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Der Händler richtete den Blick wieder auf uns. »Für wen?«, wollte er wissen.

»Für Danka. Das ist der braun gebrannte, dunkelhaarige Bengel.«

Der respektlose Ton des Katers weckte in mir den Wunsch, ihn beim Schwanz zu packen. Er schaute mich nicht mal an. Dafür musterte mich der Händler allerdings in einer Weise, als wollte er mich durchbohren. »Stammst du wirklich aus dieser Welt, Danka?«, fragte er.

»Nein«, gestand ich, ohne recht zu wissen, warum.

Der Händler erhob sich aus dem Sessel und beugte sich drohend über den Kater. »Was führst du eigentlich im Schilde, Kater? Weshalb hast du den Jungen in diese Welt gebracht?«

»Das hat sich zufällig so ergeben«, antwortete der Sonnenkater wie aus der Pistole geschossen.

»Ach ja?«, grummelte der Händler misstrauisch.

»Er sagt die Wahrheit, ich bin wirklich selbst schuld daran«, erklärte ich. Auch wenn sich der Kater immer mieser benahm, waren wir doch Freunde.

»Das tut mir leid für dich«, sagte der Händler, der nun wieder die Ruhe in Person war. Dann wandte er sich an den Kater: »Dir ist klar, dass ich ein Wahres Schwert nicht einfach verkaufen kann. Der Junge muss es sich selbst holen.«

»Das weiß ich«, meinte der Kater sehr leise.

»Und verlangst du das von ihm?«

»Das muss er selbst entscheiden«, beteuerte der Kater, der alles tat, um meinem Blick auszuweichen. »Erzähle ihm vom Wahren Schwert, Waffenhändler!«

Verzweifelt schlug der Mann die Hände überm Kopf zusammen. »Licht und Finsternis!«, rief er aus. »Nicht einmal das weiß der Junge? Sag mal, Kater, reicht euch nicht doch ein schlichtes Zauberschwert? Ein gutes Schwert gegen die dunklen Kräfte?«

»Weshalb bist du dir denn so sicher, dass wir ein Schwert gegen die Finsternis brauchen?«, fragte der Kater.

»Ich geb’s auf«, antwortete der Händler. »Also, ich verlange folgenden Preis von euch: den Spiegel und alles Geld, das ihr bei euch habt. Dafür werde ich dem Jungen den Weg zum Wahren Schwert zeigen. Du musst…«

»Erzähle mir zuerst vom Wahren Schwert!«, verlangte ich. Mein Ton überraschte mich selbst, er war resolut und fest.

»Also…« Der Händler wandte sich mir zu. »… wie ich höre, darfst du auch selbst sprechen.«

»Raus mit der Sprache!«, forderte ich. Ich spürte, wie meine Augen auf den Wahren Blick umschalteten, obwohl ich das gar nicht wollte. Der Händler schrie auf und riss die Hand vors Gesicht. Nach einer Weile senkte er einen Arm – und ich hatte den Eindruck, aus dem kleinen Ring an seinem Finger fließe über seinen ganzen Körper eine matte Flüssigkeit, die ihn für den Wahren Blick undurchdringlich machte.

»Ich bin alt geworden, sehr alt«, stöhnte der Händler. »Ein Junge mit dem Wahren Blick… Und ich hatte nur Augen für den Kater. Was hast du gesehen, Danka?«

»Nichts«, gestand ich.

»Immerhin funktioniert mein Reaktionsvermögen noch!« Die Stimmung des Mannes hob sich ein wenig. »Du willst etwas über das Wahre Schwert wissen, mein Junge? Gut. Warum auch nicht? Immerhin musst du dein Leben dafür riskieren. Also hör gut zu!«

Der Kater zappelte nervös auf dem Tisch herum. Als ob er es sich anders überlegt hätte und nicht mehr wollte, dass der Händler mir die ganze Wahrheit über das Wahre Schwert erzählte.

»Es gibt viele Welten und in ihnen viele Waffen. Ich handle mit allen. Mit Waffen gegen das Licht und mit Waffen gegen die Finsternis. Ich bin nur ein Händler. Aber dein Freund hat recht – selbst ein Schwert des Lichts kann die Finsternis nicht immer besiegen. Es gibt nur eine Waffe, die dir zum entscheidenden Sieg verhelfen kann. Das ist das Wahre Schwert.«

Len schob sich näher an mich heran. Als ob ihm plötzlich angst und bange wurde.

»Dieses Schwert gehört nie allein einem einzigen Menschen. Du besitzt nur einen Teil seines Wesens, erhältst sozusagen ein körperloses Gespenst. Aber jedes Mal, wenn dir Gefahr droht, materialisiert es sich in der Scheide. Dann kannst du danach greifen und es gegen deinen Feind ziehen. Gegen jeden Feind. Das Schwert wird dich nicht im Stich lassen. Aber du darfst es nur ein Mal ziehen. Nur ein einziges Mal.«

»Warum?«, wollte ich wissen.

»Weil jeder Mensch nur einen einzigen Wahren Feind hat. Und es hängt von dir ab, ob du diesen Feind erkennst oder nicht, ob du die Kräfte des Schwerts leichtfertig vergeudest oder sie für den entscheidenden Kampf aufbewahrst.«

»Und wenn ich nicht begreife, dass mir der entscheidende Kampf bevorsteht?«

»Von sich aus hüpft das Schwert nicht aus der Scheide. Du kannst also selbst mit dem Wahren Schwert verlieren – wenn du nicht weißt, wann du es gebrauchen musst.«

»Und warum hast du gesagt, das Schwert gehöre nicht nur Danka?«, fragte Len plötzlich. »Was heißt das?«

»Es verfügen gleichzeitig Tausende von Menschen über einen Teil des Wahren Schwerts«, antwortete der Händler in fast amüsiertem Ton. »Falls Danka Glück hat, zählt er bald zu ihnen.«

»Was muss ich denn tun, um es zu bekommen?«, bohrte ich weiter.

»Deine Ängste durchleben. Das Wahre Schwert wird dich auf die Probe stellen.« Das Lächeln verschwand vom Gesicht des Händlers. Jetzt wirkte er beinahe traurig. »Du musst durch ein Labyrinth, das aus allem besteht, was du je gefürchtet hast oder immer noch fürchtest. All deine Ängste erwarten dich. Doch das Wahre Schwert wird immer in deiner Nähe sein. Und wenn du auf deine Wahre Angst triffst, wenn du sie erkennst und besiegst, dann überlässt dir das Schwert einen Teil seines Wesens für diesen Kampf im richtigen Leben.«

»Und wenn ich mich täusche und versuche, eine Angst zu besiegen, die nicht meine Wahre Angst ist… bringt mich das Schwert dann um?«

»Natürlich nicht! Du kommst auf Ideen! Es ist deine Wahre Angst, die dich umbringt, wenn du sie nicht besiegst.«

»Wie kann ich das tun?«

»Mit dem Schwert. Mit dem Wahren Schwert. Die kleinen Ängste kannst du einfach überwinden und vertreiben. Aber die Wahre Angst musst du mit dem Wahren Schwert an der Wurzel kappen. Genau wie im richtigen Leben steht dir das Wahre Schwert auch im Labyrinth nur ein einziges Mal zur Verfügung.«

»Okay. Ich werde aber sicherheitshalber mein Schwert des Gnoms Tuak mitnehmen«, sagte ich.

»Du willst es wagen? Nun gut.« Der Händler zuckte bloß die Schultern. »Aber das Schwert des Tuak lässt du hier… Das Wahre Schwert duldet keine Konkurrenz. Das Labyrinth musst du unbewaffnet durchwandern. Und ich fürchte, deine Augen verfügen dort nur über den normalen Blick.«

Der Kater sprang vom Tisch und kam auf mich zu. Er rieb sich an meinen Beinen und sagte: »Lass uns von hier verschwinden, Danka. Wir kommen auch ohne das Wahre Schwert zurecht. Schließlich gibt es genug Zauberwaffen auf der Welt.«

»Aber nur ein Wahres Schwert«, mischte sich der Händler ein.

»Wo ist das Labyrinth?«, fragte ich.

In diesem Moment löste sich das Sofa, auf dem ich saß, in Luft auf. Ich fiel hinein in die Dunkelheit, in bodenlose Tiefe…

»Du bist bereits drin«, drang von oben kaum noch hörbar die Stimme des Händlers zu mir herunter.

6. Das Labyrinth

Ein Labyrinth muss verschlungen sein, mit vielen Biegungen und trügerischen Gängen. Das weiß jedes Kind.

Dieses hier war anders. Es begann in einem kleinen, quadratischen Zimmer, aus dem es nur einen Ausgang gab, einen langen und geraden Korridor, von dem kein weiterer Gang abzweigte. Hoch oben an der Wand steckten in geschmiedeten Eisenringen zwei brennende Fackeln. Außerdem gab es in der Decke eine Luke, durch die ich vermutlich gefallen war. Sie war mit einem riesigen Vorhängeschloss verriegelt, und wenn ich nicht fantasierte, dann war es gerade eben eingerastet.