Wie sie hierselbst ihre Zimbeln und Trommeln ertönen ließen und die sanfte Weise des phrygischen Gesanges anstimmten, kam ihnen alsbald ein vornehmer, religiöser, ausnehmend gottesfürchtiger Herr entgegen, bar demütig die Göttin, bei ihm einzukehren, nahm uns insgesamt mit in seinen weitläufigen Palast und trachtete durch die tiefste Verehrung, durch die fettesten Opfer, sich unsere Gottheit, geneigt zu machen.
Hier war es, ich erinnere mich dessen gar wohl, wo ich die allergrößte Lebensgefahr lief.
Ein Pächter hatte unserm Wirte, seinem Herrn, eine schöne feiste Hirschkeule zum Geschenk gemacht. Man hatte sie, unvorsichtigerweise, nicht allzu hoch hinter der Küchentüre aufgehängt, und ein Jagdhund, der sie ausgewittert, hatte sich, höchst vergnügt über den Fund, derselben bemächtigt und sich heimlich davongeschlichen. Sobald der Koch diesen Verlust inne ward, machte er ich die größten Vorwürfe über seine Nachlässigkeit und lamentierte und weinte entsetzlich. Was sollte er seinem Herrn nun zu essen vorsetzen? Er hatte von dessen Unwillen alles zu fürchten. Aus Verzweiflung läuft er hin, nimmt von seinem kleinen Sohne zärtlichst Abschied, holt dann einen Strick und will sich erhängen.
Zum Glücke erfuhr sein treues Weib noch zur rechten Zeit, was ihm begegnete. Sie läuft zu ihm, reißt ihm den unglücklichen Strick aus den Händen und spricht:
»Du hast ja wohl über dein Unglück den Verstand verloren, daß du nicht einmal das Rettungsmittel siehst. Das dir die barmherzigen Götter in dieser Not beschert haben. Bist du noch irgendeiner vernünftigen Vorstellung fähig, so sammle dich und höre mich an: Führe den fremden Esel da abseits und schlachte ihn. Löse ihm dann eine Keule just ab, daß sie wie die verlorene aussieht, richte sie mit einer schmackhaften Brühe zu und trage sie keck dem Herrn auf; ich gebe dir mein Wort, er merkt es nicht!«
Der verdammte Kerl ließ sich den Rat, sein Leben durch meinen Tod zu retten, wohlgefallen. Hoch strich er die Klugheit seiner trauten Hälfte heraus und ging sofort und schärfte sein Schlachtermesser, um ihren Vorschlag zu vollziehen.
Neuntes Buch
Also bewaffnete der verfluchte Schinder seine gottlosen Hände gegen mich. In so dringender Gefahr galt kein Säumen; ich entschloß mich kurz, durch die Flucht mich vor dem nahen Verderben zu retten. Stracks reiße ich die Halfter ab, woran ich gebunden war, und renne, was nur das Zeug hält, davon; nicht ohne zur größeren Sicherheit öfteres hinten auszuschmeißen. Ich sprenge wild durch das Vorhaus hindurch und geradenwegs in den Speisesaal hinein, wo der Herr des Hauses mit den Priestern das Opfermahl hielt. Ich war so im Schuß, daß ich beim Hereinprellen Tisch, Teller, Schüsseln und Geräte und alles was mir nur im Wege stand, um und um stieß, daß es mit entsetzlichem Gepolter durcheinanderstürzte.
Unser Wirt erschrak und ließ mich flugs greifen und von einem seiner Leute an einen sicheren Ort einsperren, damit ich ihn, wenn ich etwa wieder rappelköpfisch würde, durch meine freche Zwischenkunft nicht noch einmal in der Ruhe des Gastmahls stören möchte.
Da ich durch meine verschmitzte Flucht also in Sicherheit gestellt und den Händen des barbarischen Koches entrissen war, freute ich mich ordentlich meines Gefängnisses. Aber, wo nur das Glück nicht mit uns ist, was hilft uns da all unsere Klugheit und all unser Witz! Das, was die göttliche Vorsehung über uns verhängt hat, geschieht darum nicht weniger! Ich dachte, wie schlau ich der Gefahr entronnen sei, und war nun eben erst recht tief hineingeraten. Denn, zitternd wie Espenlaub, kam plötzlich ein Kerl in den Speisesaal gerannt, ich erfuhr es nachher aus den Gesprächen der anderen Bedienten, und meldete dem Herrn:
Eben sei aus der nächsten Gasse ein toller Hund zur Hintertüre hereingekommen und habe mit blinder Wut die Jagdhunde angefallen; darauf sei er in die Ställe gelaufen und habe da alles gebissen, und als er endlich wieder herausgekommen, auch selbst der Menschen nicht geschont. Der Eseltreiber Myrtil, der Koch Hephästion, der Kammerdiener Hypatius, Apollonius der Arzt, und noch andere mehr, die denselben hätten wegjagen wollen, wären alles lästerlich zugerichtet. Bei verschiedenen von den Tieren, die sich in den Ställen befanden, finge auch schon die Tollwut sich zu äußern an.
Diese Nachricht setzte die ganze Tischgesellschaft in Schrecken: Jedermann hielt augenblicklich auch mich für toll. Man nimmt, was man an Wehr nur vorfindet, ermuntert sich gegenseitig, die Gefahr gemeinschaftlich zu bestehen, und somit Jagd auf mich gemacht! Nicht anders, als wären sie insgesamt selbst rasend geworden.
Es ist wohl kein Zweifel, daß sie mich mit ihren Spießen, Fangeisen, Äxten, Beilen und was sie sonst noch für Mordgewehre hatten, in Kochstücke zerstochen und zerhackt haben würden, wenn ich der Gefahr nicht noch zur rechten Zeit inne geworden wäre und mich in das Zimmer, welches meinen Herren zur Wohnung angewiesen worden, geflüchtet hätte. Da schloß und riegelte man mich ein und besetzte die Türe. Ehe man sich selbst bloßstellte, wollte man dem Gifte lieber Zeit lassen, völlig zu wirken, um mich aufzureiben.
Als ich mich im Zimmer so frei und allein sah, machte ich mir die Wohltat des Glückes zunutze und streckte mich der Länge nach auf ein dastehendes, gemachtes Bett und schlief nach geraumer Zeit zum ersten Male wieder als ein Mensch.
Bereits war es heller Tag, als ich mich von meinem weichen Lager ganz munter wieder erhob und draußen vor der Türe meine Wächter sich um mich zanken hörte.
»Ich kann’s nimmermehr glauben«, sprach einer, »daß der arme Esel drinnen toll sein sollte! Eher wollt ich sagen, daß das Gift bei ihm schon ausgetobt habe und bereits wieder verflogen sei!«
Die Meinungen waren geteilt. Man schritt zu einer genaueren Untersuchung und guckte durch eine Ritze in der Stubentür; da sah man mich denn ganz fromm und ruhig stehen. Nun wurde die Türe geöffnet und man kam und beobachtete mich näher, ob ich mich wirklich besänftigt hätte. Und einer, den mir der Himmel zum Retter gesandt, tat den übrigen folgenden Vorschlag, meine völlige Wiederherstellung zu erproben. Nämlich, man solle mir einen Eimer frisches Wasser zu saufen hinhalten, bezeugt’ ich dagegen nicht den geringsten Abscheu und tränke wie gewöhnlich, so könne man sicher sein, daß mir nichts mehr fehle. Hingegen, schauderte ich davor zurück und trüge Scheu zu trinken, so wäre es nicht richtig mit mir. Dies wäre schon eine sehr alte Erfahrung, die man noch täglich bewährt fände.
Auf den Rat wurde gleich aus dem nächsten Brunnen ein Kübel frischen klaren Wassers geholt und mir, wiewohl mit einigem Zagen, hingehalten. Ich aber trat ohne Anstand hinzu, ja ich ging demselben noch einige Schritte entgegen, steckte, als ob ich noch so durstig wäre, den ganzen Kopf hinein und soff auch alles Wasser, im eigentlichsten Verstande ein Lebenstrunk für mich, bis auf den letzten Tropfen rein aus. Auch litt ich geruhig, daß man mich streichelte und mit Händen klopfte, die Ohren mir kraute und bei der Halfter mich herumführte, kurz alles, was sie mir nur versuchen mochten, bis sie endlich ihr rasendes Vorurteil gegen mich abgelegt hatten und von meinem völligen Wohlbefinden überzeugt waren. Also entrann ich dieser doppelten Lebensgefahr.
Am folgenden Tage ward ich wiederum mit dem heiligen Geräte behangen und unter Krotalen- und Zimbelklang aufs Almosenbetteln ausgeführt. Nachdem wir durch allerhand Dörfer und Flecken gezogen, blieben wir endlich in einer Burg stilleliegen, die nach dem Berichte der Einwohner auf den Trümmern einer ehemaligen reichen Stadt erbaut war.
In der Herberge, wo wir gastfreundlich aufgenommen wurden, erfuhren wir eine lustige Geschichte von einem armen Zimmermann, dem seine Frau auf die schnurrigste Weise von der Welt Hörner aufgesetzt hatte. Sie sei hier zum besten gegeben:
Ein armer Zimmergeselle, der nur kümmerlich sein Brot im Tagelohn verdiente, hatte ein Weib, die, aller Armut ungeachtet, wegen ihres Hanges zur Üppigkeit übel berüchtigt war. Eines Tages, als er früh auf seine Arbeit ging, huschte flugs zu ihr ein flinker Galan ins Haus. Kaum sind aber beide zusammen und fangen in voller Sicherheit an, der Liebe zu pflegen, siehe, da kehrt der Mann schon wieder heim, ohne daß er jedoch um etwas gewußt oder dergleichen sich versehen hätte; vielmehr, da er die Türe dicht und fest verschlossen und verriegelt fand, freute er sich in seinem Herzen über die strenge Eingezogenheit seines treuen Weibes. Er klopfte an und gibt durch Pfeifen das Zeichen, daß er da sei. Wie der Blitz hat sich das verschmitzte und auf solche Fälle ausgelernte Weib aus ihres Liebhabers Armen losgeschlungen und denselben in einem großen Fasse versteckt, das halbverschüttet und leer in einem Winkel dastand. Nun machte sie dem Manne auf; gleich in der Türe aber läßt sie ihn böse an.