Und dann erscholl ein Schreckensruf: »Meena wurde entführt!« Jetzt waren nur noch einzelne Fahrzeuge der Eindringlinge sichtbar. Die Schloßbewohner hatten sich so weit gesammelt, daß sie ihre Waffen darauf richten konnten. Aber die Schüsse prallten wirkungslos ab.
Mohammed sah gerade einen Zylinder in eine Mauer eindringen, als er auch schon seinen Blaster darauf richtete. Die Rückwand lief rot an und löste sich dann in eine Staubwolke auf. Als sich aber das Gefährt ungehemmt weiterbewegte, lief Mohammed nach, sprang auf, drang ein...
Er fühlte einen Stoß am Knie, das Geräusch schleifender Schritte drang zu ihm durch. Mit der Hand wehrte er unwillig ab. Einige gemurmelte Worte der Entschuldigung. Die Störung war beseitigt, er konnte sich wieder ganz dem Geschehen hingeben...
Im Hohlraum lag ein Tausendfüßler, fast eineinhalb Meter lang, ein vielfach gegliedertes, borstig behaartes Wesen mit überentwickeltem, geschnäbeltem Kopf. Er schien durch den Blasterstoß betäubt zu sein. Das Fahrzeug aber schob sich weiter – offenbar war es automatisch gelenkt. Mohammed warf den leblosen Körper heraus. Vorne bewegte sich eine Platte, sie wölbte sich auf, Reliefmuster liefen darüber hinweg. Da erkannte er, daß es sich um eine Art Abbild der Außenwelt handelte, wohl um jene Form, die mit Fühlern versehenen Wesen am besten angepaßt ist. Es war zuerst ein wenig schwierig, die Bilder zu lesen, aber Mohammed gewöhnte sich bald daran: Sie befanden sich auf dem Weg über den Wiesenhang, und nun tauchte ein scheibenförmiger durchlöcherter Körper vor ihnen auf. Jeder der Fahrzylinder schob sich in ein Loch, das sich hinter ihm schloß, und als alle geborgen waren, erhob sich das Rad und schwebte in die Höhe. Bald war das Ziel zu erkennen: ein ellipsoidischer Mond, der bald den Himmel beherrschte.
Als sie landeten, sah Mohammed Unmengen von Tausendfüßlern versammelt. Die im Schiff Befindlichen krochen heraus und einige schoben Meena vor sich her, die die Hände vor die Augen drückte – sie war außer sich vor Angst.
Eine unbändige Wut ergriff Mohammed. Er richtete seinen Blaster auf die Chitinleiber – es war ein wohliges Gefühl zuzusehen, wie sich die häßlichen Tiere reihenweise in Staub auflösten. Nur jene um das Mädchen herum mußte er schonen. Als alle übrigen niedergemäht waren, nahm er den Blaster beim Lauf und stürzte auf die Gliederfüßler zu. Ein mörderischer Kampf begann. Mit dem Griff seiner Waffe drosch er darauf los. Glücklicherweise waren den Insekten keine automatischen Abwehrmittel greifbar, aber sie verteidigten sich mit ihren natürlichen Paaren von spitzen Stacheln, die ihren Hinterleibern entwuchsen.
Mohammed sprang vor und zurück, stets auf der Hut, getroffen zu werden, keine Gelegenheit verpassend, furchtbare Schläge auszuteilen. Gestachelte Hinterleiber bäumten sich vor ihm auf, sein Blaster zuckte vor, eines der Tiere nach dem andern krümmte sich, blieb hilflos zappelnd liegen, dann stand er allein mit Meena, inmitten der greulichen hingestreckten Körper. Noch immer preßte sie sich die Hände vor die Augen. Zart faßte Mohammed ihre Arme, zog ihr die Hände vom Gesicht.
»... sind gerettet«, sagte er leise.
Meena blickte auf, ihm in die Augen, sie erkannte ihn, lächelte. Dann sah sie die Kampfspuren um sich herum – sie schloß die Augen wieder und lehnte den Kopf an seine Schulter.
Erst jetzt fand Mohammed Zeit, seinen Taschenfunker in Betrieb zu setzen. Einen Arm schützend um Meena gelegt, zog er die Antenne...
Die Umgebung verblaßte, verschwamm, wurde grau, dann schwarz. Bankreihen formten sich aus dem Nichts, die Köpfe der Kollegen bewegten sich unruhig.
Prof. Petroff trat auf das Podium: »... habe die Vorführung dieses Machwerks unterbrochen – ich glaube, es erübrigt sich, den Film bis zum Ende durchlaufen zu lassen. Was ich damit zeigen wollte...«
Dr. Mohammed Kirman, Bundesbeauftragter für Erwachsenenbildung, öffnete den Riemen und schob die Kontaktplatte von den Schläfen. Die Vorhänge hoben sich, draußen wurde die Stadt sichtbar – die Luft- und Wasserbehälter, die Energiestrahlenantennen, die Ortungstürme für den Weltraumflug –, eine Wüste aus Metall und Plastik. Aber er sah nichts davon, und er hörte auch die Worte seiner Kollegen nicht, die mit der Diskussion begannen. In ihm klang etwas nach, das er nicht in Worte fassen konnte, das er gern gehalten hätte und das ihm doch von Sekunde zu Sekunde mehr entglitt.
30
Sabotage
Wissen ist Macht. Macht ist weder gut noch schlecht. Es kommt nur darauf an, wie man sie anwendet.
Durch sein technisches Wissen ersparte sich der schwarzgekleidete Herr viel umständlichere Handlungen. Seine Mittel waren nur wenige Millimeter elektrisch leitfähigen Materials.
Das blendende Weiß des Himmels wich einem schmutzigen Grau. Dort, wo die Sonne unter den Horizont gesunken war, loderten noch die grünen Fackeln empor, die dieses Ereignis stets begleiteten. Nun herrschte wieder die siebzehn Wochen lange Nacht des Planeten Epsilon.
Die Männer der Station saßen im Unterstand und pokerten. Es gab nicht viele Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Nur selten landete hier ein Raumschiff. Der Planet kreuzte zwar die Route zwischen Beta und My, aber da der Zwischenlandeplatz auf dem benachbarten Gamma lag, gab es wenig Gründe für Besuche auf Epsilon.
Um 21.10 Uhr interplanetarischer Zeit schrillten die Alarmglocken. Ein größerer Körper mußte in die Argonatmosphäre eingedrungen sein. Die Männer stürzten hinaus und konnten durch die Kuppeldecke eben noch sehen, wie eine glühende Kugel im Westen niederging, rasch weißglühend wurde und dann in ein Feuerwerk herunterregnender Glut versprühte.
Kurze Zeit zuvor war folgendes geschehen.
Der Leiter des Passagierschiffes 119 saß neben dem Mikrofilmprojektor und las einen Artikel über elektronische Grafik. Hin und wieder warf er einen Blick auf den Bildschirm, der den Ausguck ersetzte. Die Route von Gamma nach Beta fuhr er schon zum 600sten Male. Plötzlich stutzte er: Der Planet Epsilon rückte in die Mitte des Fadenkreuzes. Er wischte sich über die Augen, aber der Spuk blieb Wirklichkeit. Ein Druck auf einen Schaltknopf verband ihn mit sämtlichen 420 Passagieren.
»Positroneningenieure werden dringend gebeten, ins Büro der Schiffsleitung zu kommen!« tönte es aus den Lautsprechern. Nach wenigen Minuten meldeten sich zwei Herren.
»... automatische Steuerung des Schiffes muß defekt sein«, erklärte der Leiter und versuchte seiner Stimme einen sachlichen Klang zu geben. »Wenn wir den Fehler nicht innerhalb einer Stunde finden, zerschellen wir auf Epsilon.«
Die Männer drangen in die Räume der positronischen Anlage ein und suchten fieberhaft. Als sie den Fehler gefunden hatten, war es zu spät.
Wenige Stunden zuvor war folgendes geschehen:
Unter den ersten, die das Passagierschiff 119 auf dem Zentralflugplatz von Beta betraten, war ein unscheinbarer, dunkelgekleideter Herr. Da er kein Gepäck hatte, kam er rasch durch die Röntgenkontrolle des Zolls. Er schien sich sehr für die Einrichtung des Schiffes zu interessieren, denn er durchwanderte aufmerksam alle Räume. In einem unbeobachteten Augenblick riß er das Siegel von den Steuerräumen auf, stellte das Kombinationsschloß ein und öffnete die Tür. Er schlüpfte hindurch, zog seine altmodische Uhr hervor, ließ den Deckel aufschnappen und riß die Feder heraus. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, klemmte er sie zwischen zwei Positronenkreise des Koordinatenaggregates so ein, daß eine leitende Verbindung entstand. Ebenso schnell trat er wieder zur Tür, vergewisserte sich, daß der Gang leer war, trat hinaus und zog den Schieber zu.
Niemand nahm Anstoß daran, daß ein Passagier darum bat, das Schiff noch einmal verlassen zu dürfen, um etwas zu besorgen. Es fiel auch niemandem auf, daß der Betreffende nicht mehr zurückkam.