehr vom Weine als von den Stricken gebunden.

Man säumte nicht, die meisten, so gebunden wie sie waren, in die nahen Steinklüfte hinunterzustürzen. Die übrigen stießen sich ihre Schwerter durch den Leib und ermordeten sich selber.

Hierauf würde das ganze Raubnest ausgeräumt. Man belud mich und die anderen Lastträger mit dem vorgefundenen Gold und Silber und den übrigen Sachen und zog, über die genommene Rache vergnügt und zufrieden, nach der Stadt zurück.

Die mitgebrachten Reichtümer wurden in die öffentliche Schatzkammer gelegt; dem Tlepolem aber ward sein wiedergeholtes Mädchen gesetzmäßig zur Gattin gegeben.

Hinfort hat mich die schöne Charite beständig ihrem Erretter genannt und sehr geflissentlich für mich gesorgt. An ihrem Hochzeitstage ließ sie mir so viel Heu und Gerste geben, daß ein baktrisches Kamel daran genug gehabt hätte. Was wünschte ich der armem Fotis nicht all für Böses an, daß sie, anstatt in einen Esel, mich nicht lieber in einen Hund verwandelt hatte: denn diese machten sich wenigstens fette Mäuler beim Schmause und stopften sich bis zum Übermaße mit den leckersten Überbleibseln voll.

Am Morgen nach der Brautnacht, nach dem ersten Genusse der süßen Freuden der Liebe, hatte die holde Charite nichts Angelegeneres, als ihre Eltern und ihren Gemahl aufs neue recht dringend an die große Verbindlichkeit zu erinnern, die sie schuldig zu sein glaubte. Man versprach ihr, mich nach Verdiensten zu belohnen, und sofort wurde eine Versammlung der ältesten Hausfreunde angestellt, um über die Art und Weise wohlweislich zu beratschlagen.

Einer von den Mitgliedern dieses hohen Rates schlug vor, man solle mich, von aller Arbeit frei, im Stalle mit gestampfter Gerste, mit Bohnen und Wicken totfüttern.

Allein ein anderer redete meiner Freiheit das Wort und trug den Beifall davon. Er riet, mich lieber auf offenen Triften frei unter den Pferden herumlaufen zu lassen, dabei würde mein Vergnügen ebensosehr gewinnen als die Herrschaft den Vorteil; denn ich würde mit den Stuten schöntun, und da würden dann brav Maulesel fallen.

Unverzüglich wurde der Gestütmeister gerufen und ich ihm mit den schönsten Empfehlungen übergeben.

Froh und fröhlich trollt’ ich vor ihm hin, in meinen Gedanken nun auf immer alles Gepäcks und aller Lasten entledigt und voll der besten Hoffnung, da ich völlige Freiheit hätte, mit Anfang des Frühlings, wenn die Wiesen grün würden, irgendwo Rosen auszugattern. Oft ging mir auch der Gedanke durch den Sinn, da man sich jetzt schon so erkenntlich gegen mich erwies und mich als Esel so in Ehren hielt: was man alsdann nicht erst tun möchte, wenn ich die menschliche Gestalt wiederum angenommen hätte!

Allein sobald mein Gestütmeister mich nur erst weit von der Stadt weg hatte, so war leider für mich weder an Vergnügen noch an Freiheit zu gedenken. Sein altes garstiges Weib, ein wahrer Ausbund eines Geizhalses, spannte mich sogleich vor eine Zugmühle, stellte sich mit einem Prügel neben mich hin, mir damit Mut einzusprechen, und ließ mich in einem fort für sich und alle die Ihrigen Mehl mahlen. Ja, was sage ich? Sie war damit noch nicht zufrieden, daß ich ihr ganzes Hauswesen mit Mehl versah; ich mußte ihr auch noch Geld verdienen und für alle ihre Nachbarn Getreide mahlen.

Und wenn sie mir armen Schelm bei der sauern Arbeit nur noch das mir ausgemachte Futter gegeben hätte; aber da verkaufte sie meine Gerste (die ich noch selbst in mühseligem Umlaufe zermalmen mußte) an die Bauern, und mir setzte sie statt dessen, wenn ich den ganzen Tag in der Mühle gegangen war, gegen Abend ein wenig grobe unreine Kleie vor, die ich vor Steinen fast nicht fressen konnte!

Nachdem ich durch solcherlei Ungemach schon ganz zahm geworden war, übergab das grausame Geschick mich noch neuen Qualen. Der treue Gestütmeister ließ sich mit einmal, wiewohl etwas spät, einfallen, dem Befehle seiner Herrschaft nachzukommen, und tat mich zu den Pferden auf die Weide.

Ich hatte anfangs eine solche Freude, ich guter Esel, mich endlich frei und ledig zu sehen, daß ich mich nicht zu lassen wußte; ich hüpfte, tanzte, kapriolte. Mit lüsternem Auge ersah ich mir schon die schönsten Stuten zur Kurzweil aus. Allein wie bald, wie schrecklich ward ich aus dem süßen Wahne erweckt! Ich hätte schier das Leben drüber eingebüßt.

Die Zuchthengste, wilde, ungeschlachte, wohlgenährte starke Tiere, gegen die ein armseliges Eselein, wie ich war, gar nicht in Betracht kam, verstanden meinen Spaß unrecht und wurden eifersüchtig. Aus Furcht, ich möchte ihnen ins Handwerk pfuschen, setzten sie alle Gastfreundschaft hintan und verfolgten mich alle miteinander als ihren Nebenbuhler mit dem grimmigsten Haß. Der eine, von breiter Brust, langem Halse, kleinem Kopfe, bäumte sich hoch und hieb mit den Vorderfüßen auf mich ein. Der andere kehrte mir sein fleischichtes Hinterteil zu und strich mit den Hufen mir sehr unsanft in die Seiten. Der dritte kam mit boshaftem, grellem Gewieher, die Ohren zurückgelegt, die Zähne fletschend, und zerkaute mich über und über wie einen Krautstengel. Ich hatte in der Geschichte von einem gewissen thrazischen König gehört, der seine unglücklichen Gäste wilden Pferden vorwarf und sie von ihnen zerreißen und fressen ließ. Bei all seiner großen Macht war der Tyrann so geizig, daß er lieber mit Menschenfleisch als mit Hafer fütterte. Ich glaubte schier, ich wäre zu ihm geraten, so sehr waren alle Pferde des ganzen Angers auf mich erpicht. Sehnlich wünscht ich mich in meine Zugmühle zurück.

Indessen, das Glück war noch nicht müde, mich zu quälen. Es bereitete mir noch anderen neuen Jammer. Ich ward nunmehr bestimmt, Holz vom Berge herunterzuholen, und ein erzböser Bube, der seine Freude daran hatte, mich bis aufs Leben zu martern, wurde mir zum Treiber bestellt.

Nicht genug, daß ich höchst mühsam auf den hohen, steilen Berg hinaufzuklettern hatte und mir auf den spitzen Steinen ganz das Horn von den Füßen abstieß, lag der Gauner mit seinem verdammten Knüttel mir noch unaufhörlich auf den Lenden. Bis in dem innersten Mark meines Gebeins fühlt’ ich Schmerz von seinem ewigen Geprügel; weil er immer nur auf einen Fleck schlug, war auf der rechten Seite endlich gar die Haut von der Hüfte weggegangen und alles unterkötig geworden; es sah zum Erbarmen aus, doch das rührte ihn nicht. Er karniffelte drauflos, Eiter und Blut mochten noch so sehr aus der Wunde umherspritzen. Dabei überlud er mich dermaßen mit Holz, als ob ich ein Elefant gewesen wäre, und traf es sich, daß er schief gepackt hatte und die Last zu sehr auf einer Seite hing, so warf er nicht etwa einige Kloben von der zu schweren Seite ab, damit ich nicht gedrückt würde, oder legte sie nur auf die andere Seite, damit das Gleichgewicht hergestellt würde; weit gefehlt! Er nahm Steine und brachte damit meine Ladung in die Richte. Gleichwohl, wenn wir durch den Fluß setzten, der mitten in unserem Wege floß, so dachte er nicht an die ungeheure Überlast; sondern, um sich nur nicht die lieben Füßchen naß zu machen, wenn er durch die Furt watete, stieg er noch dazu auf mich und ließ sich durchtragen. Und wollte der Zufall, daß mir auf dem schlüpfrigen Ufer ein Fuß ausglitschte, und ich mit meiner Last mich nicht mehr halten konnte, sondern stürzte: anstatt dann, wie andere Eseltreiber es zu machen pflegen, mir hilfreiche Hand zu reichen, mich bei der Halfter aufzurichten, beim Schwanze in die Höhe zu heben oder einen Teil der Bürde abzuladen, bis ich wenigstens nur wieder aufgestanden, so bestand alle kräftige Hilfe, die er mir leistete, darin, daß er mir fast das Fell über die Ohren zog und mit seiner Keule mich beinahe zu Mus stampfte, bis ich endlich von selbst wieder auf die Beine kam.

Ja, das war das gebrannte Herzeleid noch nicht alles, das der Bärenhäuter mir antat! Nahm er nicht einmal Dornen mit giftigen Spitzen, band sie in ein Bündel zusammen und hing sie mir unten an den Schwanz, so daß sie, wenn ich ging, beständig hin und her baumelten und mich bei jedem Tritte, den ich tat, aufs empfindlichste verwundeten? Ich wußte nicht, was ich anfangen sollte. Lief ich zu, so kamen die Dornen dadurch in einen stärkeren Schwung und stachen beim Aufprallen nur desto schärfer; blieb ich stehen, meinen Schmerz zu lindern, so regnete es Schläge.