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»Und dann?«

»Das kann ich nicht sagen«, meinte der Kater in aller Entschiedenheit. »Aber wenn wir in den Turm eindringen, werden wir auch siegen.«

»Werden sich die Wolken verziehen?«, fragte Shoky.

»Auch das kann ich nicht sagen«, antwortete der Kater absolut ruhig.

Shoky studierte die Karte, über die sich eine achtlos eingezeichnete Linie zog. Das war der Weg zum Hauptturm der Freiflieger.

»Eine Frage noch, Kater. Unser Weg führt uns am Pass der Siebzehn vorbei. Dort steht ein Turm der Freiflieger…«

»Um den machen wir einen Bogen«, entschied der Kater.

»Ich führe meine Leute mit aller Wahrscheinlichkeit in den sicheren Tod«, sagte Shoky. »Ich muss ihnen unterwegs wenigstens einen kleinen Sieg spendieren.«

»In Ordnung«, meinte der Kater. »Dann zerstören wir ihn.«

Shoky stand vom Tisch auf und sah mich an. »Ich hoffe nur, ich mache keinen Fehler, wenn ich dir vertraue, Danka«, sagte er.

»Wenn es schiefgeht, dann werde ich sterben«, antwortete ich bloß.

»Das wäre nur gerecht«, meinte Shoky. »In einer Stunde brechen wir auf. Packt eure Sachen.«

Die Tür schlug hinter Shoky zu, wir blieben allein zurück.

»Was erwartet uns im Hauptturm, Kater?«, wollte ich wissen.

»Der Sieg«, antwortete er, während er sich putzte.

Mit einem Mal ekelte mich das alles an. Ich erhob mich, tigerte durchs Zimmer, blickte noch einmal auf Kurts Bild, auf das, wo die Freiflieger und die Flügelträger aufeinander zuflogen und am Horizont verschmolzen.

»Sag mal, Kater, sind wir eigentlich immer noch Freunde?«, fragte ich leise. Die Freiflieger und die Flügelträger formierten sich auf dem Bild zu einer endlosen Kette. Der Kater schwieg, und ich spürte, dass er mich ansah.

»Danka, mein Junge«, sagte der Kater mit einer völlig anderen, zärtlichen und traurigen Stimme. »Sei… wenn möglich… nicht böse auf mich… oder auf das Licht… Es stimmt schon, ich verhalte mich nicht gerade wie ein Freund. Verzeih mir.«

»Was hast du denn auf einmal?«, fragte ich und drehte mich zu ihm um.

Der Sonnenkater weinte.

»Was ist denn?«, fragte ich hilflos.

»Glaubst du etwa, es sei leicht, ein Werkzeug des Lichts zu sein?« Der Sonnenkater hob den Kopf. »Stimmt, ich bin im Grunde nicht dein Freund. Befreundet kann man nur sein, wenn man einander ebenbürtig ist. Aber ich führe dich auf den Weg, den du gehen musst, zwinge dich, schneller klug und erwachsen zu werden, als es eigentlich möglich ist.«

Im ersten Moment nahm ich ihm seine Worte übel, dann machten sie mich jedoch nur traurig.

»Ich verstehe dich ja, Kater… Ich glaube dir und ich mag dich.«

Der Sonnenkater schüttelte den Kopf. »Das brauchst du nicht, Danka. Das ist nicht das, worauf es für mich ankommt. Denn auch, dass du mich magst, macht uns nicht ebenbürtig…«

»Kater…« Ich streckte meine Hand aus und berührte sein warmes Fell. »Warum musste ich denn so schnell erwachsen werden?«

»Ein Junge hätte es nicht geschafft, das Wahre Schwert zu holen… oder den Weg bis zum Ende zu gehen.«

»Warum hast du dann nicht gleich einen Erwachsenen aus meiner Welt herausgeschleust?«

Der Kater schnaubte. »Ein Erwachsener wäre doch nie und nimmer mit mir mitgekommen! Erwachsene taugen bloß für Welten mit Photonen, Protonen und Laserpistolen. Verzeih mir. Und du brauchst mich wirklich nicht gernzuhaben.«

»Gut«, erklärte ich betont ernsthaft. »Dann werde ich dich eben nicht mehr gernhaben. Aber wenn wir gesiegt haben, dann können wir doch wieder Freunde sein, oder?«

»Wenn ich diesen Moment erlebe.«

Ich senkte den Kopf und presste den Kater an mich. Ich wollte seine Wärme, sein Licht und seine Ruhe spüren – und sei es nur für die Stunde oder die halbe oder wie viel Zeit uns blieb.

»Gegen wen muss ich mit dem Wahren Schwert kämpfen?«

»Das kann ich dir nicht sagen. Das widerspräche dem Vorgehen des Lichts, Danka. Ich führe dich und zwinge dich, eine Entscheidung zu treffen. Dennoch bleibt es deine eigene Entscheidung. Bitte versteh das.«

»Und wenn ich es nicht verstehe?«

»Dann wird ein anderer Junge in diese Welt kommen.« Eine Weile blieb ich noch sitzen, den Kater an mich gedrückt. Irgendwann stand Len mit geröteten Augen vor mir. »Ich habe unsere Sachen gepackt, Senior.«

»Gut«, sagte ich. »Und noch was: Du brauchst…«

»Ich weiß«, unterbrach mich Len, »ich werde dich nicht mehr gern haben.«

Der Pass der Siebzehn hieß schon lange so, schon seit der Zeit, als es noch eine Sonne am Himmel gab. Irgendwie hatte ich geglaubt, bei den Siebzehn handle es sich um Flügelträger, die am Pass gekämpft hatten, oder um Freiflieger, die von einem tapferen Helden getötet worden waren. Aber nichts dergleichen. Siebzehn Menschen waren über den Pass gezogen, voll beladen mit Waren zum Verkauf. Eine Lawine begrub sie unter sich, riss sie den Hang hinunter – und brachte sie damit direkt zum Ziel ihrer Reise! Alle siebzehn hatten überlebt! Zur Erinnerung an dieses Ereignis erhielt der Pass seinen Namen.

Ich hörte Shokys Erzählung und zuckte nur mit den Schultern. Die Leute waren an ihr Ziel gekommen, was wollten sie mehr? Vom Hauptturm der Freiflieger trennte uns noch ein halber Tag.

Zunächst aber stießen wir auf jenen Turm der Freiflieger, den Shoky unterwegs zerstören wollte. Ein kleiner, gedrungener Bau, der wie ein Fass aussah, stand dicht an einer Felswand, über die ein popeliger Wasserfall plätscherte. Die Sturmeinheit der Flügelträger – fünfzig Teams hatte Shoky für den Angriff ausgesucht – schlichen sich entlang des Hangs an den Turm heran. Weitere dreihundert Flügelträger-Teams und rund fünfhundert erwachsene Männer hielten sich auf Abstand. Insgesamt waren das nicht gerade viel. Selbst in der Vergangenheit galten tausend Soldaten noch nicht als Armee.

»Was meinst du, sind da drin viele?«, erkundigte ich mich bei Shoky, der sich mit dem Angriffssignal Zeit ließ.

Der Senior der Flügelträger schüttelte bloß den Kopf. »Das werden wir gleich erfahren«, meinte er schließlich. »Mehr als ein Dutzend dürften es nicht sein.«

Doch da irrte Shoky sich.

Als die Flügelträger losstürmten, hagelten uns aus den Schießscharten des Turms die Pfeile nur so um die Ohren. An der Turmspitze klappte eine Luke hoch, aus der schwarze Schatten heraussprangen und auf uns zugeflogen kamen. Zwei Dutzend Freiflieger und weitere Armbrustschützen feuerten fast ununterbrochen.

»Die Wesen der Finsternis!« Shoky sprang auf und schaute erst mich, dann seinen Junior an. »Pass auf ihn auf!«, befahl er diesem.

Shokys Junior war ein stämmiger, kräftiger Junge um die fünfzehn. Er nickte, ohne etwas zu sagen. Shoky stürmte zum Turm.

»Würdest du lieber kämpfen?«, fragte ich den Jungen. Er gab mir keine Antwort. Offenbar mochte er mich nicht und seine Aufgabe ging ihm gewaltig gegen den Strich. Was war das auch, einen fremden Senior zu beschützen, der den Helden mimt, dabei aber jünger als man selbst ist! Obwohl mir diese Einstellung nicht gefiel, hielt ich den Mund. Denn den Schutz brauchte ich wirklich!

Als ich nämlich beschlossen hatte, mich der kleinen Sturmeinheit anzuschließen, hatten das weder der Kater noch Shoky gutgeheißen. Beide fanden, ich solle mein eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlieren und mein kostbares Leben nicht aufs Spiel setzen. Pah! Alles hatte damit geendet, dass der Kater und Shoky nachgaben, mir aber das Schwert des Tuak abnahmen – damit ich mich bloß nicht in die Schlacht stürzte. Ich hatte keinen Widerstand geleistet, denn ich wollte ja gar nicht mitkämpfen, sondern nur mal allein sein. Um in Ruhe über alles nachzudenken – was ich nicht konnte, solange der Kater und Len in meiner Nähe waren.

Die Flügelträger und die Freiflieger schlugen wie wild aufeinander ein. Um den Turm kreisten zwei Schwärme, anders konnte man das nicht nennen. Schon nach kürzester Zeit brachte ich es nicht mehr fertig, Freund und Feind zu unterscheiden, es gab nur noch funkelnde Schwerter, das Schlagen der Flügel, das zu einem einzigen Knattern verschmolz, sowie ab und zu einen Schrei, kurz bevor ein Opfer abstürzte.