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Zielstrebig stolzierte er zur Wand rüber.

Und noch während er sich ihr näherte, geschah etwas höchst Merkwürdiges. Plötzlich sah ich nämlich ganz klar die drei Schichten Tapeten, die in meinem Zimmer übereinandergeklebt waren. Konnte ich mich an die mittlere Schicht noch erinnern – die hatten wir ausgesucht, als wir aus der alten Wohnung hierhergezogen waren –, musste die untere von den Vormietern stammen. Darunter klebten noch Zeitungen, die ich nicht mal mehr dem Namen nach kannte. Als Letztes kam die Ziegelmauer.

Der Kater lief an der Wand lang und mit einem Mal bemerkte ich zwischen den Ziegelsteinen eine grobe Holztür!

»Da ist eine!«, schrie ich, aber der Kater blieb nicht stehen. »Kannst du sie aufmachen?«

»Das könnte dir so passen!«, schnaubte er. »Hinter einer solchen Tür wartet kein Vergnügen.«

Die nächste Tür fand der Kater in einer Ecke. Sie war aus Metall, grau, mit einem kleinen Rädchen statt einer Klinke, genau wie bei einem Tresor. Diesmal zögerte er kurz. »Dahinter gibt es vermutlich allerlei Photonen, Protonen und Magnetfelder«, sagte er abfällig. »Lass uns weitersuchen!«

»Okay«, antwortete ich. Abenteuerlust hatte mich gepackt. Als ich dem Sonnenkater folgte, bekamen meine Beine seine Wärme ab! Klasse! Vor allem, wenn du barfuß rumläufst und auf keinen Fall gleich wieder krank werden willst, nachdem du gerade erst gesund geworden bist.

»Ha!«, quiekte der Kater triumphierend. »Die ist besser, oder?«

Die Tür machte wirklich was her. Sie war aus Ebenholz und mit Schnitzereien verziert und hatte eine gewaltige Klinke aus Bronze, die ein bisschen aus der Tapete herausragte. Was das Wahre Licht alles an den Tag bringt!

»Wollen wir mal einen Blick durch die Tür werfen?«, fragte der Kater.

Damit überraschte er mich nun tatsächlich.

»Geht das denn?«

»Selbstverständlich. Alles, was du im Wahren Licht erblickst, steht dir offen.«

Zweifelnd zuckte ich die Schultern. Ich blickte an mir herunter: Bloß in Unterhose und Unterhemd stand ich da, nicht mal Hausschuhe hatte ich an. Was, wenn hinter dieser Tür ein Palast lag, in dem gerade ein Ball stattfand? Was sollte ich dann sagen? Etwa: Darf ich um den nächsten Tanz bitten, meine Dame?

»Ich zieh mir wohl besser erst was an«, brachte ich unsicher hervor. Dem Kater entging meine Zaghaftigkeit nicht.

»Dummkopf!«, kanzelte er mich ab. »Glaubst du vielleicht, es ist ein Kinderspiel, eine Verborgene Tür zu beleuchten? Schließlich bin ich noch klein! Da reichen meine Kräfte nicht sehr lang!«

Das sah ich ein. Und wahrscheinlich hätte auch sonst niemand an meiner Stelle Protest eingelegt. »Wie geht sie auf?«

»Schau auf die Klinke!« Der Kater brachte nur noch ein Flüstern zustande. Anscheinend strengte die Beleuchtung der Tür ihn tatsächlich an. »Schau sie fest an, bis du sie ganz klar erkennst. Dann packst du sie und öffnest die Tür.«

Ich starrte auf die Klinke. Zuerst wirkte sie etwas verschwommen, wie durch Milchglas. Nach einer Weile sah ich sie jedoch völlig scharf. Die Bronze war roh und unbehandelt und nur am Rand glatt, als wäre sie durch unzählige Berührungen abgeschliffen worden. Benutzte etwa jemand regelmäßig diese Tür? Ich streckte die Hand aus und fasste das kalte Metall an.

»Mach schon, beeil dich«, drängelte der Kater mit jämmerlich schwacher Stimme. Entschlossen zog ich die Tür zu mir.

Sie war schwer, sehr schwer sogar. Als wären die Angeln im Laufe der Jahre eingerostet oder versteinert. Da ich aber unverdrossen weiterzog, bewegte sich die Tür langsam in meine Richtung – und zwar durch die Ziegelsteine, die alten Zeitungen und die drei Schichten Tapete hindurch. Mich wunderte schon gar nichts mehr.

Kalter Wind schlug uns entgegen. Die Blätter an den Bäumen raschelten leise. Außerdem war es stockdunkel. Aber wenigstens gab es hier keinen Palast.

»Hier ist Nacht«, bemerkte der Kater enttäuscht. »Und nicht ein einziger Stern ist zu sehen. Schade. Bei Sternenlicht handelt es sich nämlich stets um Wahres Licht…« Schon im nächsten Moment schöpfte er jedoch neuen Mut. Er sprang über meinen Fuß drüber und zur Tür hinaus.

»Pass auf!«, schrie ich.

Der leuchtende Fleck blitzte bereits zehn Meter entfernt von mir auf.

»Papperlapapp! Was soll einem Sonnenkater schon passieren? Und sei’s in der Nacht! Komm her, hier gibt’s Gras!«

Daraufhin trat ich ebenfalls durch die Tür. Unter meinen Füßen spürte ich warmes Gras. Herbst herrschte hier mit Sicherheit nicht. Sommer oder Frühling musste es sein…

»Kater!«, rief ich, während ich mich in der Dunkelheit vortastete. Jetzt bloß nicht stolpern! »Kater!«

»Die Tür!« Der leuchtende Fleck schoss auf mich zu. »Du dummer Junge!«

Ich drehte mich um und sah, wie die helle Türfüllung nach und nach von der Dunkelheit verschluckt wurde. Als ich zurückhechtete, stieß meine Hand nur noch gegen Stein. Beinahe hätte ich mir sogar die Stirn an dem Felsen aufgeschlagen.

Furchtbare Angst packte mich.

»Du bist der allerdümmste Junge auf der ganzen Welt!«, giftete der Kater. »Was hast du da nur angerichtet? Jetzt ist die Tür zu!«

»Das sehe ich auch, dass sie zu ist!«, knurrte ich. »Also beleuchte sie! Dann machen wir sie wieder auf.«

»Ein Versuch kann ja nicht schaden…«, meinte der Kater.

Er trat dicht an den Stein heran, und ich sah, wie sich schwach die Umrisse der Holztür abzeichneten. Jetzt fiel mir auch auf, wie riesig der Stein war, in dem die Tür lag. Es war gar kein Felsblock, sondern ein Teil eines Bergs. Doch so fest ich die Tür auch ansah, klar erkennen konnte ich sie nicht! Und meine Finger stießen auch bloß auf Stein, nicht aber auf die Bronzeklinke.

»Es klappt nicht«, sagte ich schuldbewusst.

»Das ist mir nicht entgangen«, höhnte der Kater. »Es ist schwer, eine Verborgene Tür durch Stein hindurch zu erkennen. Dabei handelt es sich eben nicht bloß um alte Zeitungen. Vielleicht sollten wir eine andere suchen… Es existiert da ein Gesetz: Drei Türen müssen von einer Welt in eine andere führen.«

»Kannst du nicht doch diese hier aufmachen?«, fragte ich, denn meine Angst wuchs immer weiter. Außerdem kam es mir dumm vor, jetzt überall nach einem Ausgang zu suchen, wo wir doch genau vor einem standen. Aber der Kater sagte kein Wort.

»Nun antworte schon!«, jammerte ich. »Warum sagst du denn nichts?«

»Ich kann es nicht«, flüsterte der Kater kaum hörbar. »Schließlich bin ich ja noch klein. Und es hat mich schon ungeheure Kraft gekostet, die Tür in deinem Zimmer zu öffnen.«

»Das hast du wirklich prima hingekriegt, Sonnenkater«, sagte ich, wobei ich mit den Tränen kämpfte. Irgendwann ließ ich mich einfach vor dem Felsen ins Gras plumpsen. Ein spitzer Stein bohrte sich schmerzhaft in mein Bein, aber darauf achtete ich nicht weiter. Die Tür konnte ich kaum noch erkennen. »Ob es was bringen würde, den Stein wegzuhauen?«

»Das weiß ich nicht«, gestand der Kater traurig und schmiegte sich gegen mein Bein. Sofort löste sich meine Wut in Luft auf. »Du bist aber auch nicht ganz unschuldig, du dummer Junge. Du hättest die Tür im Auge behalten müssen.«

»Das hättest du mir doch sagen müssen! Und warum nennst du mich eigentlich die ganze Zeit einen dummen Jungen?«

»Wenn du darauf bestehst, nenne ich dich von jetzt an einen klugen Jungen«, erwiderte der Kater.

»Ich habe auch einen Namen!«

»Damit vorgestellt hast du dich aber nicht!«

Eine Minute lang sagten wir beide kein Wort. »Und wie heißt du?«, fragte der Kater schließlich mit leiser Stimme.

»Danka.«

»Es gibt schlimmere Namen«, meinte der Kater. »Also, pass auf! Du brauchst keine Angst zu haben! Wir warten einfach bis morgen früh. Ich brauche lediglich einen Funken Wahren Lichts, um diese dämliche Verborgene Tür zu beleuchten.«