Nachdem ich also zur Göttin gebetet, nahm ich auch vom Hohenpriester Mithras Abschied. Mit einer Rührung, als wenn ich mich von meinem Vater trennen müßte, hing ich an seinem Halse und küßte ihn und bat ihn um Vergebung, wenn ich die von ihm mir erwiesenen großen Wohltaten nicht würdiglich zu vergelten vermöchte. Endlich, nach langen, herzlichen Danksagungen, verließ ich ihn und begab mich hinweg.
Mein Sinn war gerade nach meiner Heimat gerichtet, von der ich nun so lange Zeit abwesend gelebt hatte. Indessen, nach wenigen Tagen mußte ich auf Antrieb der Göttin meine Sachen über Hals und Kopf zu Schiffe bringen und gen Rom segeln. Mit günstigem Winde erreichte ich schnell und glücklich den Hafen, nahm einen Wagen und kam wohlbehalten am zwölften Dezember gegen Abend in dieser hochheiligen Hauptstadt an.
Täglich war meine vornehmste Sorge, die Königin Isis anzubeten, deren erhabene Gottheit allda unter dem von der Lage des Tempels hergenommenen Namen, Isis vom Marsfelde, mir der größten Heiligkeit verehrt wird. Ich ward einer der eifrigsten Diener, zwar fremd im Tempel, doch in der Religion einheimisch.
Siehe, als die große Sonne nach durchlaufenem Tierkreise das Jahr vollendet, da erschien mir die wohltätige Göttin wiederum im Traume und ermahnte mich zu einer abermaligen feierlichen Aufnahme und Einweihung in die Geheimnisse.
Ich konnte nicht begreifen, was dies vorstellen, was dies bedeuten sollte. Denn eingeweiht glaubt’ ich schon aufs vollkommenste zu sein. Endlich, nachdem ich lange den Skrupel mit mir herumgetragen hatte, zog ich die Priester darüber zu Rate. Welch ein neues, wunderbares Licht ging mir da auf!
Ich wäre zwar, sagten sie, in der Göttin Geheimnisse eingeweiht, aber in die des großen Gottes, des höchsten Vaters der Götter, des unüberwindlichen Osiris, wäre ich noch nicht aufgenommen. Ungeachtet beider Gottheit und Religion verbunden, ja ganz dieselbe sei, so wäre dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen der Weihe; daher sollte ich nur denken, daß ich auch zum Diener des großen Gottes berufen würde. Der Knoten wurde bald gelöst.
In einem Gesichte sah ich in der folgenden Nacht einen von den Priestern. Mit einem leinenen Gewande angetan, brachte er mir Thyrusstäbe und Efeuzweige und andere Sachen, die ich nicht sagen darf, in das Zimmer; setzte sich auf meinen Stuhl nieder und gebot mir, einen Einweihungsschmaus zu veranstalten. Zuletzt zeigte er mir, zum Merkmal, woran ich ihn wiedererkennen möchte, daß an seinem linken Fuß der Knöchel dermaßen verrenkt sei, daß er hinke.
Nach einer so offenbaren Willenserklärung der Götter waren alle meine Zweifel gehoben. Sobald also der Göttin Frühmette vorbei war, betrachtete ich mir alle Priester aufmerksam, ob keiner darunter sei, der, gleich meinem Traumgesichte, hinke. Ich entdeckte wirklich einen. Es befand sich jemand unter den Pastophoren (Erzpriestern), der nicht allein wegen des Merkmals am Fuße, sondern auch an Statur und Mienen vollkommen demjenigen ähnlich war, der mir im Traume erschienen. Wie ich nachher erfuhr, hieß er Asinius Marcellus (Dürr-Esel), ein Name, der mit meiner vormaligen Verunstaltung in Verwandtschaft stand.
Unverzüglich trat ich zu ihm. Er wußte aber schon, was ich ihm sagen wollte; denn er hatte gleichfalls Befehl erhalten, meinen Mystagogen abzugeben. In vergangener Nacht hatte es ihm geschienen, als habe ihm der große Gott, während er demselben Kränze aufsetzte, mit dem Munde, der aller Menschen Schicksal bestimmt, deutlich verkündet: Er werde ihm einen Madaurer zuschicken, den er trotzt seiner Armut sogleich in seine Mysterien einweihen solle: weil dieser dereinst durch seine Fügung sich sehr in den Wissenschaften hervortun, er aber einen ansehnlichen Schatz finden würde.
Solchergestalt zur Einweihung auserwählt, wurde ich gleichwohl durch meine wenige Barschaft, aber sehr wider meinen Willen, davon zurückgehalten. Nicht allein, daß meine geringe Habe auf der Reise ziemlich geschmolzen war, so überstieg auch der zur Aufnahme erforderliche Aufwand in Rom bei weitem denjenigen, welchen ich in der Provinz dabei zu machen genötigt gewesen. Man kann nicht mehr als ich bei dieser Gelegenheit die drückende Last der Armut fühlen! Das Messer stand mir, mit einem alten Sprichwort zu reden, an der Kehle, da die Gottheit mich immerfort zur Erfüllung meines Berufes antrieb.
Endlich, nachdem ich lange einmal über das andere vergebens erinnert worden und ich mir gar nicht anders mehr zu helfen wußte, so verkaufte ich meine Garderobe, womit ich denn, so gering sie auch war, die erforderliche Summe noch zusammenbrachte; zwar geschah es auch nur auf besondere Anmahnung.
»Wie?« hieß es, »du, der du kein Bedenken tragen würdest, um ein nichtiges Vergnügen sogar deinen Rock vom Leibe dahinzugeben: du stehst noch an, dich um so großer Geheimnisse willen einer verdienstlichen Armut in die Arme zu werfen?«
Ich schaffte denn alles in Überfluß an, was nötig war; ließ mir wiederum zehn Tage lang an leblosen Speisen genügen, und nachdem ich nun auch in die nächtlichen Orgien des größten Gottes, Serapis, aufgenommen war, besucht’ ich noch fleißiger als zuvor den heiligen Gottesdienst, mit dem vollkommensten Vertrauen in die geschwisterliche Religion.
In dieser Lage genoß ich nicht allein der größten Gemütsruhe, ungeachtet ich in der Fremde lebte, sondern ich hatte auch noch mein reichliches Auskommen: denn das Glück gab sein Gedeihen zu den Rechtshändeln, deren ich mich vor Gericht annahm.
Es währte jedoch nicht lange, so erschienen mir, ehe ich mir’s versah, die Götter aufs neue und heischten von mir, mich zum dritten Male weihen zu lassen.
Sorgenvoll, wußte ich nicht, was ich darüber denken sollt. So sehr ich mir auch den Kopf zerbrach, so konnte ich doch auf keine Weise weder die Absicht der Himmlischen erraten noch mir vorstellen, was nach einer wiederholten Weihe mir noch fehlen könnte, wofern beide Hohepriester anders mich nicht hintergangen oder vielleicht mir manches vorenthalten hätten? Fast war mir ihre Ehrlichkeit verdächtig.
Indem ich aber also auf diesem Meere unruhiger Gedanken umherschwankte und meinen Verstand bald darüber verloren hätte, so er hielt ich durch ein Traumgesicht folgende Offenbarung:
»Sei unbesorgt! Nichts ist bei deinen vorigen Einweihungen versehen worden! Wenn du jetzt zu einer dritten aufgefordert wirst, so geschieht es bloß, weil dir die Götter vorzüglich hold sind. Freue dich denn und jauchze! Was andere kaum einmal, das wirst du dreimal werden. Kraft dieser Zahl, glaube es fest, wirst du ewig glückselig sein! Übrigens ist diese künftige Einweihung unumgänglich nötig. Bedenke nur, daß das Gewand der Göttin, welches du in Griechenland angelegt hast, allda in ihrem Tempel zurückgeblieben ist, und daß zu Rom du dich dieses heiligen Schmuckes weder an gewöhnlichen noch außerordentlichen Bet- und Dankfesten bedienen kannst. Darum, mit Heil, Glück und Segen! laß dich hinwiederum einweihen und folge fröhlichen Muts der Eingebung der großen Götter!«
Hierauf zeigte mir der durch göttliche Allmacht zugesandte überredende Traum an, was ich anzuschaffen und weiter zu tun hätte.
Ich nahm sonach keinen Anstand, sondern hinterbracht gleich meinem Erzpriester das gehabte Gesicht, unterzog mich dem Joche der Fasten, verdoppelte freiwillig die durch ein unverbrüchliches Gesetz gebotenen zehntätige Frist der Enthaltsamkeit und kaufte aus frommen Eifer alle zur Weihe nötigen Sachen in weit reichlicherem Maße an, als es vorgeschrieben war. Und wahrlich! Niemals habe ich mich weder diese Kasteiung des Fleisches noch die gemachten Ausgaben gereuen lassen; auch hatt’ ich nicht Ursache! Ungerechnet, daß mit der Götter Segen ich mir schon ein ansehnliches Vermögen durch Advozieren erworben hatte, so würdigte mich nach mehreren Tagen der großen Götter Größter, der Größten Höchster, Höchsten Gewaltigster und der Gewaltigsten König – Osiris, nicht mehr unter eines andern Bildung, sondern von Angesicht zu Angesicht mit mir zu reden. Im Traume schien er in seiner eigenen ehrwürdigen Gestalt mir zu befehlen: unverzüglich mich den allerrühmlichsten Rechtshändeln zu widmen trotz der Neider, welche der Ruf meiner durch unermüdlichen Fleiß erworbenen Gelehrsamkeit mir zuziehen möchte. Ferner erhob er mich aus dem gemeinen Haufen seiner Diener in das Kollegium der Pastophoren; ja, er erkieste mich sogar zu einem seiner fünfjährigen Dekurionen.