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Ruth hatte unruhig geschlafen, seltsame beklemmende Träume hatten sie gequält. Als sie nun erwachte, spürte sie einen Fremdkörper an der Schulter. Noch halb im Schlaf tappte sie hin, aber das Ding hielt wie angeklebt, und als sie heftiger zog, schmerzte es. Jetzt erst wurde sie ganz wach und sah ihre Pflanze auf der linken Schulter hocken. Sie schrie auf. Als sie sich aufrichten wollte, bemerkte sie, daß ihr linker Arm in seiner Bewegung behindert war. Es kostete sie ungeheure Anstrengung, ihn zu heben. Und dazu kam eine lähmende Müdigkeit, die im ganzen Körper saß. Sie sank wieder auf ihr Lager zurück und weinte hemmungslos.

So fand sie Jennie, die nach dem Rechten sah, weil Ruth nicht zum Frühstück erschienen war. Trotz ihres Entsetzens versuchte sie der Freundin zu helfen, aber ihr Zerren verursachte Ruth Schmerzen, die bis zum Herz hinunterreichten. Jennie holte den Arzt.

Dr. Ford war Chirurg. Wo er mit dem Messer heilen konnte, tat er es mit Begeisterung. Er entschloß sich auch in diesem Fall sofort zu einer Operation. Doch nach der Röntgendurchleuchtung wurde er sehr nachdenklich.

»... Wurzeln reichen bis zur Aorta«, sagte er. »Es ist zu spät zum Operieren. Hier kann niemand mehr helfen.«

»Vielleicht wissen die Sirianer, was zu tun ist«, hoffte Jennie.

Ihr Gastgeber war ein altes, ziegenbockähnliches Männchen. Mißbilligung sprach aus seinen Augen. Er sah das Gewächs auf Ruths Schulter und fragte erstaunt: »... es denn nicht freiwillig gegangen?«

Verständnislos sahen ihn die anderen an. Er griff ins Geflecht der Stengel und Blätter des Lebewesens und weckte es durch langsames Streicheln aus seiner Bewegungslosigkeit.

»Hier gehörst du doch nicht her«, sagte er zärtlich und leise. »... bist du denn ins Zimmer gekommen? Das sind Menschen. Sie tun dir nichts. Kriech hinaus. Draußen gibt es warmen, würzigen Boden. Laß los, ich bringe dich hinaus!«

Ein Zittern lief über die Haut der Blätter. Die gelbe Dolde drehte sich wiegend. Dann schob und wand sich eine Wurzel aus der Haut des Mädchens, eine andere folgte, sie krümmten und streckten sich, tasteten umher und ringelten sich schließlich ein.

Der Sirianer nahm das Wesen und trug es behutsam hinaus zu seiner Kolonie, einer weiten, ovalen Fläche mit Millionen Dolden aus perlenartigen gelben Kugeln. Er setzte es auf eine freie Stelle und beobachtete, wie es sich wohlig räkelte und die Wurzeln in die Erde senkte.

Das konnte ich wieder in Ordnung bringen, dachte der Sirianer und sah zu seinen Gästen hinüber, die in Gruppen vor dem Haus standen. Er war sehr nachdenklich. In seinem Blick war keine Spur von Freundschaft.

44

Rettung I

Die spiegelnden Flächen auf der Oberfläche des Planeten hätten ihm zu denken geben sollen. Zinn glänzt nur dann so, wenn es frisch gereinigt oder vor kurzem geschmolzen war.

»... Notstation ist sehr wichtig für uns«, sagte der Navigator zu Ralph. »Im Umkreis von siebenunddreißig Lichtjahren gibt es sonst keinen Planeten mit atembarer Luft und erträglichen Temperatur- und Schwereverhältnissen.«

Sie sahen hinunter auf die schwebende Kugel, die ein Planet war, 700mal größer als die Erde. Sie war von einem weißgrauen Überzug bedeckt, die sich wie eine Haut über einen vertrockneten Apfel zog, eine Haut, die nicht überall gut angepaßt war und da und dort grobe Falten warf. Auffällig aber waren große kreisrunde Flächen, einige wie von Zucker überstaubt, andere spiegelnd glatt.

»Meere?« fragte Ralph.

»Nein, offen zutage tretendes Zinn. Die oberste Schicht des Planeten besteht aus Zinn, darunter liegen schwerere Metalle, darüber sitzt eine nur wenige Meter dicke Schicht von leichten Metallverbindungen, hauptsächlich Oxyde und Sulfide.«

»... wie erklärt man sich das Zustandekommen der freien Metallflächen?«

Der Navigator wiegte den Kopf. »Offenbar ist dort vor Urzeiten das flüssige Innere des Planeten höhergestiegen und hat die Oberfläche aufgeschmolzen.«

Das Landesignal ertönte. Ralph packte seine Utensilien zusammen. Fünf Jahre würde er keinen Menschen mehr sehen. Nur menschenähnliche Wesen. Ihm graute etwas vor ihnen.

Beide empfingen ihn sehr freundlich. Der Kepheide hatte einen hageren Körper, ein Gesicht, das an ein Reh erinnerte, große schwarze Nagetieraugen und einen Schopf aus kurzen braunen Haaren, der von der Kopfmitte bis zum Rücken hinunterlief.

Als Ralph den anderen sah, erschrak er. Der Perseide war klein und unförmig dick. Seine Haut war die einer Schnecke, nackt, klebrig und porig, über das platte Gesicht zog ein breiter Mund mit schnabelartig vorstehenden Lippen. Ralph zog angewidert seine Hand zurück, als Pers, wie er ihn später nannte, sie ihm schütteln wollte.

Der Planet war ohne Leben und wenig interessant. Nur ein Kristallograf hätte hier seine Freude gehabt. Die bizarrsten Bildungen wuchsen dicht nebeneinander aus dem Boden heraus, in Nadeln und Spießen, aber auch verästelt und vernetzt, sie bildeten pflanzenartige Gestalten, Moos, Farne, Palmenbüschel. Sie bedeckten weite Landstriche und veränderten sich oft überraschend schnell, als verfügten sie über eine eigenartige mineralische Lebenskraft.

Die drei Posten versahen ihren Dienst recht und schlecht. Sie bereiteten Unterstände vor, die Passagiere und Besatzung von notgelandeten Raumschiffen aufnehmen konnten, ordneten konservierte Nahrungsmittel sachgemäß ein, errichteten Lazarettbauten, um Verwundeten und Kranken Hilfe zu sichern. Ralph arbeitete meist mit Keph, dem Kepheiden, zusammen. Pers übersah er prinzipiell. Die häßliche Gestalt, die stets eine Schleimspur hinter sich herzog, widerte ihn an.

Auch zu einer der Spiegelflächen kam Ralph einmal. Er sah aber nichts als eine endlose, metallische Ebene, die mit einem hellen Puder aus Zinnoxydstaub bedeckt war. Manchmal dachte er darüber nach, warum einige der Flächen schon stark oxydiert, andere aber noch spiegelblank waren.

Eines Tages arbeiteten sie einige hundert Meter vom Hauptquartier entfernt im Treibstofflager. Ralph merkte zwar, daß es besonders warm war, aber er achtete nicht darauf. Bis er einen Blick zu den Wohngebäuden warf – er traute seinen Augen nicht: Die Wände bogen sich, die Gebäude sanken in sich zusammen. In Sekundenschnelle waren sie verschwunden. An ihrer Stelle lag eine sanft wogende Masse – flüssiges Metall. Sie war aber nicht ruhig – sie wanderte. Am Rand des Zinnmeeres bröckelte der Boden ab, fiel in die Flüssigkeit und versank.

Ralph hörte ein Knirschen unter seinen Füßen, eine Spalte öffnete sich langsam, etwas spritzte heraus – brodelndes, geschmolzenes Zinn. Da fing er zu rennen an...

Es war ein Wettlauf mit dem Meer, ein Hindernisrennen um Bodenspalten, die sich jäh öffneten, um Metallwälle, die sich urplötzlich aus dem ebenen Boden aufrichteten. Es ging um einen Preis, der Kräfte anspornt wie nichts anderes – um das Leben. Ralph rannte, winkelte aus, sprang, stürzte, taumelte auf, rannte wieder. Er sah seine beiden Gefährten nicht weit von ihm ebenfalls rennen. Eine dicke Blase stieg vor ihm empor. Er wich zur Seite, aber eine Kruste brach unter seinem linken Fuß ein, und er stand in flüssigem Metall. Blitzschnell zog er den Fuß wieder heraus, er sah sein Schuhwerk glühen und war einen Moment erstaunt darüber, daß ihm nichts weh tat. Er lief sogar einige Schritte weiter, aber dann schlug von unten eine Flamme durch seinen ganzen Körper. Es war ein so furchtbarer, unerträglicher Schmerz, daß er sich auf die rauchende Erde warf und mit den Händen auf den Boden trommelte.

Dann sank wie ein milder Schleier Dunkelheit über ihn. Es war aber kein Schlaf, eher ein Delirium, ein wirrer Zustand, in dem er nur Bruchstücke des Geschehens aufnehmen konnte. Dann kamen wieder klare Augenblicke, und er dachte an seine Gefährten. In der Richtung, in die sein Gesicht schaute, sah er den braunen Schopf des Kepheiden hüpfen und seinen Freund immer kleiner werden. Eine ungeheure Einsamkeit kam über ihn. Dann fühlte er sich weich emporgehoben und getragen. Er wußte selbst nicht, ob es Wirklichkeit war oder Traum. Er spürte ein Gleiten und Wiegen, heiße Luftströme, erstickenden Metallstaub. Er schlug die Augen auf und sah die porige Haut von Pers vor sich. Er sah Kristalldrüsen, die unter ihm hinwegglitten. Er sah ein plattes Kinn und schwammige Schnabellippen gegen ein Stück bleigrauen Himmels. Er schloß die Augen wieder. Er war in Sicherheit.