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»Sag doch was!«, verlangte ich.

»Eines Tages… vielleicht… werde ich dich kurieren können«, sagte der Kater.

Na, das war ja ein toller Trost! Nun stapfte Gert mit schweren Schritten durchs Zimmer und wühlte anscheinend in einem Schrank, denn ich hatte gehört, wie eine Tür gequietscht hatte und irgendwas verschoben worden war.

»Verzeihst du mir, Danka?«, fragte Len.

»Hör auf damit, Junior«, bat ich. »Wir sind doch Partner.«

»Also, Kinder, wenn ich es richtig verstanden habe, braucht ihr Wahres Licht, oder?«

Ich spürte, wie der Kater aufmerkte und sich in die Richtung wandte, aus der Gerts Stimme kam.

»Ja, um Danka zu retten. Mir selbst würde ein wenig Wahres Licht auch nicht schaden.«

»Len, du bist doch einer von uns«, fuhr Gert fort. »Ich war der Junior deines Urgroßvaters. Damals hat all das angefangen, mein Freund… Du musst doch schon von den Sonnensteinen gehört haben!«

»Das ist doch ein Märchen«, brachte Len mit zitternder Stimme hervor.

»Was heißt hier Märchen?! Zu jener Zeit hatte sich der Nebel noch nicht über uns zusammengezogen. Von Zeit zu Zeit drang die Sonne durch, und die Sonnensteine, die in unseren Bergen abgebaut wurden, speicherten ihr Licht.«

»Aber inzwischen leuchten sie längst nicht mehr«, brachte Len matt hervor. Mir war klar, dass er Angst hatte, sich zu sehr an diese Hoffnung zu klammern.

»Sicher – aber nur, wenn du den Stein in der Dunkelheit aufbewahrst. Legst du ihn dagegen in eine Kiste, die mit Spiegeln ausgekleidet ist, die das Licht zurückwerfen… Was muss ich tun?«

»Stell das Kästchen aufs Bett und öffne es«, befahl der Kater.

Schon im nächsten Moment spürte ich Licht auf meinem Gesicht. Warmes, zärtliches Sonnenlicht! Der Kater schnurrte.

»Weshalb leckt er denn an dem Stein?«, fragte Gert erstaunt.

»Das Wahre Licht ist seine Nahrung«, erklärte Len. »Er braucht neue Kraft. Stimmt doch, oder?«

»Stört mich jetzt nicht«, brummte der Kater. »Wird er lange leuchten?«

»Fünf Minuten vielleicht, schließlich ist es ja bloß ein kleiner Stein«, sagte Gert. »Reicht das?«

»Lassen wir uns überraschen«, meinte der Kater mit einer Stimme, die schon viel kräftiger klang.

Ich selbst lag da und wartete. Gert sagte leise etwas, das sich entweder an mich oder an Len richtete. »Wenn wir schon nicht gewinnen konnten, dann wollten wir wenigstens vor dem Tod noch einmal das Wahre Licht sehen. Jedenfalls war das unsere Überlegung. Keine Sorge, ich habe nicht die Absicht zu sterben. Ich bin auch nicht abergläubisch.«

Irgendwann legte mir der Kater die Pfoten aufs Gesicht und beugte sich über meine Augen. »Salbe! Wie antiquiert!«, schnauzte der Kater verächtlich. »Kräuter und Chemikalien! Halt still, Danka, das tut jetzt weh.«

Seine kleine, raue Zunge schleckte mir über die Lider. Die Prozedur dauerte lange, tat aber überhaupt nicht weh, sondern kratzte nur ein bisschen. Len und Gert schwiegen, als wären sie hypnotisiert worden.

»In Ordnung«, stellte der Kater schließlich fest. »Das dürfte genügen. Natürlich vermag ich die genaue Wirkungsweise nicht zu erklären, ich bin ja kein Arzt. Aber jedenfalls wirst du wieder sehen können.«

»Aber ich sehe überhaupt nichts!«, schrie ich so laut, dass der Kater vor Schreck hochsprang.

»Dann mach die Augen auf«, fauchte er. »Du dummer Junge!«

Da öffnete ich die Augen.

Als ich den Kater sah, konnte er mir nichts vormachen: Seine Miene war freundlich – freundlich und schuldbewusst! Sein Fell leuchtete genauso hell wie früher. An seiner Schnauze klebte Salbe.

Ich blickte zu Gert hinüber. Er war wirklich alt, bestimmt schon sechzig oder siebzig. So alte Menschen hatte ich in dieser Welt noch nie gesehen. Er hatte graue Haare, ein Gesicht voller Falten und trug ein verwaschenes Hemd, dazu aber eine Krawatte, genau wie die Senioren der Flügelträger. Gert schaute mich verlegen an.

Auch Len beobachtete mich, weinte aber leise. Er konnte damit einfach nicht aufhören. Ich wusste aber schon, dass er gleich lächeln und mir versichern würde: Jetzt ist wieder alles in Ordnung, Senior!

»Jetzt ist wieder alles in Ordnung, Senior!«

»Das sehe ich auch«, feixte ich. »Jetzt ist wieder alles wie früher, oder?«

»Bestimmt.« Len zuckte unsicher mit den Schultern. Abermals wusste ich schon im Voraus, was er gleich sagen würde. »Nur… deine Augen leuchten so komisch.«

»Das stimmt doch nicht, oder, Kater?«

»Wie dumm ihr alle seid«, brummte der Kater, ohne mit dem Putzen aufzuhören. »Ihr bräuchtet euch bloß mal ein klassisches Gemälde anzusehen, dann würdet ihr feststellen, dass die Augen der Menschen durchaus leuchten können. Oder schaut euch diejenigen an, die euch lieben. Schaut euch ein Kind oder einen Greis an. Das ist das Licht, das in euch selbst leuchtet. Bei den einen funkelt es immer, bei anderen ist es für alle Zeiten erloschen. Ach, ihr Dummköpfe…«

Ich blickte Len an. »Deine Augen leuchten auch«, behauptete ich – wobei ich nur ganz leicht schwindelte.

»Dann reflektieren sie bloß dein Licht«, konterte Len prompt. Er stand auf und wischte sich die restlichen Tränen ab. Offenbar hatte er die ganze Zeit über geweint, nachdem ich blind geworden war. Selbst als er mit mir gesprochen hatte, hatte er geweint, bloß eben lautlos.

»Ich verstehe kein Wort von alldem«, sagte Gert kopfschüttelnd. »Dem Jungen sind die Augen ausgestochen worden. Für ihn gab es keine Hilfe mehr. Den Stein habe ich nur hervorgeholt, um nichts unversucht zu lassen… Sind Sie ein Zauberer?«

»Mit Staunen stelle ich fest, dass Sie glauben, einfache Katzen duzen zu können!«, empörte sich der Kater. »Während Sie Zauberern gegenüber eine gewisse Höflichkeit walten lassen! Doch das können Sie sich jetzt auch sparen! Darauf kann ich verzichten!«

»Hör mal, ich habe dir das Teuerste gegeben, was ich besaß«, bemerkte Gert ernst.

»Verzeihen Sie«, sagte der Kater sofort. »Das ist mir durchaus bewusst. Aber schließlich bin ich noch klein, da lassen meine Manieren mitunter zu wünschen übrig.«

Gert streckte die Hand aus und nahm den Kater auf den Schoß. Verlegen, wie dieser war, leistete er keinen Widerstand.

»Aber schnurren werde ich nicht, bilden Sie sich das ja nicht ein«, brummte der Kater. »Oder sind wir jetzt doch per du?«

»Gern.«

Nun wandte sich der Kater an mich: »Spazier ein wenig durchs Zimmer, Danka, und sieh dich um. Überzeuge dich, dass alles in Ordnung ist, solange ich noch genug Kraft habe, eventuelle Fehler zu korrigieren.«

Ich stand auf und zog mich an – Len brachte mir Sachen, genau das, was er auch trug: Shorts und ein T-Shirt –, dann wanderte ich durchs Zimmer. Kein Grund zur Klage. Ich sah genauso gut wie früher, sogar…

Sogar besser. Als mein Blick auf den Kleiderschrank in einer Ecke des Zimmers fiel, wusste ich genau, was in ihm war. Obwohl die Tür geschlossen war!

»Gert, in deinem Schrank hängen zwei Anzüge, viele Frauenkleider, rund zehn Hemden von dir, Flügel für einen Senior und ein paar Krawatten. Stimmt’s?«

»Mach die Tür wieder zu, du nichtsnutziger Bengel«, verlangte Gert, ohne sich umzudrehen. Len, der sah, dass ich sie gar nicht aufgemacht hatte, klimperte mit den Augen.

»Ich kann durch Türen hindurchsehen«, sagte ich.

Der Kater machte einen Buckel und sträubte das Fell. »Genau das habe ich befürchtet«, erklärte er besorgt. »Offenbar war meine Behandlung zu viel des Guten… Stört es dich sehr, Danka?«

»Überhaupt nicht«, versicherte ich ihm. »Im Gegenteil! Du kriegst übrigens Besuch, Gert, von einer älteren Dame in einem blauen Kleid.«