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Jetzt kam es darauf an, dass die Flügelträger sich gegen Shoky stellten, nicht etwa gegen mich.

»Willst du ein Duell?«, fragte Shoky.

»Ich will den Krieg gegen die Freiflieger.«

»Den wird es nicht geben.«

»Dann will ich ein Duell!«

Mit einer geschmeidigen und eleganten Bewegung zog Shoky sein Schwert. Die Menge vergrößerte sofort den Kreis um uns. »Wir tragen es auf dem Boden aus«, erklärte Shoky. »Ohne Flügel.«

In der Luft hätte er kaum Chancen gegen mich gehabt. Umgekehrt galt das auf dem Boden für mich. Shoky war älter als ich, erfahrener und kräftiger.

»Soll mir recht sein.« Ich tastete nach dem Wahren Schwert. War Shoky mein Wahrer Feind? Er hatte mir die Augen ausgestochen, sperrte sich gegen unseren Plan…

Andererseits versuchte er bloß, seine Stadt zu retten.

Deshalb zog ich das Schwert des Tuak und sah Shoky mit dem Wahren Blick an.

Shoky wollte sterben.

Das überraschte mich dermaßen, dass ich erstarrte und das Schwert losließ. Auf Shokys Gesicht lag eine Müdigkeit, als wäre er nicht zwanzig, sondern vierzig. Er glaubte weder an das Licht noch an die Finsternis. Selbst an das kleine Haus unter einer fremden Sonne glaubte er nicht mehr, im Unterschied zu allen anderen Senioren.

Der Angriff auf die Stadt hatte Shoky den Rest gegeben. Er wollte keine Entscheidungen mehr treffen, er wollte nur noch sterben.

Sein erster Ausfall war ein Schlag mit nur halber Kraft, den ich problemlos parierte.

Wir umkreisten einander, die Schwerter gezückt, die Wand aus Menschen zögerte kurz, bevor sie sich ausdehnte, um uns Platz zu machen. Niemand dachte mehr an die vor sich hinbrennenden Gebäude, die nun schlagartig zur Dekoration für das Duell mutiert waren.

»Shoky«, flüsterte ich, »wir können gewinnen. Zusammen können wir gewinnen…«

Der Schlag war eher schön anzusehen als wirkungsvoll, ein schwungvoller Hieb Richtung Hals. Ich brauchte mich bloß zu ducken und das Schwert über meinem Kopf wegzischen zu lassen.

»Ich werde dich nicht angreifen, Shoky. Lass uns über alles red…«

Die Schwerter heulten erbärmlich auf, als sie gegeneinander schepperten. Jetzt machte Shoky Ernst, und nur der Wahre Blick half mir, seine Schläge im Voraus zu erkennen und abzuwehren.

»Shoky, wenn du mich umbringst…«

Schlag, Sprung und Abwehr.

»… oder ich dich, dann wäre Gert ganz umsonst gestorben…«

Waren mir die Worte also doch über die Lippen gekommen.

»Mein Großvater hat seit geraumer Zeit an Altersschwachsinn gelitten.« Shokys Bewegungen wurden nun wieder etwas langsamer. »Wir haben keine Chance, Danka.«

Dann kam der nächste Angriff, so schnell und genau, dass ich nicht mehr reagieren konnte. Klirrend landete die Klinge auf meiner Parierstange, das Schwert fiel mir aus der umgeknickten Hand. Shoky setzte nach und ließ mir keine Gelegenheit, mein Schwert aufzuheben. Okay, ich hatte noch das Wahre Schwert… und die Flügel, um mich dünne zu machen und damit den Respekt der Flügelträger für immer zu verlieren.

Abwartend beobachtete ich Shoky, in dessen Augen Todessehnsucht stand.

»Du willst nicht allein sterben«, sagte ich leise, damit nur er mich hörte. »Du willst alle anderen mit dir ziehen und die Flügelträger den Freifliegern zum Fraß vorwerfen.«

Die Klinge zitterte an meinem Hals.

»Ich werde doch nur der Erste sein, Shoky«, fuhr ich flüsternd fort. »Danach kommen die anderen dran. Du hast deinen Kampfwillen eingebüßt… und deshalb wird es Tausende von Toten geben.«

»Wir haben keine Chance, Danka.«

»Solange der Kater und ich leben, haben wir eine Chance.«

»Aber was für eine?«

»Keine große. Nur ein wenig Hoffnung…«

Shoky lächelte schief. Er senkte das Schwert und ließ seinen Blick über die verstummten Zuschauer schweifen.

»Ihr könnt davon ausgehen, dass der Senior Danka und ich mit diesem Duell unsere Nerven beruhigt haben! Alkk!«

Ein hellhaariger, linkischer Junge drängelte sich durch die Menge und schaute Shoky fragend an.

»Wer ist bei dem Angriff gestorben?«, erkundigte sich Shoky.

»Der kleine Junge und der Alte, in dem Haus dort…« Alkk wies vage in die Richtung. »Außerdem die beiden Mädchen, die im Club saubergemacht haben.«

»Aber niemand von denen, die kämpfen können«, schlussfolgerte Shoky bitter.

»Kira hat sich den Arm verbrannt.«

»Das wird heilen. Können mich alle hören?«

Niemand sagte ein Wort, aber Shoky hatte auch nicht mit einer Antwort gerechnet.

»Dann hört mir zu! Ich wende mich nicht an die Flügelträger, denn die folgen mir ohnehin. Ich wende mich an die Mädchen, Erwachsenen und Alten. Wir Flügelträger brechen auf, das Licht zu suchen. Denjenigen, die nicht mehr kämpfen können, rate ich, sich in eine der Nachbarstädte zu begeben. Oder zu den Händlern.«

Mir fiel ein, welche Bedeutung die Wendung »das Licht suchen« für Flügelträger hatte, oder auch der Ausdruck, jemand sei »zum Licht aufgebrochen«. In dem Moment wurde mir klar, wie genau Shoky seine Einstellung zu dem bevorstehenden Kampf in Worte gebracht hatte: Wir zogen in den Tod.

Ob er deshalb nachgegeben hatte?

Aus der Menge trat nun ein Mann hervor, der etwa fünf Jahre älter war als Shoky. Er hatte dunkles Haar und dunkle Haut. Ich erinnerte mich an ihn, er hatte Shoky darauf hingewiesen, dass sich jemand um mich kümmern müsse, nachdem man mir die Augen ausgestochen hatte.

»Seit wann gelten erwachsene Männer als kampfunfähig, Senior der Flügelträger?«

»Wann habt ihr denn zuletzt gegen die Freiflieger gekämpft?«, fragte er mit erstaunt hochgezogener Augenbraue.

»Es ist noch nicht lange her, Shoky. Und wer beschützt denn die Karawane der Händler?«

Shoky blieb hartnäckig. »Erwachsene ziehen nicht in den Kampf. Ihr habt eure Pflicht erfüllt. Jetzt…«

»… jetzt dürfen wir also nur noch für ein Plätzchen unter einer fremden Sonne kämpfen? Ja?«

Shoky antwortete nicht.

»Fang lieber keinen Streit mit mir an, Junior«, meinte der Mann in einem Ton, der fast zärtlich klang, und klopfte Shoky auf die Schulter.

Komisch, dachte ich, Len wird also immer mein Junior bleiben. Er würde es jedenfalls bleiben – wenn wir nicht aufbrechen würden, das Licht zu suchen.

5. Der Aufmarsch

»Du solltest unserem Plan endlich zustimmen!«, sagte der Kater zu Shoky.

Wir saßen zu dritt zusammen, Len war in sein Zimmer hochgegangen und hatte die Tür hinter sich zugemacht. Ich hatte ihn nicht zurückgehalten. Zu deutlich war mir noch in Erinnerung, wie er gelächelt hatte, als er die brennende Stadt sah.

Shoky war immer noch nicht damit herausgerückt, was er eigentlich von unserem Plan hielt. »Du willst also, dass wir den Köder spielen?«, fragte er den Kater.

»Nicht ihr, sondern die Erwachsenen.« Der Kater lächelte nachsichtig. »Sie haben ja die Entscheidung getroffen, ebenfalls in den Kampf zu ziehen. Das kommt uns sehr zupass.«

Shoky erwiderte kein Wort.

»Die Freiflieger werden bemerken, dass wir anrücken, und uns am Fuß des Hauptturms erwarten.« Der Kater strich sich mit der Pfote übers Gesicht und fügte nachdenklich hinzu: »Ja, sie werden uns bemerken und sie werden uns erwarten… Die Erwachsenen werden den Bodenkampf so lange führen, bis die Freiflieger endlich ihre gesamten Kräfte aufbieten. Erst dann greifen die Flügelträger ins Gefecht ein. Sollte unser Feind zu diesem Zeitpunkt noch Reserven haben – beispielsweise zur Verteidigung des Turms oder der näheren Umgebung –, wird er diese daraufhin auch in den Kampf führen. In dem Moment dringen Danka, Len und ich in den Turm ein.«