»... wollen so gern, daß Sie bei uns den Vorsitz übernehmen!« – ›Hoffentlich erfährt er nicht, daß ich erst vorhin gegen ihn gestimmt habe!‹
Das tat weh. Endlich war es überstanden. Ich konnte zu meiner Familie zurück. Martha erwartete mich, wie ich es mir gewünscht hatte, zu Hause. Sie stand mit Evelyn und einigen Nachbarn im Garten vor der Tür. Auch der alte Weston war da und sein Sohn, der noch überheblicher aussah als früher.
Evelyn lief mir entgegen. Bevor ich aus dem Auto steigen konnte, umarmte und küßte sie mich: »Vati, das ist schön, daß du wieder da bist!« Aber ich vernahm auch: – ›Jetzt muß ich wieder zeitig ins Bett, und das Kätzchen darf ich auch nicht mehr bei mir im Zimmer schlafen lassen. Warum ist er zurückgekommen?‹
Martha war inzwischen mit den anderen auf mich zugetreten. Sie streckte mir die Hände entgegen. Noch hielt ich mein Töchterchen an mich gedrückt. Durch die blonden Haarsträhnen hindurch sah ich die mich anstarrenden Neugierigen, sah Marthas bleiches hübsches Gesicht, daneben den jungen Weston, ich sah den Blick, den sie sich zuwarfen...
Plötzlich hatte ich abgrundtiefe Angst. Ich konnte Martha jetzt nicht berühren. Ich hob das Kind und legte es in ihre Arme. Ich drückte aufs Gaspedal und schoß in die Straße hinaus, die zum Welthafen führt.
Erst als mein Schiff in die ewige Nacht des Weltraums eintauchte, wurde ich ruhiger. Wie aber soll ich zu den Menschen zurückfinden?
48
Die Erfindung
Er stahl. Er stahl sogar mehr, als er wollte: das Schicksal des Erfinders.
Sehr geehrter Herr Kollege,
ich schreibe Ihnen, obwohl es sehr fraglich ist, ob Sie diesen Brief je in die Hand bekommen. Es wird sehr schwer sein, ihn hinauszuschmuggeln.
Sie haben in den letzten Tagen eine große Enttäuschung erlitten. Sie sind um die Früchte Ihrer jahrelangen Arbeit geprellt worden. Der Schuldige bin ich, ja, ich habe Ihr Manuskript gestohlen.
Aber lesen Sie bitte weiter! Sie werden sehen, daß es doch noch eine Gerechtigkeit gibt.
Ich habe schon vor Monaten bemerkt, daß Sie einer sehr wichtigen Sache auf der Spur waren. Aber erst als ich während Ihres Urlaubs in Ihren Schreibtisch eindrang, erkannte ich die ungeheure Bedeutung. Ihre Erfindung stellt den Maschinenbau auf neue Grundlagen, eröffnet neue Gesichtspunkte auf dem Gebiet der Metallverarbeitung, ermöglicht die lang gesuchte drahtlose Energieübertragung. Und – Sie wissen es natürlich selbst – ein Krieg mit den bisher üblichen Schuß- und Sprengwaffen wird sinnlos, ja: unmöglich!
Ich beneidete Sie. Jetzt waren Sie noch ein einfacher Assistent wie ich – und morgen würden Sie berühmt sein. Ich aber bliebe der kleine Handlanger, der ich immer war. Denn ich wußte: Zu solchen Ideen fehlt mir etwas, was Sie haben. Langsam reifte in mir ein Gedanke.
Ich kopierte heimlich Ihre Notizen. Ich überwachte das Reifen Ihrer Arbeit, und als das handgeschriebene Manuskript fertig zum Tippen im Schrank lag, schlich ich mich am späten Abend ins Institut, nahm es an mich und vernichtete alle Ihre sonstigen Aufzeichnungen. Noch während der Nacht schrieb ich es ab. Jetzt sollte mir jemand beweisen, daß es nicht mein Gedankengut war.
Während die Sekretärin verzweifelt die Unterlagen suchte, stand ich längst vor einer rasch einberufenen Kommission des Rats für reine und angewandte Forschung. Die Prüfung erfolgte meiner Meinung nach viel zu schnell. Aber sie erkannten die Arbeit an und gratulierten mir. Prof. Mannester klopfte mir auf die Schulter: »Haben Sie die ungeheuren Folgen Ihrer Gedanken erkannt? Wir werden keine Rüstungsindustrie mehr brauchen!« Ich war so bewegt, daß ich nicht antworten konnte.
Als ich aus dem Haus trat, kamen vier Herren auf mich zu und schoben mich mit sanfter Gewalt in eine große Limousine, die am Wegrand parkte.
»... sind jetzt eine wichtige Persönlichkeit geworden«, sagte einer der Männer. »... werden verstehen, daß wir für Ihre Sicherheit sorgen müssen!«
Ich verstand es nicht, aber sie zwangen mich. Sie brachten mich in ein Flugschiff ohne Fenster. Dann luden sie mich auf dieser Insel aus.
Erinnern Sie sich noch an McCreag, der voriges Jahr das Institut verließ, angeblich, um eine Lehrstelle in Sao Paulo anzunehmen? Denken Sie noch an das unerklärliche Verschwinden Prof. U Kan Fais aus Princetown, das damals solchen Staub aufwirbelte? Haben Sie von Dr. Kogosurow gehört und von Ing. Bonilla? Ich fand sie alle hier. Ich bin traurig, Ihnen eine zweite Enttäuschung bereiten zu müssen. Ihre Erfindung ist viel älter, als Sie denken. Alle hier anwesenden Herren – außer mir – haben sie gleichfalls gemacht.
Ich nehme an, Sie sind eben dabei, Ihre Arbeit zu rekonstruieren. Wahrscheinlich wollen Sie sie dann der Kommission vorlegen. Vielleicht haben Sie auch schon Anzeige erstattet und versuchen, die Wahrheit Ihrer Aussagen zu beweisen. Wahrscheinlich aber haben Sie ähnlich wie die hier anwesenden Herren nicht alle Konsequenzen der Erfindung bedacht. Denken Sie darüber nach, ob sie allen Mitbürgern willkommen ist! Denken Sie an Kriege und an die Rüstungsindustrie! Ich glaube, Sie werden Ihre Überlegungen nicht veröffentlichen. Wie Sie sie verwerten sollen, kann ich Ihnen nicht raten. Ich hoffe aber – und meine Mitgefangenen hoffen es mit mir –, daß Sie den richtigen Weg finden.
Mit allen guten Wünschen R. Ig. M.
49
Meteoriten
Sie hängen an der Erde und gehen dennoch immer wieder in den Raum hinaus. Sie hängen an den Menschen – doch sie begeben sich in die große Einsamkeit, aus der es nicht immer ein Zurück gibt.
TB
Heute erst beginnt das Abenteuer. Ich bin über jene Zone hinausgekommen, die bisher von Menschen befahren wurde. Ich habe das Sonnensystem verlassen, Pluto liegt hinter mir. Bisher ist nichts Besonderes vorgefallen. Manchmal überkommt mich ein Schwindel, wenn ich daran denke, wie dünn die Metallschicht ist, die mich vom Nichts trennt.
B
Liebe Claire,
ich bin in Fernen vorgedrungen, wie kein Mensch vor mir. Eben schrieb ich in das Bordbuch: ›Das Abenteuer beginnt.‹ Aber bisher ist nichts Besonderes vorgefallen. Im Gegenteil, mir geht es prächtig, alles funktioniert wie am Schnürchen. Ich bin stolz!
Hoffentlich werde ich nicht zu eingebildet!
Dein Claude.
TB
Das Sonnensystem liegt tief unter mir. Die Planeten verblassen – nur die Sonne strahlt noch als hellster Stern. Ich habe Glück gehabt – ein Meteor ging knapp am Schiff vorbei, ein ganz schöner Brocken von etlichen hundert Tonnen Gewicht.
B
Liebe Claire,
wie prächtig ist der Sternenhimmel, wie wunderbar strahlt die Sonne! Die Planeten samt der Erde, auf der Du irgendwo sitzt, tauchen hinab in die Dunkelheit. Ich beobachte viel. Heute konnte ich einen Meteor ganz aus der Nähe sehen – ein glitzerndes, langsam rotierendes Ding. Ich habe eine Aufnahme gemacht. Wenn ich wiederkomme, zeige ich sie Dir! In Liebe
Dein Claude.
TB
Heute bemerkte ich auf der Scheibe des Sichtfensters ein seltsames Aufblitzen. Ich stellte fest, daß ich eine Wolke von Schwefelstaub durchquerte. Beim Aufprall an die Schiffswände glühen die Teilchen auf. Es muß ein hoher Prozentsatz von radioaktiver Materie dabeisein, denn der Geigerzähler schlug gehörig aus.
B
Liebe Claire,
Du solltest das Lichtspiel sehen, das ich vor mir habe – Tausende winzige Staubteile treffen das Raumschiff und leuchten dabei auf. Ich habe das Licht ausgedreht und schaue und staune – es ist, als schweben Glühwürmchen vor der Scheibe! Erinnerst Du Dich noch an den Tag im Sommer, als uns der Regen erwischte? Da gab es vorher Glühwürmchen in Mengen.
Herzlich Claude.