Kurz, alles Dichten und Trachten des abscheulichen Wüterichs schien nur dahin zu gehen, mich zugrunde zu richten. Zuweilen drohte er es mir auch unter den größten Schwüren an. Und fürwahr, um ein Haar hätte er es wirklich ins Werk gesetzt.
Die Geduld riß mir eines Tages über seinen unausstehlichen Übermut aus, und ich versetzte ihm etliche tüchtige Hufschläge. Das spannte seine Bosheit aufs höchste, und er gedachte es mir. Wie ich einmal Werg zu tragen habe, das mir mit Stricken fest aufgeschnürt war, was hat er da zu tun? Er stiehlt sich unterwegs in einem Dorfe eine glühende Kohle und versteckt sie in meiner Ladung. Es dauert keinen Augenblick, siehe, so war der ganze Praß entzündet und brannte lichterlohe, und da stand ich mitten in Flammen. Vor Schreck kam ich aus aller Fassung; ich wußte meinem Leibe keinen Rat, je schärfer das Feuer auf meinem Rücken brannte, je verwirrter ward ich. Ich gab mich für verloren.
Allein hold lächelte mir das Glück in dieser dringenden Not und rettete mich von dem mir bereiteten gegenwärtigen Verderben, um vielleicht mich zu neuen größeren Gefahren aufzusparen. Es zeigte sich mir in der Nähe eine vom gestrigen Regen zusammengelaufene Pfütze; mit einem Satze saß ich darin bis über die Ohren und stracks war ich von Feuer, Last und Tod befreit.
Allein, sollte man’s denken? Diese seine Schandtat schob der Bösewicht gar noch auf mich. Er hatte die Unverschämtheit, gegen die anderen Stallknechte auszusagen: aus freien Stücken sei ich im Vorübergehen bei den Feuern der Nachbarn gestolpert und gefallen und habe meine Bürde recht mir Willen angesteckt. Hohnlächelnd nach mir hinblickend, setze er hinzu: »Wie lange werden wir doch noch den Feuerwurm da für nichts und wieder nichts ernähren?«
Wenige Tage darauf spielte er mir noch einen weit ärgeren Streich.
Er verkaufte in der nächsten Hütte das Holz, das ich hatte holen müssen, und trieb mich lediglich nach Hause; lamentierte aber ganz erbärmlich und fluchte und schwur; er wolle eher ich weiß nicht was sein als mein Treiber! Ich wäre so voller Untugenden, daß mit mir nicht auszukommen sei.
»Seht nur«, schrie er, »was das erzfaule, träge Luder, das nicht wert ist, daß man es anspeit, für gefährliche Händel anrichtet! Wer ließe sich wohl einfallen, daß er, sowie er nur irgendeine hübsche Frau oder ein artiges Mädchen oder einen niedlichen Jungen auf seinem Wege antrifft, gleich mit der Bürde herunter ist, auch wohl mit dem Zaune dazu, verbuhlt auf sie zuläuft und trotz seiner Eselhaftigkeit den Liebhaber bei ihnen zu spielen sich unterfängt? Er schmeißt sie ohne Umstände zu Boden und ist rasch darüberher, sein Lüstchen auf irgendeine Art an ihnen zu kühlen. Er versucht’s auch wohl, sie zu küssen; doch was kann er anders mit seiner unflätigen Schnauze als blaue Flecken stoßen oder beißen? Dabei ziehen wir den kürzeren. Das kann uns Zank und Streit zuziehen, und wir werden gewiß noch einmal deshalb in die Tinte kommen! Eben nur erst ward er noch eines jungen Fräuleins ansichtig. Wohin flog das Holz, das er trug? Bei ihr stand er in wilder Liebesglut! Behend hatte er sie schon am schmutzigen Boden hingestreckt und angesichts aller Welt wollte er darauf. Wären nicht flugs auf ihr Heulen und Zetergeschrei eine Menge Leute ihr zu Hilfe geeilt und hätten sie ihm aus den Klauen gerissen, das arme erschrockene Kind wäre auf die allerjämmerlichste Art um ihr Leben gekommen, und wir hätten die Verantwortung davon!«
Durch diese und ähnliche Lügen und Schandreden, die mich innerlich um so mehr krampften, da ich sie stumm und gleichsam beschämt mit anhören mußte, wiegelte der Bube die Gemüter seiner Kameraden dermaßen zu meinem Verderben auf, daß endlich einer darunter anfing:
»Ei, so laßt uns doch den Allerweltshurer, den Erzhörnermacher da nach Verdienst belohnen! Weißt du was, Bruder, schlachte du ihn ab! Seine Eingeweide gib den Hunden, das andere Fleisch laß für die Tagelöhner kochen; damit hat er seiner Sünden Sold! Die Haut wollen wir mit Asche austrocknen, sie der Herrschaft hineintragen und der weismachen, ein Wolf habe ihn erwürgt.«
Diese Setenz war, was mein gottloser Kläger wünschte. Ungesäumt rüstete er sich zur Exekution und lief und wetzte sein großes Messer. Die Schadenfreude lachte ihm zu den Augen heraus, als er dachte, daß er sich nun für meine Hufschläge rächen könne, die leider zu meinem größten Leidwesen ihre Absicht so schlecht erfüllt hatten.
Jedoch ein anderer aus der ehrbaren Knechteversammlung nahm das Wort und sprach:
»Nein, Brüder! das wäre unverantwortlich, wenn wir den schönen Esel da totmachen und seiner notwendigen Dienste uns darum berauben wollten, weil ich bisweilen der Kitzel sticht! Was Henker! Wir dürfen ihn ja nur wallachen, so sind wir sicher genug, daß ihm ferner kein Lüstchen mehr anwandele und wir von ihm künftig nicht das geringste mehr zu fürchten haben. Er wird obendrein dadurch noch ansehnlicher und fetter. Oh, ich kenne die Menge nicht allein solcher träger Langohren, sondern selbst der mutigsten Pferde, die vorher gar unbändig sich gebärdeten und vor Brunst sich nicht zu lassen wußten; wenn sie aber diese Schule durchgegangen waren, so zahm, so tauglich wurden, daß sie alles mit sich machen ließen und gleich gut, es sei zum Tragen oder Ziehen oder sonst wozu, zu gebrauchen waren! Wenn ihr also sonst nichts dawider habt und nur so lange warten wollt, bis ich hier in der Nähe zu Markte gewesen bin, so kann ich mir von zu Hause mein hierzu nötiges Werkzeug mitbringen und euch den verbuhlten Zeisig da mit ein paar Schnitten auf ewig so kirre machen wie ein Lamm.«
Hierdurch wäre ich freilich vom Tode gerettet gewesen; allein für welchen Preis!
Ich trauerte und weinte, als ob ich nicht einen Teil meiner selbst, sondern mein ganzes Ich verlieren sollte. Endlich beschloß ich, entweder zu verhungern oder mir den Hals zu brechen; ich stürbe alsdann zwar, doch stürbe ich wenigstens ganz.
Indem ich noch über meine Todesart noch unschlüssig nachsann, ward es Tag, und mein Halunke kam wieder, wie gewöhnlich, mich nach dem Berge abzuholen.
Eben hatte er mich an einen starken Eichenzacken gebunden und war etwas weiter hingegangen, um das Holz zu fällen, das ich heimtragen sollte, als auf einmal ein abscheulicher Bär aus der nächsten Höhle brummend herauszottelte. Sobald ich den sah, fuhr ich vor Furcht und Schreck zusammen, stellte mich auf die Hinterbeine und zerrte und ruckte, bis die Halfter, womit ich angebunden war, abriß. Nun fort, was das Zeug hält! Den Berg nicht etwa hinuntergelaufen, sondern gekollert wie eine Kugel. Wieder aufgerafft, über die Ebene hingestoben, geflogen, so sehr strebte ich, dem schrecklichen Bären samt meinem Treiber, der schlimmer noch war als ein Bär, zu entkommen.
Ein Wanderer, der mich so allein ankommen sah, fing mich auf, schwang sich hurtig auf mich und, hast du nicht gesehen, auf mich losgepaukt und querfeldein gesprengt.
Ich war froh, daß ich nur laufen durfte, damit ich weiter und weiter von den vermaledeiten Schweineschneidern wegkam. Aus Prügeln macht’ ich mir nichts mehr, ich war sie endlich gewöhnt.
Allein umsonst war mein Eilen; es sollte mir nicht so gut werden, mich zu verstecken oder zu entwischen. Das mir feindliche Glück lauerte im Hinterhalte.
Die Stutereiknechte hatten eine Färse verloren und suchten und patrouillierten danach in der Gegend umher. Von ungefähr trafen sie auf uns, erkannten mich im Augenblick an der Halfter wieder und wollten sich meiner bemächtigen. Mein Reiter hatte Mut und widersetzte sich.
»Beim Element!« rief er, »laßt mich! Was fallt ihr mich an, was soll die Gewalt?«