»... ist unmenschlich – das ist teuflisch«, flüsterte der Sergeant. »... ist es«, antwortete der Leutnant. »Wenn wir mehr über sie wüßten – wie sie leben, wie sie empfinden...« Der Sergeant führte die Frage nicht zuende.
»... wissen es aber nicht«, antwortete der Leutnant.
»... wie müssen sie uns hassen, hassen!« Der Sergeant war bleich vor Empörung, fast zitterte er.
»Hassen Sie uns?« fragte der Leutnant. Und er fügte leise, mehr für sich selbst, hinzu: »Vielleicht beten sie uns an...«
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Rettung II
Sie riefen, forderten, zwangen...
Sie waren fremd und konnten Menschen nicht voneinander unterscheiden. Die alte Dame konnte schwimmen, aber nicht Autofahren. Das war ihr Glück.
Ich bin keine junge Frau mehr. Meine Söhne sind erwachsen, mein Mann ist schon lange tot. Ich lebe von der Hühnerfarm.
Nie dachte ich, daß mir mein bißchen Schwimmen das Leben retten würde.
Es begann schon im Frühjahr. Elvis war immer ein rechtschaffener Junge gewesen. Fleißig bei der Arbeit und hilfsbereit. Geschichten mit Mädchen gab es nicht bei ihm. Und auf einmal wurde er jeden Abend unruhig, blätterte zerstreut in der Zeitung und lief nach einer Weile hinaus. Erst spät nachts kam er wieder.
Nun, Elvis ist zwanzig Jahre alt – er soll tun, was er für richtig hält. Aber schließlich macht man sich als Mutter seine Gedanken; ich bemerkte, daß er sich bedrückt fühlte und zerstreut war, und ich fragte ihn. Er aber schüttelte den Kopf. Heute noch erinnert er sich kaum. Er meint, daß sie, wenn sie ihn entließen, sein Gedächtnis irgendwie betäubt haben müssen.
Natürlich gab ich mich damit nicht zufrieden. Ich spionierte ihm ein wenig nach, bemerkte aber nur, daß er zu seinem Wagen ging – wir haben einen Chrysler –, zur Hauptstraße fuhr und dort einige Gepäckstücke einlud. Sie sahen aus wie große Milchkannen. Dann brauste er in die Nacht hinaus.
Auf meine Frage gab er nie Antwort und ließ sich auch nicht zurückhalten. Eines Tages versperrte ich das Schloß, aber er schlug mir glatt die Tür ein. Da erst dämmerte es mir: daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
Am nächsten Tag mischte ich ihm ein starkes Schlafmittel in die Milch – es gibt nichts Gesünderes als Milch, und er trinkt sie jeden Abend. Ich hatte vor, selbst hinunter zur Straße zu gehen und mir die Kannen einmal anzusehen.
Elvis schlief im Sitzen ein. Als die Zeit gekommen war, trat ich vor die Tür, aber da geschah etwas Eigenartiges. Obwohl ich zu Fuß gehen wollte, setzte ich mich in den Chrysler. Obwohl ich ihn nie gesteuert hatte, ja, außer unserem alten Traktor überhaupt noch nie ein Motorfahrzeug gelenkt hatte, ließ ich den Motor an und gab Gas. Er ruckte und stieß, ich aber fuhr in die Nacht, obwohl ich sowieso schlecht sehe und noch dazu meine Brille vergessen hatte.
Ein leichter Schleier legte sich über mein Wollen und Tun. Willenlos lenkte ich zur Straße... Haarige, zylindrische Körper standen da, etwa vier Fuß groß. Mit Saugnäpfen klammerten sie sich am Asphalt fest. Ein gräßlicher Widerwille überkam mich, aber ich stieg aus, trat auf sie zu und lud die weichen Körper auf den Hintersitz des Wagens.
Jetzt verlor ich den letzten eigenen Willen. »Fahren«, befahl etwas, aber ohne Worte, nur in meinen Gedanken. Ich stieg auf den Gashebel.
»... Richtung zum Meer!« Ich drehte um und fuhr hinunter, gegen Bogners Basar.
»Warum heute so langsam! Schneller!«
Ich fuhr schneller. Die synchronisierte Schaltung funktionierte, die Meilensteine schossen aus dem Dunkel wie Gespenster. Rechter Hand das Meer.
»Schneller!« Ich fuhr so schnell, daß ich mich sogar gefürchtet hätte, wenn Elvis neben mir gesessen wäre. 80, 100 Stundenkilometer.
Ich sage ihm immer: »Fahr nicht so schnell!«
Ich fürchte mich nicht. Der weiße Mittelstreifen schlängelte sich, einmal war er links von uns, einmal rechts... Die Felswand rückte auf uns zu, dann wieder das Geländer der Steilküste. Manchmal schien der Wagen in Täler zu fallen, manchmal in den Himmel zu steigen.
Dann kam die Kurve vor der Abzweigung nach New Constantin. Ich fuhr 100. Es ging furchtbar schnell. Von Bremsen keine Rede. Das Geländer brach wie Zündhölzer. Ein Schlag – und wir trieben im Wasser.
Nie hätte ich gedacht, daß ein Auto so schnell absäuft. Das Wasser kam herein, als wären alle Wände Siebe. Ich wußte zuerst nicht, wo oben und unten war. Es bildete sich eine Luftblase, in der ich atmen konnte. Ich fand die Türklinke und stieg an die Oberfläche. Wie gut, daß ich schwimmen kann! Aber sie konnten nicht schwimmen. Seither ist der Spuk vorbei.
Ich kam gut ans Ufer. Schwimmen hat mich der alte Edgerton gelehrt. Nur Autofahren kann ich nicht. Mein Vater sagte immer: »... ist nichts für Mädchen!« Wie Sie sehen, hat er recht gehabt.
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Friedensbruch
Schreibt es das Schicksal dem Menschen vor, zu töten, selbst wenn er nicht will? Er wußte nichts, das war seine Schuld.
»... fremdes Wesen in der Kolonie.«
»Es geht auf zwei Beinen.«
»Intelligent?«
»Intelligent.«
»Woher kam es?«
»Weiß nicht.«
Um mich herum flüstert es. Von links, von rechts, von oben und unten. »Es nimmt den Weg nach Süden.« »Es trägt etwas.« Mein Transduktor übersetzt mir alle fremden Impulse.
Der Planet ist fremd, und ich bin allein. Ich habe ein wenig Angst. Jeden Moment kann mich etwas Unheimliches angreifen.
»... funktioniert es?«
»Weiß nicht.«
Und dann viel heftiger, wie ein Schrei: »Vorsicht! Gefahr!« »... Wesen verbreitet Giftgas.« »... für Gas?« »Fünf Sekunden... Kohlendioxid!« »Atmet nicht!« »Haltet den Atem an!« Ich gehe auf weichem sandigem Boden. Eine Art Straße führt zwischen Gewächsen hindurch – baumartige Pflanzen mit langen hängenden Blättern und knollenartigen Verdickungen an den Astgabeln. Etwas bewegt sich, und ich erschrecke – es ist aber nur der Wind, der durch die Kronen streicht.
Wieder starke Impulse: »... Wesen greift uns an.«
»Es schickt Bakterien aus.«
»Krankheitserreger?«
»Krankheitserreger.«
»Systematischer Angriff?«
»Weiß nicht.«
Ich kann die Wesen nicht finden, die ich höre. Der Negatronen-Strom kommt noch immer von allen Seiten. Ich beruhige mich etwas, denn sie scheinen nicht gefährlich zu sein. Da dringt ein unregelmäßiger Summton an mein Ohr: Denkäußerungen inferiorer Wesen? Oder verschlüsselte Impulsfolgen, die Gefahr bedeuten? Diesmal gelingt die Peilung. Die Erscheinung kommt von der Seite, aus dem Wald.
Ich hebe die Pistole und trete vom Weg fort, unter die Bäume. Zwischen einigen jungen Pflanzen sehe ich Bewegung. Ich breche ein Gewächs ab, das mir die Sicht versperrt... ist dort ein Mensch?
Aus dem Transduktor kommt ein Gewirr von Impulsen, sich überschlagend, mit höheren Frequenzen: »Es hat den Frieden gebrochen.«
»Hütet euch, Gefahr!«
»Es ist ein Mörder.«
»Es hat ein Junges getötet.«
Das Wesen, das im Gebüsch gekauert hat, richtet sich halb auf. Zwei erschreckte dunkle Augen sehen mich an, ein ungefügtes Gesicht, ein geschmeidiger, nackter, fast menschlicher Körper verschwindet auf allen vieren zwischen den Bäumen.
Neben mir zuckt etwas – der junge Trieb, den ich vorhin gebrochen habe. Gelbliches Harz quillt aus dem hohlen Stengel. Eine Pflanze. Wie kommt es, daß mir etwas leid tut?