Ich werde eine Lösung finden. Alles wird geschehen, wie es geschehen muß. Niemand kann mich hindern zu tun, was ich will. Niemand darf wegnehmen, was mir gehört. Mein Kind wird intelligenter sein als alle Menschen. Ich werde glücklich mit ihm sein. Ich werde stolz sein.
28
Ausstrahlung
Man weiß noch nicht, ob sie existieren, aber man sucht sie – die Gehirnwellen, die die unmittelbare Verständigung zwischen Menschen, die Telepathie, möglich machen. Ist man erst so weit, dann ist es auch möglich, solche Wellen durch einen Sender auszuschicken. Dann ließe sich das Fühlen und Handeln der Menschen von einer zentralen Stelle aus steuern.
Wie kommt es dazu, daß du etwas willst? Wer entscheidet, wenn du im Zweifel bist? Was bringt die Ströme in deinem Gehirn zum Laufen, wer steuert das Denken? Wer ist schuld, wenn du etwas tust, was du gar nicht willst?
Du weißt es nicht. Auch ich wüßte es nicht, wenn ich mich nicht der letzten Expedition des Kapitäns Cox angeschlossen hätte, die uns in die Mondberge des Haemus führte. Aus der Geschichte der Menschheit kennen wir Kulte, die dem Mond galten, und heute noch rankt sich mancher alte Aberglaube um den alten Erdtrabanten. Aber was ahnen wir vom Ursprung solcher Gebräuche!
Welchen Grund Cox hatte, gerade in die kürzlich entdeckten Höhlen des Gebirges einzudringen, weiß ich nicht. Er sagte nie etwas darüber. Von jenem Versturz, vor dem unsere Vorgänger umgekehrt waren, gruben wir uns mit einem Excavator weiter. Unser elektronischer Diener Aeschylus steuerte, ich saß hinter ihm und sah über seine Schulter dem Arbeiten der Spanturbinen zu. Es fesselte mich stets, wie das Hartmetall streifenweise das Gestein abhob und seltsame Felsmuster freilegte. Cox trug Notizen in sein Taschenbuch ein.
Es schien ihn nicht zu wundern, daß wir bald wieder in offene Räume kamen. Es war aber kein natürlicher Höhlengang, sondern ein künstlicher Tunnel. Hinter uns ertönte ein eigentümliches Pfeifen, Staub wirbelte auf. Wir merkten, daß wir uns in einer dichten Atmosphäre von Luft befanden, die durch das von uns gebohrte Loch nach außen entwich.
Wir folgten der schnurgeraden, horizontalen Strecke etwa eine Stunde lang. Dann hob sich die Decke über uns, und wir befanden uns in einem riesigen Raum. Im Hintergrund stand eine Maschine, die an eine riesige Telefonzentrale erinnerte, vorne dehnten sich unzählige Reihen einer Art Schaltelemente, jedes von einem Stäbchen gekrönt, das einer Autoantenne glich. Von diesen Teilen liefen Verbindungen zum großen hinteren Aufbau.
Gleich beim Eintritt spürte ich einen seltsamen Eindruck im Kopf, etwas, das keinem bekannten Gefühl glich. Auffällig war die deutliche Richtungswahrnehmung, der ich folgte. Ähnlich schien es Cox zu gehen, auch er ging in eine bestimmte Richtung.
Schließlich stand ich vor einem der Schaltblöcke. Die Ausstrahlung war jetzt so stark, daß mein Gehirn wie unter einem Strom von Impulsen stand. Mir war so, als erfolgte mein Denken mit ungewohnter Bewußtheit. Ich spürte, wie schon von allem, was ich tat, ein Anstoß kam, und er wirkte noch – wenn auch schwächer –, wenn die Handlung vorbei war.
Ich schaute zu Cox hinüber und beobachtete, wie er seine Hand zum Antennenstäbchen bewegte. Kaum hatte er es berührt, als die Spitze abbrach. Cox hielt in seiner Bewegung inne. Es war, als lauschte er. Ein verwunderter Zug lag in seinem Gesicht. Ich wollte rufen, aber ich konnte nicht.
Plötzlich drehte er sich um und setzte sich mit schleppenden Schritten in Bewegung. Er ging in wirren Kurven, verschwand in der Finsternis, tauchte wieder auf. Und dann spielte sich in meinem Gehirn etwas ab, was ich schon gelegentlich ähnlich, aber nie so deutlich, erlebt hatte:... ihn holen... unheimliches Dunkel... ihm helfen... Angst... weg von hier... ihn holen... Angst, Angst...
Aber alles ohne Worte, ein abstraktes Widerspiel verschiedener Antriebe.
Mich durchlief ein Ruck – ich schritt gegen den Ausgang zu, erst langsamer, dann schneller, schließlich hastete, lief, rannte ich. Bis ich erschöpft im Excavator saß und mich wieder ein wenig in Sicherheit fühlte...
Ein Geräusch klang auf, ein Lichtschein huschte. Dann trat Aeschylus aus dem Dunkel. Er führte einen taumelnden, lallenden Cox neben sich. Er bettete ihn sorgfältig auf den Hintersitz. Er setzte sich ans Steuer, wendete, fuhr los. Er ist der einzige von uns, der frei ist.
29
Die Tausendfüßler
Kitsch ist schwer von Kunst zu trennen. Von ihm lebt die Vergnügungsindustrie. Er wird seine Geltung nicht verlieren, denn er ist die zuckersüße Ingredienz unserer heimlichen Sehnsüchte.
Dr. Mohammed Kirman schaltete alle Gedanken aus und gab sich dem Kommenden hin...
Die Dunkelheit, die ihn umfing, wich einer graugelben Dämmerung. Bald da, bald dort stieß eine weiße Wolke auf ihn zu, verharrte irgendwo in der Nähe und fiel dann jäh zurück. Manchmal umfaßte ihn der Nebel, wogte, wallte und war schon wieder verschwunden, wie weggeblasen. Ihm entgegen wölbte sich eine Kugel, links in ein Meer gelben Lichtes gebadet, rechts in fahles Violett getaucht. In der Mitte wanderte eine Zone des Halbdunkels, aus der sich einzelne Berge als scharf gezeichnete Kegel heraushoben.
Das Raumboot schwenkte um und schwebte heckvoran dem Land entgegen. Mohammed übernahm die Kontrolle und dirigierte es auf einen bewaldeten Wiesenhang zu, der durch ein burgartiges Gebäude begrenzt war. Er setzte ruhig auf, öffnete die Schraubtür und sprang hinaus. Die Erde war von dünnem braunem Gras bedeckt. Einzelne orangene Lampionblumen schwankten im Wind. Das Burgtor öffnete sich, und einige Gyroschweber kamen auf ihn zu. Ihnen entstiegen Männer in wallenden Gewändern, und einer von ihnen, silbergeschmückt, trat auf ihn zu. Die anderen bildeten in achtungsvoller Entfernung einen Halbkreis.
»... bin der Herr dieses Planeten«, begann er und begleitete seine Worte mit einer weitausholenden Bewegung. »... heiße dich bei uns willkommen. Komm auf mein Schloß – zu einem kleinen Mahl.«
Mohammed dankte und stieg auf einen Schweber, der sich sofort in Bewegung setzte. Er betrachtete seine Begleiter – braunhäutige, wollhaarige Gestalten, ein wenig exotisch, aber freundlich, vertrauenerweckend.
Das stattliche Gebäude war prächtig eingerichtet. Sie saßen auf dem flachen Dach eines der Türme und genossen den Rundblick über die Landschaft, die sich in flachen Wellen bis zu einem Flußlauf senkte und von dort aus bis zu einer Kette schneebedeckter Kegelberge anstieg, zwischen denen die Sonnenscheibe versank. Er saß zwischen dem Gebieter und dessen Tochter Meena, einer achtzehnjährigen, dunklen, glutäugigen Schönheit, und hörte sich Erzählungen über das Leben auf diesem Planeten an. Es verlief im allgemeinen friedlich, doch hatten sich vor kurzem auf einem Mond unbekannte Wesen festgesetzt, die zwar bis jetzt noch nicht in Erscheinung getreten waren, doch vielleicht eine Bedrohung darstellten. Dann lag er in einem breiten Himmelbett und mußte eben eingeschlafen sein, als ihn ein Knirschen weckte. Er schaltete das Licht an und sah einen grauen zylindrischen Körper aus der Wand herauskommen, etwa einen Meter hoch und zwei Meter lang. Der Vorderteil spitzte sich zu und begann mit einer Öffnung, die mit einem Gitter verschlossen war. Was in dessen Bereich gelangte, wurde eingesaugt und kam hinten in Brocken zerlegt wieder heraus.
Das Fahrzeug bewegte sich quer durch den Raum. Mit einem mahlenden Geräusch schob es eine Welle von Schutt vor sich her. Sonst ging der Vorgang bemerkenswert still vor sich. Die gegenüberliegende Wand bildete ihm kein Hindernis, es drang ohne Stocken ein, schob sich hindurch und ließ eine häßliche runde Öffnung in der Wand zurück.
Mohammed sprang aus dem Bett, packte seinen Blaster und lief auf den Gang hinaus. Er war matt beleuchtet, einige aufgeregte Männer tauchten an den Türen auf, da und dort erschienen und verschwanden metallglänzende Zylinder. Das Knirschen drang jetzt durch das ganze Schloß.