Выбрать главу

Bei diesem Kampf waren wir in der Überzahl. Die Freiflieger würden alle sterben.

Fast taten sie mir ein bisschen leid.

Der alte Freiflieger fiel mir ein, der in seinem Turm gestorben war. Was spielt es schon für eine Rolle, wofür du kämpfst, hatte er gesagt. Und ich? Hätte ich nicht tatsächlich ebenso gut bei den Freifliegern landen können?

Quatsch! Wie kamen diese komischen Gedanken in meinen Kopf? Schließlich wollte ich den Menschen helfen… dem Licht dienen…

Mit einem Mal begriff ich auch, warum ich unbedingt zu diesem Turm gewollt hatte. Ich brauchte ein Zeichen, einen Beweis dafür, dass ich recht hatte. Ich wollte nicht für das Licht sterben, sondern verstehen, warum ich diese Seite gewählt hatte.

Die leere Scheide des Wahren Schwerts wurde schwer. Das wunderte mich nicht. Es musste ein Zeichen geben und es musste eine Wahl geben. Der Weg, auf den mich der Sonnenkater geführt hatte, machte viele Biegungen…

Aus dem Knäuel der Kämpfer löste sich ein Freiflieger. Er flog knapp überm Boden, breitete die schwarzen Flügel aus und landete drei Meter vor uns. Das Blut am Schwert der Finsternis schimmerte rosa.

Shokys Junior trat einen Schritt vor, um mich zu decken.

»Du nicht!«, rief der Freiflieger und fuchtelte mit dem Schwert. »Geh weg. Ich will den da.«

Mein Bodyguard wartete. Er schätzte die Kräfte realistisch ein und spielte auf Zeit, um sich nicht in eine hoffnungslose Attacke stürzen zu müssen.

»Du hast es so gewollt!« Der Freiflieger machte einen raschen Ausfall. Shokys Junior duckte sich und versuchte, einen Treffer zu landen. Der Freiflieger parierte den Schlag und ging selbst zum Angriff über. Die Klinge wirkte wie eine Verlängerung seines Arms, seine Bewegungen waren präzise und entschlossen. Mir half der Wahre Blick, seinen nächsten Hieb zu erahnen, aber mein Beschützer verfügte nicht über dieses Können.

Ich jedoch hatte kein Schwert. Das Wahre Schwert musste noch auf meinen Wahren Feind warten – selbst wenn dieser finstere Junge, der mich nicht leiden konnte, inzwischen von dem Freiflieger kurz und klein gehackt wurde. Das sagte mir der kalte, erwachsene Teil meines Ichs, der mir geholfen hatte, das Labyrinth des Schwerts zu durchlaufen. Ich wusste, dass Shokys Junior sterben würde… und dass sein Tod mir jene wertvollen Sekunden sichern würde, in denen Hilfe kam.

Der Freiflieger drängte Shokys Junior gegen einen Felsblock, von denen hier mehr als genug herumstanden. Der Junior brauchte bloß zwei, drei Sekunden, um hochfliegen oder wenigstens auf den Stein springen zu können…

Ich stürzte mich von hinten auf den Freiflieger, auch wenn ich ganz genau wusste, dass ich keine Chance hatte. Er würde meine Bewegung bemerken – und mich mit seinem Schwert mitten im Sprung aufspießen. Ich würde sterben und nicht mal meinen Beschützer retten!

In Sekunden, die sich hinzogen und zu einer Ewigkeit ausdehnten, sah ich mit dem Wahren Blick, wie der Freiflieger den Rücken durchdrückte und das Schwert in seiner Hand erstarrte. Er spürte, wie ich ansetzte, und wartete auf den Schlag im Rücken.

Ich riss meine Hände nach vorn und schubste den Freiflieger mit aller Kraft. Die schwarze Figur schwankte, blieb aber stehen, als wäre sie aus Stein. Ich rutschte aus und fiel hin.

Der Freiflieger drehte sich um, bückte sich, packte mich mit einer raschen Bewegung beim Kragen und riss mich hoch. Sein Gesicht war genau vor meinem, ein erwachsenes, kaltes Gesicht. Und ein erstauntes. Ich nahm seinen Geruch wahr, den scharfen, unangenehmen Geruch von jemandem, der schon kein Mensch mehr war.

»Warum hast du das gemacht?« Die Lippen des Freifliegers bewegten sich fast gar nicht. »Du hättest dich raushalten müssen.«

»Und einfach nur zusehen?«, krächzte ich. Der Kragen schnürte mir die Kehle ab und ich bekam keine Luft mehr.

»Ja. Was sind deine Motive?«

Plötzlich verzerrte Schmerz das Gesicht des Freifliegers. Es wurde ganz grau. Sein Griff lockerte sich. Als ich diesmal fiel, konnte ich mich immerhin noch im letzten Moment mit den Händen abfangen. Auf der Erde sitzend, sah ich die Spitze von einem Schwert, die aus der Brust des Freifliegers herausragte. Shokys Junior hatte unser »Gespräch« nicht zur Flucht genutzt.

»Was sind eure Motive?«, wiederholte der Freiflieger, während er die Schwertspitze mit den Fingern betastete. »Was?«

»Für dich ist es zu spät, das zu begreifen«, antwortete ich, wobei ich ihm in die Augen blickte, die langsam erloschen.

Der Freiflieger, nur noch ein Haufen Schotter, krachte in sich zusammen. Als die Steinhand auf mich zukullerte, sprang ich weg.

»Was ist passiert?« Shoky landete schwerfällig neben uns. Er sah mich kurz an, dann ging er zu seinem Junior, der sein Schwert abwischte.

»Alles in Ordnung, Mission erfüllt«, erklärte der Junge finster. Hach, dieser Held! Mission erfüllt!

Shoky klopfte ihm auf die Schulter und schaute nach oben. Der Kampf am Turm war bereits entschieden. Die Flügelträger hatten die Plattform erobert und stemmten gerade die geschlossene Luke auf. Ihre Schwerter funkelten böse.

»Na, dann wollen wir mal Kleinholz aus dem Turm machen.« Shoky sah länger zu dem Turm hinüber und sagte unvermittelt: »Mein Bruder ist damals hierhergekommen, als er zum Freiflieger werden wollte.«

Ich nahm diese Worte hin, ohne mich darüber zu wundern. »Warten wir mit der Zerstörung noch, Shoky«, sagte ich. »Erst wollen wir uns das Fundament dieses Turms mal näher anschauen.«

Wir stiegen die Wendeltreppe hinunter, Shoky, sein Junior und ich. In einigen Räumen waren noch Flügelträger. Sie wühlten in den Schränken, schauten sich die fremden Waffen an und die Bücher, die mit seltsamen, schnörkeligen Zeichen geschrieben waren. Klar, so oft nehmen die Flügelträger keinen Turm ein! Trotzdem ärgerte mich dieser Beutezug.

Die Treppe führte uns in den Keller. Der war leer und dunkel. Das Visier half mir in dieser absoluten Finsternis nichts. Schimpfend trieb Shoky eine Fackel der Freiflieger auf, deren purpurrotes Licht immerhin besser war als nichts.

»Was suchst du hier unten?«, fragte Shokys Junior plötzlich. Es war das erste Mal, dass er mich ansprach.

»Hier muss irgendwo ein Sonnenstein sein«, antwortete ich hektisch.

»Bei den Freifliegern?« Der Ton des Juniors sagte mehr als tausend Worte.

Ich schaute mich noch einmal im Keller um, einem großen, runden Raum mit einem Steinfußboden.

»Wenn es hier einen Sonnenstein gibt, dann haben die Freiflieger ihn eingemauert«, bemerkte Shoky skeptisch.

Ich widersprach ihm nicht, sondern fing an, nach einer Luke zu suchen. Irgendwann spürte ich einen kalten Luftzug an der Hand, der aus einer Ritze im Boden drang, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen war.

Darunter gab es noch einen Raum, der etwas kleiner war und eine niedrige Decke hatte. In ihm standen Sessel, die zwar ganz gemütlich aussahen, aber aus steinhartem Holz waren. In der Mitte des Raums stand ein großes, niedriges Etwas, das mit einem Tuch aus schwarzem Stoff verhüllt war. Ich trat an das Ding heran und hob das Tuch vorsichtig hoch.

Das Tuch war ein Spiegel! Obwohl der Stoff weich und geschmeidig war, handelte es sich bei seiner Rückseite um einen richtigen Spiegel. Als ich das Tuch zur Hälfte weggezogen hatte, spürte ich eine Welle eisiger Kälte an meinen Beinen.

Shoky schrie auf und schirmte das Gesicht mit der Hand ab, sein Junior wich einen Schritt zurück. Den Spiegelstoff fest gepackt, bewegte ich mich im Rückwärtsgang zu den beiden hin.