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»Haben Sie etwa schon mal gegen sie gekämpft?«, fragte ich erstaunt.

»Ja. Gleich versteinert er.«

»Was?«

»Er verwandelt sich in einen Stein. Du hast mir gut beigestanden, mein Junge. Wie heißt du eigentlich?«

»Danka.«

»Diesen Namen habe ich noch nie gehört. Ich bin Garet.«

»Freut mich, Sie kennenzulernen«, brummte ich, während ich den abziehenden Freifliegern nachsah. Die Männer um uns herum riefen sich laut etwas zu, jemand lachte. Offenbar hatten wir keine Verluste zu verzeichnen.

»Sie fliegen nicht gerade rasant davon, diese Mistkerle«, sagte die Frau des Händlers. »Bestimmt schleppen sie sich mit ein paar Packsäcken ab!«

»Und was passiert jetzt?«, fragte ich.

»Wir warten, bis sie zurückkommen, um das eigentliche Geschäft mit ihnen abzuschließen.«

Mir blieb die Luft weg. »Sie wollen immer noch mit denen handeln?«

»Aber sicher. Krieg ist Krieg und Geschäft ist Geschäft. Hin und wieder stellen sie unsere Widerstandskraft auf die Probe und wollen sich um die Bezahlung drücken.« Garet spuckte wie ein Mann aus und fuhr amüsiert fort: »Aber da haben sie sich verkalkuliert. Mein Mann wird jetzt die Preise heraufsetzen, und sie werden nicht einmal daran denken, dagegen zu protestieren.«

Als ich kurz zu dem Freiflieger hinüberblickte, den sie getötet hatte, stellte ich erstaunt fest, dass er bereits völlig versteinert war. Er hatte sich in einen spiegelglatten schwarzen Brocken verwandelt, der aber immer noch die Konturen des Körpers zeigte.

»Was ist mit deinen Augen, Danka?«, fragte die Frau mit einem Mal. »Leuchten sie oder spielen mir meine Linsen einen Streich?«

»Sie leuchten«, antwortete ich, während ich das schwarze Tuch aus meiner Tasche kramte.

»Hängt damit auch zusammen, dass du ohne Brille sehen kannst?«

»Das geht Sie nichts an«, sagte ich und marschierte an den Büffeln vorbei, die unruhig auf der Stelle traten. Wie es wohl Len ergangen war?

Mir kamen einige Soldaten entgegen, aber da ich meine Binde bereits wieder angelegt hatte, fiel niemandem etwas an mir auf. Einer blickte mir zwar nach, allerdings nicht feindselig, sondern eher besorgt und schuldbewusst.

Den Händler und seine rothaarige Tochter fand ich am Rand des Sumpftals. Sie stritten sich heftig, der Händler hielt seine Tochter am Oberarm gepackt, die ihrerseits mit allen Mitteln versuchte, die Hand abzuschütteln.

»Mit Ihrer Frau ist alles in Ordnung«, sagte ich, als ich auf den Händler zuging.

Er nickte, dann zog er sofort die Brille aus der Tasche, um sich vor dem Wahren Blick zu schützen. Mir kam das komisch vor.

»Was ist passiert?«, fragte ich.

»Reata wäre beinahe entführt worden!«, schimpfte der Händler.

Ich ging sofort zum Gegenangriff über: »Aber sie ist nicht entführt worden! Also können Sie uns nichts vorwerfen!«

Der Händler erwiderte kein Wort, seine Tochter schniefte bloß. In dem Moment fiel bei mir der Groschen.

»Wo ist Len?«, zischte ich, auf einmal starr vor Wut.

»Erzähl’s ihm!«, verlangte der Händler von seiner Tochter, indem er ihr auf die Schulter klopfte. Er behielt mich fest im Auge und fuhr fort: »Es tut mir sehr leid, das kannst du mir glauben. Ich weiß, was es heißt, einen Freund zu haben, vor allem für euch Flügelträger.«

Schweigend sah ich Reata an.

»Wir haben uns ganz ruhig verhalten«, brummte diese, ohne aufzusehen, »und Len hat mich die ganze Zeit genervt, dass ich vorsichtig sein soll. Ich war so wütend auf ihn und bin weggelaufen…«

»Wo ist er, du blöde Kuh?«, brüllte ich.

»Die Freiflieger haben ihn mitgenommen, Danka«, sagte das Mädchen. Seufzend gestand sie mit einem merkwürdigen Stolz: »Er hat mich wirklich tapfer verteidigt.«

»Woher weißt du, wie ich heiße?«, wollte ich wissen.

»Er hat deinen Namen gerufen, als sie ihn weggeschleppt haben«, antwortete Reata. Und mit einem weiteren Seufzer fuhr sie fort: »Ich hätte mich nicht von der Karawane entfernen dürfen…«

Ich spürte, wie alles in mir drin gefror. Ich legte eine Hand auf mein Schwert und baute mich vor dem Mädchen auf. Was das eigentlich sollte, wusste ich selbst nicht.

»Nimm dich in Acht, Flügelträger«, warnte mich der Händler leise. »Mach jetzt keinen Fehler.«

Ich starrte ihn an. In dem Moment leuchtete zwischen uns ein blendender Fleck auf. Der Sonnenkater war auf einen Felsbrocken vor mir gesprungen.

»Er hat recht«, ermahnte er mich. »Mach jetzt keinen Fehler.«

Reata schrie auf und der Händler wich einen Schritt zurück. Selbst wenn ihnen der Kater schon vorher aufgefallen sein sollte, dann hatte er da bestimmt nicht geleuchtet oder gesprochen. Aber die beiden interessierten mich gerade überhaupt nicht.

»Du wagst es noch, mir gute Ratschläge zu geben?«, fuhr ich den Kater an. »Wo hast du eigentlich gesteckt? Warum hast du Len im Stich gelassen?«

Der Kater fuhr sich mit der Pfote über die Schnauze und nickte. »Ich akzeptiere den Vorwurf. Ja, es ist meine Schuld. Also bestrafe mich – und nicht dieses dumme Mädchen. Vor allem da ihr Vater dir wohl kaum gestatten würde, handgreiflich zu werden.«

Ich setzte mich auf einen Felsblock und fing an zu weinen. Da mich das Tuch störte, nahm ich es einfach ab und warf es auf den morastigen Boden. Nie wieder würde ich mich vor jemandem verstecken! Nie wieder! Ich hasste sie alle, sowohl die Freiflieger als auch die Flügelträger und die Händler!

Außerdem begriff ich überhaupt erst jetzt, dass ich einen Freund hatte. Einen Wahren Freund, denn wir hatten gemeinsam unser Leben riskiert… Wir waren wie Brüder, denn Brüder können sich auch streiten und prügeln, aber sie werden sich immer lieben.

Und jetzt hatte ich keinen Freund mehr.

»Mein Junge…« Der Händler strich mir mit der Hand über den Kopf, den ich nicht mal wegzog – so traurig war ich. »Weine nicht. Ich weiß, was du durchmachst.«

»Was können wir bloß tun?«, fragte ich.

»Sie werden kommen, um ihre Waren gegen meine einzutauschen«, erklärte der Händler zuversichtlich. »Ich werde versuchen, deinen Freund freizukaufen.«

Ich hörte auf zu weinen. Kaum winkte diese Hoffnung, wollte ich sofort etwas unternehmen. »Haben sie ihn denn nicht umgebracht?«, fragte ich leise.

»Nein«, antwortete der Händler nach kurzem Zögern. »Weißt du etwa nicht, was die Freiflieger mit Len vorhaben?«

»Nein…«

»Sie machen einen Freiflieger aus ihm.«

Sämtliche Alarmglocken schrillten. Mein Traum fiel mir wieder ein, von Len, der mit dem Schwert auf mich zukam. Ich stellte mir vor, wie die Finsternis ihn einhüllte und seine Augen sich in schwarze Schluchten verwandelten. Mir wurde angst und bange.

»Kater…«, hauchte ich.

»Was denn, Danka?«

»Stimmt das wirklich?«

»Ja, der Händler hat recht«, sagte der Sonnenkater brummig.

»Und wenn wir ihn befreien?«, fragte ich. »Das könnten wir doch bestimmt schaffen, oder?«

»Sie besitzen die Schwerter der Finsternis«, erklärte der Kater mit sehr leiser Stimme. »Mit einem solchen Schwert kann man das Wahre Licht problemlos löschen. Und ich… ich bin überhaupt nicht für den Kampf geschaffen, Danka! Ich habe bloß Krallen und Zähne. Sehr kleine Krallen und Zähne.«

In einiger Entfernung hatten sich alle Leute aufgebaut, die zu unserer Karawane gehörten. Ich sah sie an – und spürte, wie sie unter meinem Blick erzitterten. Unter dem Wahren Licht, das jetzt in meinen Augen leuchtete.

»Aber ich habe doch den Wahren Blick!«, erinnerte ich den Kater. »Der muss doch zu etwas gut sein, oder?«

»Da bin ich mir eben nicht sicher. In deinen Augen wohnt das Wahre Licht. Du siehst jetzt die besten Seiten, über die ein Mensch verfügt. Das hilft dir aber nur dann, wenn in ihm wirklich etwas Gutes lebt. Ich habe jedoch meine Zweifel, dass… In den Augen der Freiflieger wohnt dagegen die Finsternis. Sie sehen deine Ängste, deine Fehler und deinen Schmerz. Das ist weitaus vorteilhafter, wenn man gegen jemanden kämpft.«