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Zunächst passierte wenig. Wir fanden immer neue Räume, die sich durch nichts von den anderen unterschieden. Bis auf die abgestorbenen Lebewesen war alles in Ordnung. Nur einige Dinge fielen uns auf, erschienen uns aber nicht wesentlich: Da waren einige Gefäße zu Staub zerfallen – die pulvrigen Überreste lagen noch so da, daß man ihre früheren Formen erkennen konnte. Bei einigen Spiegeln hatte sich das überdeckende Glas zu einer undurchsichtigen, spröden Masse gewandelt. Fast in allen Bildern hatten sich einige Farben zersetzt. Ein groteskes Mosaik von Eindrücken.

Schon am zweiten Tag fand der Captain die Navigationsräume. Das System war leicht durchschaubar. Die Erbauer des Schiffs müssen menschenähnlich gewesen sein, wenn auch wahrscheinlich ein wenig weiter als wir. Conny stellte fest, daß noch genügend Treibstoff da war, und Willy konnte einen Kurs ausrechnen und einstellen.

Bei meinem ersten Patrouillengang streifte ich mit Smoky und dem Captain in den entlegensten Regionen umher, in den Räumen, die unserem Eingang gegenüberlagen. Als wir gerade eine Art Veranda mit ganzen Reihen vertrockneter Kakteen betraten, blieb der Captain plötzlich stehen. Er bedeutete uns mit der Hand, aufzupassen...

»Habt ihr es auch bemerkt?« fragte er dann. »Dieses eigentümliche Ziehen?« fragte Smoky zurück.

»Genau das«, gab der Captain zurück. Beide sahen mich jetzt Antwort heischend an.

»... habe nichts gespürt«, mußte ich gestehen.

»Es ging mir durch den ganzen Körper«, erklärte der Captain, »... wenn darin ein Unterdruck entstanden wäre – etwas Wühlendes, Saugendes. Es war allerdings nicht schlimm, nicht einmal unangenehm.«

Es muß aber doch schlimmer gewesen sein, als die beiden zugeben wollten – der Captain ordnete den Rückzug an.

Nicht weit von unseren Räumen passierte dann ein Mißgeschick: Smoky brach sich ein Bein. Ein glatter Bruch der Knöchelgabel. Wir mußten eine Tragbahre improvisieren und ihn das letzte Stück schleppen. Er wußte selbst nicht, wie es gekommen war. Er meinte, daß er wohl gestolpert sein müsse. Er war aber nicht gestolpert. Ich war hinter ihm gegangen und hatte gesehen, daß das Bein unter dem Gewicht seines Körpers einfach nachgegeben hatte, eingeknickt war. Nun ist Smoky mit seinen 180 Pfund zwar kein leichter Knabe, aber das ist doch nicht in Ordnung, daß die Knochen einfach zusammenbrechen!

Bei diesem Pech blieb es aber nicht. Einige fingen nämlich über Mattigkeit, Appetitlosigkeit und Muskelschmerzen zu klagen an. Der Doc schüttelte den Kopf. Er konnte sich die Symptome nicht erklären. Die Stimmung wurde gereizt, einer fuhr den anderen an – aber gerade Jack, der durch nichts aus seiner Ruhe zu bringen ist, brachte sie auf den Nullpunkt. Der Captain pfiff den Koch an, weil ihm das Essen nicht schmeckte – wohl ein bißchen heftiger, als notwendig gewesen wäre –, und Jack wollte die Situation retten. Mit gezwungener Lustigkeit rief er: »... besser noch schlechtes Essen als keine Luft.« Und gab dem Captain freundschaftlich einen sanften Boxer. Ich war dabei, und ich kann versichern, daß es nur ein ganz leichter Schlag war. Aber der Captain knickte glatt zusammen. Zuerst glaubten wir, es wäre ein Witz, dann ging uns ein Licht auf, daß es doch ernster sein müsse. Wir holten den Doc, und der stellte drei gebrochene Rippen fest.

Der Captain konnte nun die Streifzüge nicht mehr anführen. Man kann sich seine Laune vorstellen, als er Willy damit beauftragte.

Gleich bei seinem zweiten Erkundungsgang kam dieser mit einigen Lochstreifen zurück – das erste Anzeichen einer Art Schrift. Der Captain, der sich nicht bewegen durfte, machte sich an die Entzifferung. Sie gelang ihm ziemlich schnell, und endlich erfuhren wir, was es mit dem Schiff für eine Bewandtnis hatte.

»Alles ist mir noch nicht klar, aber einiges habe ich doch herausgebracht«, erklärte er. »... Kasten, in dem wir jetzt festsitzen, ist ein Fahrzeug einer großen Flotte, die bei irgendeiner Übersiedlungsaktion war. Ungefähr eine Million Lebewesen war drin. Während der Fahrt erkrankten sie nach und nach und wurden auf andere Schiffe übergesetzt. Was die Ursache dafür war, verstehe ich noch nicht ganz, da steht zwar etwas, die wörtliche Übersetzung hieße ›Kalziumfresser‹.«

Wir sahen wohl alle etwas ratlos drein, aber der Doc sprang auf, holte sein ärztliches Besteck und rannte zu Spike, den es am ärgsten gepackt hatte. Er lag in einem Einzelraum, den wir als Krankenzimmer ausgestattet hatten. Der Doc zapfte ihm Blut ab, und was es noch an solchen Dingen gibt, und verschwand in seinem notdürftig ausgestatteten Labor. Nach einer Weile kam er mit einem Reagenzgläschen heraus, das er uns vor die Nase hielt.

»Da habt ihr die Erklärung«, rief er.

Ein weißer flockiger Niederschlag wirbelte in der Eprouvette – wir hatten natürlich keine Ahnung, was er zu bedeuten hatte.

»Kalziummangel!« japste der Doc. »... Kalziumspiegel ist weit unter den zulässigen Wert gesunken. Jetzt verstehe ich, wieso unsere Knochen brechen und unsere Zähne wackeln.«

»Kalzium?« fragte der Captain nachdenklich. »Unser Katalysator bestand doch aus Kalzium... ?«

»Unsinn«, meinte der Doc, »... muß ein Zufall sein. Jetzt werde ich mich um den Küchenzettel kümmern und kalziumreiche Speisen zusammenstellen. Weiter bekommt jeder Kalktabletten!«

»Aber was ist mit Kalziumfresser gemeint?« wollte ich wissen.

»Vielleicht Bakterien«, vermutete der Doc. »... werde gleich einen Abstrich machen und mich ans Mikroskop setzen!«

Jetzt hatten wir also einen Hinweis, dem wir nachgehen konnten, aber ich kann nicht behaupten, daß wir uns sehr wohl in unserer Haut fühlten.

Am nächsten Tag kam eine Streife nicht mehr zurück. Zuerst machten wir uns keine Sorgen, denn wie leicht kann man sich in dem großen Schiffskörper verspäten. Als aber Fatty mit den beiden anderen bis zum nächsten Morgen ausblieb, schickte der Captain Cyril und mich auf die Suche.

Wir wußten ungefähr, welchen Teil des Schiffes sie sich hatten vornehmen wollen, und gingen ohne Zögern hin. Früher war jeder Streifzug ein Vergnügen, wie eine Wanderung durch eine schöne Landschaft. Heute waren uns diese wunderbaren Räume unheimlich. Eine Stille lag in ihnen, die nerventötend war. Jedesmal, wenn ich eine Tür öffnete, mußte ich mich zuerst überwinden – mir war, als könnte etwas dahinter lauern.

Als wir schon ziemlich weit vorgedrungen waren, begann Cyril über ein seltsames Ziehen in allen Gliedern zu klagen. Ich spürte nichts, da er aber immer mehr darunter litt, wollte ich schon vorschlagen, daß wir umkehrten – da fanden wir sie...

Direkt vor uns lag Fatty, er bewegte sich ein wenig, als er uns hörte. Etwas weiter vorn streckten sich die Körper seiner beiden Kameraden. Alle lagen eigenartig schlapp da, wie hingemäht, und als wir uns zu Fatty bückten, war sein Gesicht formlos und schwammig, seine Arme schlenkerten kraft- und haltlos. Seine Augen waren halb geschlossen und seine Lippen mühten sich, Worte zu formen: »... ein Wesen... ein Tier, das...« Er sackte zusammen, als sei die letzte Energie aus seinem Leib verströmt.

Cyril und ich sahen uns entsetzt an. Da hörte ich ein Geräusch im Nebenraum. Ich zog meine Pistole und riß die Tür auf... Vor mir lag ein langgestreckter Raum, eine Art Wintergarten, voll von verdorrten Blattpflanzen. Hinten aber drehte, schob und wand sich etwas, etwas, das ich nur zum Teil sah, der Rest verschwand hinter einer Biegung: ein Gewirr von silbergrauen Spinnenbeinen oder Fühlern, die sich ununterbrochen wellten und tastend hin und her bewegten.

Ein Ruf Cyrils ließ mich umkehren. Ich fand ihn bleich an einer Wand lehnend. Er war am Zusammenbrechen.

»Es wird immer ärger«, ächzte er. »Bring mich zurück!«

Er konnte kaum mehr gehen, einen großen Teil der Strecke mußte ich ihn schleppen.

Als ich bei den anderen ankam, erwartete mich eine neue Schreckensnachricht: Der Doc hatte festgestellt, daß sich eine Menge von Nahrungsmitteln zersetzt hatte, und zwar gerade die, die besonders kalkreich waren.