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Der Mensch ist aus Tieren hervorgegangen. Die Möglichkeit, sich zur Intelligenz zu entwickeln, steckt in jedem Lebewesen, jedes Lebewesen hat unwiederbringlichen Wert.

Der Jäger trat in die rauchige Gaststube. Drei Gäste hockten am Stammtisch – ein Alter mit zerzaustem Haar und einem Bocksgrinsen, ein Dicker mit einer vorspringenden Nase wie ein Entenschnabel, ein Braunbehaarter mit hervorquellenden Kuhaugen. Alle drei sahen ihn an, und keiner von ihnen freundlich.

Er grüßte. Der Braune – er war der Wirt – stand auf.

»... steht zu Diensten, Gevatter?«

»... Scherzel Brot, ein Schluck Wein und ein Nachtlager, wenn's Euch behagt«, antwortete der Jäger. Er stellte die Armbrust in die Ofenecke. »... für morgen mag mir Eure Frau das Kaninchen braten.«

Die schwarzen Augen blickten starr. Aber dann sagte der Wirt: »Nehmt Platz und geduldet Euch ein wenig. Ich bringe Speis und Trank, und die Magd richtet Euch derweil die Kammer.«

Der Jäger setzte sich zu den andern am Tisch. Der Wein war rot und schwer, und bald verabschiedete er sich, um zu Bett zu gehen.

Pochen an der Zimmertür – lautes Schnaufen. Quietschen der Angeln...

»... da?« Ich setze mich auf. Wo sind die Schwefelhölzchen? Graue, trübe Nacht. Glasige Kuhaugen im Türrahmen – Lichter darin. Schemen an meinem Bett, ein Ochsenkopf, ein Entenschädel, das feixende Faunsgesicht eines Bocks.

»... wollt ihr von mir?« Ich schreie es heraus. »... fällt euch ein?«

Drei Schemen vor meinem Bett. Riesige Schatten an den Wänden, bewegt, schwarz.

»Hinaus mit euch.« Ich brülle. »... habe nichts, was euch interessiert! Nichts!«

»Warum hast du ihn umgebracht?« Meckern eines Bocks.

»Warum hast du ihn umgebracht?« Schnattern einer Ente.

»... habe nichts getan.« Schlagendes Herz. Verkrampfte Muskeln.

»... klage dich an.« Ein Bocksgesicht.

»Du bist vor Gericht.« Ein Entenschädel.

»Gestehe!« Ein Ochsenkopf.

Grinsen, Schnappen, Mahlen.

»... bin unschuldig!«

»Lapin ist tot.«

»Warum hast du es getan?«

»Verteidige dich!«

Köpfe, Gesichter, Fratzen. Wiegen, Schaukeln, Wanken.

»Du hast ihn ermordet!«

»Mörder!«

»Mörder!«

Dunkle Wand aus Augen, Speichelfäden, Borsten, Zähnen. »Nein, nein!« »Lapin ist tot.« »Ermordet.« »Mörder!« Ich weiß nichts. Habe ich ihn ermordet? Ich kann nicht mehr denken. Ich weiß nichts mehr. Mäuler, Geifer, Hörner, Federn. »Gestehe!«

»Gestehe!«

»Gestehe!«

Die Angst wächst ins Grenzenlose. Klauen, Flügel, Krallen, Zungen. »Laßt mich! Ich gestehe! Laßt mich! Ja, ich war es! Ich habe ihn getötet!«

Die Wand weicht zurück. Ruhe. Stille. Dann Worte, furchtbare Worte, hallend: »Wegen Mordes an Lapin zum Tode verurteilt.«

Etwas stürzt über mich. Etwas Scharfes, Blinkendes fällt, dringt ein, zerteilt...

In der Wirtsstube lag kalter Rauch. Der Wirt kauerte vor dem Ofen und schob Späne auf brennendes Stroh. Am Tisch saß der Alte mit dem zerzausten Haar und stocherte in den Zähnen, neben ihm der Breite, mit geschlossenen Augen, den spitzen Kopf in die Hand gestützt. Am zweiten Tisch kaute der Jäger sein Schwarzbrot. Die Reste seiner Mahlzeit lagen noch auf dem Teller.

Er stand auf, ergriff seinen Packen Felle, warf einen Taler auf den Tisch. Grüßte, ging hinaus, atmete tief ein. In einem versteckten Winkel seines Kopfs lag ein dumpfes, düsteres Erinnern. Aber die Morgenfrische verwischte es. Der Eifer packte ihn wieder, die Lust an der Jagd, die Freude am Lauern, Schießen, Treffen.

Eilig wandte er sich vom Weg ab und betrat den feuchten, dämmernden Wald.

36

Geflüster

Schwingungen liegen in der Luft und suchen das Gehirn, das sie empfängt. Stimmen flüstern, drängen, locken, jedem passen sie sich an.

»Komm!« wisperten die Stimmen. »Komm zu uns! Zögere nicht! Deine Wünsche werden in Erfüllung gehen. Versäum dein Glück nicht! Das Schönste, was es für dich gibt, erwartet dich...«

Ben wälzte sich unruhig im Halbschlaf. Was ist das Schönste für mich? fragte er sich. Was anderes als ein Mädchen, ein junges, zärtliches, erwartungsvolles Mädchen?

»Komm«, flüsterte es wieder, »es ist ein Mädchen, das auf dich wartet, versäum dein Glück nicht...«

Blond müßte es sein, dachte Ben, blond, und dunkle Augen müßte es haben.

»Beeil dich«, klang es, »... Mädchen wartet. Wenn du dich bemühst, siehst du es: Es ist blond und hat dunkle Augen...«

Xaver, der Hund, winselte. Kai, der im Nebenraum lag, erwachte und hörte das Ächzen und Murmeln von Ben. Er träumt, dachte er und schlief wieder ein.

»Myra«, stöhnte Ben, »Myra, wenn ich dich wiedersehen könnte, mit dir sprechen, dich in die Arme schließen!«

»Myra ist hier«, raunten die Stimmen. Sie kamen von allen Seiten. »Myra ist hier! Ich bin Myra. Beeil dich. Myra erwartet dich. Laß mich nicht allein. Ich bin Myra. Ich rufe dich. Komm, komm, komm...« Es summte, tönte, sang: »Komm! Komm!«

Ben erhob sich. Er schlüpfte leise in Kleider und Schuhe. Seine Augen waren halb geschlossen. Er schlich zur Tür hinaus. Drei von den zwölf Monden standen am Himmel und verbreiteten trübes Licht, das wie glänzender Staub auf den Moosfeldern lag.

Ben lief in den Farnwald, zwischen den haushohen Stämmen hindurch. Immer deutlicher rief es in seinem Kopf: »Beeil dich, Myra wartet!« Immer lauter lockte es, forderte es, befahl es.

Um ihn eine Lichtung. Jetzt dröhnten die Stimmen, verwirrten, betäubten ihn. Vor ihm bewegte sich eine Gestalt. »Myra!« schrie er. Etwas Weiches umfing ihn, schmiegte sich an, hielt ihn fest. Er spürte Wärme, er schloß die Augen. Schwäche kam über ihn...

Ein harter Knall peitschte auf. Er fühlte das Wesen unter seinen Händen schlaff werden, eine laue, faulig riechende Flüssigkeit rann an ihm herunter...

Kai steckte die Pistole ein. Er tätschelte Xaver, der ihn geweckt und hergeführt hatte. Sein Freund war nicht der erste, den die riesigen Wanderkraken in eine Falle gelockt hatten.

Ben starrte traumverloren vor sich hin. Die Saugmale begannen zu schmerzen. Er war sehr schwach, hatte wohl viel Blut verloren. Wieder einmal war Kai zu seinem Retter geworden. Aber in das Gefühl der Dankbarkeit mischte sich seltsamerweise ein nicht unterdrückbares Bedauern darüber, daß ein wunderbarer Traum zerstört war.

37

Streit

Ein primitives Werkzeug ist wirksamer als die furchtbarste Waffe – wenn der Angegriffene nicht darauf gefaßt ist.

Bal war in den Wald hineingelaufen, seine Flucht war aber nur eine Finte. Er fühlte sich seinem Gegner durchaus gewachsen. Im Dornengestrüpp unbekannter Pflanzen kam er nur langsam vorwärts, aber er fand bald eine Lichtung, die für seine Pläne wie geschaffen war. Er überquerte sie und verbarg sich im Gebüsch.

Auch für Cobricht war es ein fremder Planet. Aber er fühlte den Gegner in der Nähe und schaute nicht auf die ungewohnte Umgebung. Ohne auf die Stacheln zu achten, stürmte er hinter seinem Robothund her, der der Fährte folgte.

Als er auf die Lichtung hinauskam, bemerkte er ein Blitzen im Gebüsch gegenüber. Er riß den Hebel seines Abwehraggregates herunter und errichtete einen Gravitationsschild vor sich – gerade rechtzeitig, um ein Raketengeschoß abzufangen. Bal sandte einen Negationsstoß aus, um den Schild zu neutralisieren.

Darauf hatte Cobricht gerade gewartet: Als die Linie zwischen ihnen frei war, setzte er einen Positronenblitz frei. Beißender Rauch stieg von der Stelle auf, wo Bal hockte. Es waren aber nur die Büsche – er konnte die Entladung rechtzeitig in die Batterie ableiten. Kein Haar war ihm gekrümmt worden.