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Wo fand ich Wahres Licht, um meinen Freund zu retten? Plötzlich drehte sich der Kater mühevoll um. »Danka, ich werde doch nicht sterben«, teilte er mit einer Stimme mit, die zumindest etwas kräftiger klang.

Len wich entsetzt zurück. Ich achtete nicht auf ihn. Ich presste den Kater nur fester an mich. »Wirklich nicht?«, fragte ich. »Schwindelst du mich auch nicht an?«

»Wirklich nicht. Ich bin noch dümmer als du, Danka, denn eine Sache hatte ich völlig vergessen. Die Liebe ist ebenfalls eine Form des Wahren Lichts. Solange du mich liebst, werde ich nicht sterben. Das ist die Wahrheit.«

Ich lachte unter Tränen und blickte zu Len hoch. Der beäugte ängstlich den Kater.

»Du brauchst keine Angst zu haben, das ist bloß ein Sonnenkater. Er ist mein Freund«, erklärte ich.

Len nickte unsicher.

»Kater, das ist Len. Er ist jetzt mein Junior, mein Partner.« Der Kater befreite sich sanft aus meinen Händen und sprang zu Boden. Voller Freude bemerkte ich, dass sein Fell bereits wieder schwach leuchtete.

»Das weiß ich doch! Vergiss nicht, dass ich ein Zauberer bin. Hallo, Len!«

»Hallo«, hauchte Len.

»Hast du jetzt genug gegessen?«, wollte ich vom Kater wissen.

»Dummkopf!«, kanzelte er mich in gewohntem Ton ab. »An der Liebe kannst du dich nie überfressen. Und deine Liebe hat mir immerhin das Leben gerettet.«

Allem Anschein nach war ihm die Schwäche, unter der er gelitten hatte, peinlich. Ich wurde selbst ganz verlegen.

»Da kann ich… also, ich habe…«, durchbrach Len die Stille. »Wartet, ich bin gleich wieder da!«

Verständnislos sahen der Kater und ich uns an.

»Was hat er denn? Hat er etwa ein Pfund Wahres Licht im Schrank versteckt?«, fragte der Kater verwundert.

Ich zuckte bloß die Achseln. Len kam jedoch schon zurück, mit etwas, das er vor die Brust gepresst hielt. Als mir klar wurde, weshalb er davongestürzt war, hätte ich beinahe laut losgelacht.

Vorsichtig stellte Len eine tiefe Schüssel vor den Kater hin, in die er etwas aus einer Tonkanne goss.

»Hier, bitte. Das ist Sahne. Gute Sahne.«

Der Kater taxierte Len mit einem verächtlichen Blick, bevor er sich mir zuwandte. »Sind hier alle so… fürsorglich? Nein, was für ein braver Junge!«

»Pass auf«, zischte ich, »beleidige ihn nicht! Woher soll er wissen, dass du keine Sahne trinkst? Tu so, als ob es dir schmeckt!«

Der Kater linste zu Len hinüber, der vor Freude strahlte, und stolzierte seufzend an die Schale heran. »Muss ich das wirklich ausschlecken?«, fragte er, wobei er aus den Augenwinkeln zu mir hochblickte.

Ich nickte aufmunternd.

»Und die ist auch nicht sauer?«

»Die ist ganz frisch!«, verkündete Len.

Daraufhin machte sich der Kater mit dem Gehabe eines Märtyrers daran, die Schüssel auszulecken. Anfangs langsam, dann immer schneller und schneller. Seine Zunge huschte nur so über die rasant abnehmende Sahne dahin. Auf mich machte das durchaus nicht den Eindruck, als würde er sich aus diplomatischen Erwägungen dazu zwingen müssen.

»Wo kommt er her?«, fragte Len begeistert.

Das war nun der Moment: Entweder tischte ich ihm eine unglaubliche Lüge auf oder ich gestand die Wahrheit.

»Ich werde dir jetzt alles von Anfang an erzählen, Len. Unterbrich mich bitte nicht, sondern hör dir erst alles an.«

Dann erzählte ich. Von meinem Fenster, durch das nur selten Sonne scheint, vom Wahren Licht, das von einem Wahren Spiegel zurückgeworfen wird…

Einfach alles erzählte ich ihm.

»Ich habe noch nie die Sonne gesehen«, sagte Len. »Bei uns in der Stadt lebt ein Alter, der sich noch an sie erinnert. Aber er ist schon sehr alt, und es gibt nur wenige, die ihm glauben…«

Er streckte die Hand aus und streichelte den Kater. Der Kater ließ sich das sogar gefallen. Er legte sich auf meinen Schoß und putzte sich, genau wie ein ganz normaler Kater.

»Wenn der Sonnenkater diese Verborgene Tür aufkriegt, gehst du dann wieder nach Hause, Danka?«, fragte Len plötzlich.

»Klar!«

»Kann ich vielleicht mitkommen?«

Was sollte ich darauf antworten? Okay, in Büchern kann man seine Freunde nach Hause mitbringen und sagen: »Mama, er wird jetzt bei uns wohnen…« Aber im richtigen Leben würde das einen Haufen Probleme geben!

»Ich bin doch dein Partner, Danka…« Len schniefte und fügte kleinlaut hinzu: »Ich fliege gut. Und ich bin ein guter Kämpfer.«

Prompt stellte ich mir Len vor, wie er auf einem feindlichen Militärstützpunkt hockte, über und über behängt mit Handgranaten, während um ihn herum lauter Flaks auf ihn gerichtet waren – damit er ja nicht im Flug entkam. Ich zuckte zusammen. Wie sollte ich ihm meine Welt erklären?

Der Kater kam mir zu Hilfe. »Ich glaube nicht, dass du in Dankas Welt fliegen könntest. Deine Flügel sind aus dieser Welt. Darüber hinaus ist mir völlig unklar, wie ich diese Tür öffnen könnte.«

»Aber du hast doch die ganze Sahne aufgeschleckt! Oder brauchst du noch mehr?«

»Die Sahne stärkt meine Zauberkräfte nun wirklich nicht«, schnaubte der Kater. »Obwohl sie immerhin ganz schmackhaft ist. Aber für meine Zauberei brauche ich Wahres Licht. Wenn es hier doch nur tagen würde, wenn die Sonne wenigstens ganz kurz durchbräche…«

»Der Sonnenaufgang wird kommen«, seufzte Len. »Wenn wir uns hier begrüßen, sagen wir oft: Ich warte auf den Sonnenaufgang. Und der andere sagt dann: Und der Sonnenaufgang wird kommen. Aber im Grunde glaubt niemand daran.«

»Erzähl mir etwas von deiner Welt, Len«, bat ich. »Sonst verstehen wir überhaupt nichts.«

»Zunächst werde ich etwas erzählen«, sagte der Kater mürrisch. »Es ist mir nämlich geglückt, diese Welt hier in ihrer Gänze kennenzulernen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist überall dunkel. Wenn ich noch weiter ins Detail gehen solclass="underline" Ich habe etliche Städte gesehen, in denen Menschen leben, und noch weitaus mehr Türme…« Der Kater erschauderte. »… in denen seltsame Gestalten der Finsternis leben. Ich habe gesehen, wie ihr gegeneinander kämpft, wie diese Finsterlinge euch gefangen nehmen und wie ihr die dunklen Gestalten tötet. Kein sehr erbaulicher Anblick. Ferner sah ich, wie aus einer großen Stadt am Meer Karawanen aufbrachen und Schiffe in See stachen, um im Nichts zu verschwinden.«

»Das sind die Händler«, sagte Len und winkte ab. »Zu uns kommt auch bald eine Karawane. Wir können nicht selbst für unser Essen sorgen, denn bei uns wächst zu wenig. Die Händler mischen sich nicht in unseren Krieg ein, da sie aus einer anderen Welt kommen. Sie machen ihre Geschäfte sowohl mit uns wie auch mit den Freifliegern.«

»Und was gebt ihr ihnen dafür?«, fragte ich wissen. »Gold?«

»Wozu sollte das denn gut sein?«, sagte Len verwundert. »Um Türklinken herzustellen? Da ist Bronze schöner. Nein, wir verkaufen uns.«

»Was?« Ich verstand nicht, was er meinte.

»Die Erwachsenen losen das unter sich aus oder sprechen sich einfach ab«, erklärte Len müde. »Dann treten sie in den Dienst der Händler oder der Kunden der Händler.«

»Um was zu tun?«

»Sie kämpfen. Wir sind gute Soldaten, Danka, und fürchten den Tod nicht.«

»Na klar, wer fürchtet den schon?«, bemerkte der Kater bissig, worauf Len verstummte. »Abgesehen davon«, fuhr der Kater fort, »habe ich einen ungeheuer hohen Turm gesehen. Ich vermochte ihn nicht einmal zu überfliegen, sondern musste ihn umkreisen. Er ist durch und durch düster.«

»Das ist der Turm der Finsternis«, erklärte Len. »Viele Städte haben schon versucht, ihn zu zerstören, aber bisher ist es niemandem gelungen. Dort lebt der Herr der Finsternis, er ist der Gebieter der Freiflieger.«