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»Ich beschwöre dich, o Gestalt dieses Instrumentes, mit der Autorität Gottes, des allmächtigen Vaters, und auf Grund der Eigenschaften des Himmels und der Sterne, jenen der Elemente, jenen der Steine und Kräuter, und gleichermaßen der Schneestürme, des Donners und der Winde, und schließlich auch auf Grund der Ars magna, in deren Gestalt du gezeichnet bist, daß du alle Macht erhalten mögest, die zur Vollbringung jener Taten und Dinge nötig ist, an deren Vervollkommnung uns gelegen ist — all das ohne Täuschung, Schwindel oder Verfälschung, nach dem Gebot Gottes, des Schöpfers der Engel und Kaisers aller Zeiten. DAMAHIL, LUMECH, GADAL, PANCIA, VELOAS, MEOROD, LAMI-

DOCH, BALDACH, ANERETHON, MITRATON, alierheiligste Engel, seiet ihr Hüter dieses Instruments. Domine, Deus meus, in te speravi . . . Confitebor tibi, Domine, in toto corde meo . . . Quemadmodum desiderat cervus ad fontes aquarum . . . Amen.«

Nachdem er dies gesprochen hatte, nahm Pater Domenico die ›Maschine‹ auf und verdrehte die einzelnen Scheiben gegeneinander. Lulls große Kunst war nicht leicht zu handhaben. Die meisten der möglichen Kombinationen einer Gruppe von Scheiben hatte triviale Bedeutung. Man brauchte Verstand, um zu erkennen, welche davon wichtig, und tiefen Glauben, um zu sehen, welche davon göttlich inspiriert waren. Dennoch hatte diese Kunst gegenüber allen anderen Formen der metaphysischen Befragung einen unschätzbaren Vorteiclass="underline" strenggenommen war sie keine Art von Magie.

Er drehte die Scheiben wie zufällig die vorgeschriebene Anzahl von Malen, griff dann die äußerste am Rande und schüttelte sie nach allen vier Himmelsrichtungen. Er fürchtete beinahe, das Ergebnis anzusehen.

Aber schon bei diesem ersten Versuch hatte die Maschine folgendes hervorgebracht:

GEDULD/WERDEN/WIRKLICHKEIT

Es war die Antwort, die er ebenso sehr erwartet wie gefürchtet hatte. Und es war auch, dessen wurde er sich mit Bestürzung bewußt, die einzige Antwort, die er am Weihnachtsabend erwarten konnte.

Er versorgte die ›Maschine‹ und sein ›Werkzeug‹ wieder in seiner Reisetasche und kroch todmüde ins Bett. — In seinem gegenwärtigen Zustand von Übermüdung und Unruhe hoffte er eigentlich nicht auf Schlaf . . . aber ehe Irtan noch hätte die Sanduhr zweimal kehren können, hatte er die gegenständliche Welt der Phänomene schon verlassen und träumte statt dessen, er fliehe — wie Gerbert, der Papst und Magier — das Heilige Amt, auf einem Teufel durch die Winde reitend. . .

10

Wares Erholungspause währte nicht ganz so lange, wie er vorhergesagt hatte. Schon um Dreikönig war er wohlauf und munter. Zu diesem Zeitpunkt war Baines durch die lange Untätigkeit bereits völlig zermürbt — obwohl nur Jack Ginsberg, der die Anzeichen dafür kannte, es ihm anmerkte. Jack mußte ihn daran erinnern, daß ja auf alle Fälle mindestens zwei Monate vergehen würden, ehe man den Selbstmord Dr. Stockhausens günstigstenfalls erwarten konnte. Er schlug also vor, daß sie inzwischen alle nach Rom zurück und an die Arbeit gehen sollten.

Baines lehnte den Vorschlag ab. Was immer ihn auch bedrücken und beschäftigen mochte, mit Consolidated Warfare Service hatte es höchstens am Rande etwas zu tun . . . Jedenfalls konnte ihn der Gedanke an die Firma gerade noch soweit ablenken, daß er jeden Tag einige unbedingt nötige Telefongespräche führte.

Auch dieser Priester oder Mönch, oder was er eben war, Pater Domenico, war immer noch im Palazzo. Offenbar hatte ihn das grausige Schauspiel nicht getäuscht. Nun, das war wohl Wares Sorge. Immerhin bemühte sich Jack, dem Kleriker so gut wie möglich aus dem Wege zu gehen. Seine Gegenwart erinnerte Jack — in einer seiner seltenen Assoziationen mit seiner Kindheit in der Bronx — an einen wahnsinnigen orthodox-jüdischen Verwandten, der Jacks Familie einmal während einer sehr wichtigen Ehevermittlung besucht hatte.

Gar so verrückt war das alles aber gar nicht. Denn wenn Magie wirklich funktionierte — und Jack hatte mit eigenen Augen gesehen, daß dies der Fall war —, dann ergab sich daraus logisch die Echtheit und Richtigkeit des ganzen metaphysischen Gewebes, das Pater Domenico repräsentierte — von Moses über die Kabbala bis zum Neuen Testament. Nachdem Jack diesen Gedankengang entwickelt hatte, war es ihm nicht nur zuwider, Pater Domenico zu sehen, sondern er begann Alpträume zu haben, in denen es ihm war, als sähe Pater Domenico ihn an.

Ware selbst allerdings erschien offiziell vor dem vorhergesagten vierzehnten Tag nicht und war bis dahin auch für niemanden zu sprechen. Dann aber war — zu Jacks vager Beunruhigung — der erste Mensch, den er in sein Büro bat, Jack Ginsberg.

Jack sah einem Gespräch mit Ware nur wenig freudiger entgegen, als er sich auf eine Disputation mit dem barfüßigen, höflichschweigsamen Pater Domenico eingelassen hätte. Auch war es bei dem gegenwärtigen Geisteszustand von Baines kaum abzusehen, wie die Tatsache, daß Ware ausgerechnet mit Ginsberg zuerst sprechen wollte (und die normalerweise für Baines eine Nebensächlichkeit gewesen wäre), nun auf diesen wirken würde. Nach einer Stunde voll Gewissensqualen legte Jack das Problem Baines selbst vor. Er war nun nicht mehr sicher, ob sein eigener Takt ausreichte, ein derart schwieriges rohes Ei zu behandeln.

»Gehen Sie einfach hin«, sagte Baines. Sonst nichts. Er machte immer noch den Eindruck eines Menschen, der höchstens für Augenblicke von einem einzigen, allbeherrschenden Gedanken abgelenkt werden konnte. Auch das war beunruhigend, aber man schien nichts dagegen tun zu können. Jack setzte seine im Geschäftsleben so nützliche Maske freundlicher Aufmerksamkeit auf, biß darunter die Zähne zusammen und marschierte zu Ware in dessen Büro.

Dort war das Sonnenlicht so hell und unschuldig wie eh und je. Es entströmte dem Meereshimmel über dem Steilabhang. Jack fühlte sich nun wieder etwas mehr in Berührung mit dem, was er bisher für ›das wirkliche Leben‹ gehalten hatte. In der vagen Hoffnung, Ware die Initiative zu entreißen und für sich zu behalten, fragte er den Magier, noch ehe er sich setzte: »Gibt es schon irgendwelche Neuigkeiten?«

»Gar keine«, sägte Ware. »Setzen Sie sich, bitte. Dr. Stockhausen ist, wie ich Ihnen allen schon zu Anfang vorausgesagt habe, ein sehr hartnäckiger ›Patient‹. Es ist sogar möglich, daß er überhaupt nicht fällt. Wenn das eintritt, werden wir uns noch weit mehr anstrengen müssen. Inzwischen aber nehme ich an, daß er doch fällt, und daß ich mich also schon für Dr. Baines’ nächsten Auftrag vorbereiten sollte. Deshalb wollte ich zuerst einmal mit Ihnen sprechen.«

»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, worin Dr. Baines’ nächster Auftrag bestehen wird«, sagte Jack, »aber selbst wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen nicht sagen, ehe er es nicht selbst tut.«

»Sie nehmen alles immer so schrecklich wörtlich und direkt, Mr. Ginsberg. Nein, ich habe Sie nicht kommen lassen, um Sie über die Pläne Ihres Chefs auszuhorchen. Ich weiß bereits, und vorläufig ist mir dieses Wissen genug, daß der nächste Auftrag Mr. Baines’ etwas Großangelegtes sein wird — vielleicht sogar ein einmaliges Experiment in der Geschichte der ›Kunst‹. Also gut. Aber wenn ich ein solches Unterfangen in Angriff nehme, dann brauche ich Assistenten — und ich habe keine Adepten mehr. Heutzutage werden sie schon sehr früh ehrgeizig und machen entweder dumme technische Fehler oder müssen wegen Ungehorsams entlassen werden. Laien, selbst solche, die mit der Magie sympathisieren, sind gleichermaßen unverläßliche Helfer, einfach wegen ihres blinden Eifers und ihrer Unwissenheit. Wenn sie aber ganz ungewöhnlich intelligent sind, dann kann man sie manchmal ohne Gefahr als Helfer heranziehen. Wohlgemerkt: manchmal. Alle diese Einschränkungen erklären, warum ich Ihnen und Dr. Hess erlaubte, die Sache am Heiligen Abend mitzuerleben, und nicht nur Dr. Hess, um dessen Teilnahme mich Dr. Baines ursprünglich gebeten hatte. Es erklärt auch, warum ich jetzt mit Ihnen sprechen will.«