»Ja.«
Pater Domenico, der immer noch im Raum stand, wandte sich rasch der Tür zu. Aber Wares Hand schoß auf ihn zu, als wolle er den Mönch beim Nacken ergreifen.
»Halt!« sagte der Magier. »Ihr Auftrag ist noch nicht erfüllt, Pater Domenico, und innerlich wissen Sie das nur zu gut. Sie müssen dieser ›Sendung‹ beiwohnen und sie beobachten. Was aber noch wichtiger ist: Sie haben selbst gesagt, daß sie sich vielleicht nur schwer in den gewünschten Bahnen halten lassen wird. Deshalb fordere ich Ihren rückhaltlosen Rat bei der Vorbereitung, Ihre Anwesenheit bei der Beschwörung selbst, und, sollte dies nötig sein, Ihre äußersten Anstrengungen, um mir und den anderen Tanisten zu helfen, die ›Sendung‹ zu vereiteln. Das können Sie nicht verweigern — ihre Mission sieht dies ausdrücklich vor, und der ›Pakt‹ bekräftigt es indirekt. Ich zwinge Sie nicht dazu. Ich erinnere Sie lediglich an Ihre positive Pflicht Ihrem Gott gegenüber.«
»Das ist . . . wahr . ..«, flüsterte Pater Domenico verzweifelt. Sein Gesicht war grau wie Löschpapier. Er tastete nach seinem Stuhl und setzte sich wieder.
»Sie haben das sehr tapfer aufgenommen. Ich muß natürlich alle Anwesenden instruieren, aber in Anbetracht Ihrer offenkundigen Bedrängnis möchte ich bei Ihnen den Anfang machen —«
»Eine Frage«, sagte Pater Domenico. »Wenn Sie dann mit Ihren Instruktionen und Ihrer Belehrung für uns alle fertig sind, dann werden Sie für uns vielleicht für einen Monat nicht zu erreichen sein. Ich verlange Zeit, um inzwischen meine Mitbrüder zu besuchen, und vielleicht sogar eine Versammlung aller Weißen Magier einzuberufen —«
»Um mich zu hindern?« stieß Ware zwischen den Zähnen hervor. »Das können Sie nicht verlangen. Der ›Pakt‹ verbietet auch nur die leiseste Einmischung.«
»Das ist mir leider nur allzu schrecklich klar. Nein, nicht um etwas gegen Ihr Vorhaben zu unternehmen, nur um im Katastrophenfall gerüstet und bereit zu sein. Es wäre viel zu spät, wollten Sie sie erst dann zu Hilfe rufen, wenn Sie schon wissen, daß Ihnen die Herrschaft über diese Walpurgisnacht entgleitet.«
»Hm . . . wahrscheinlich ist das eine durchaus vernünftige Vorsichtsmaßnahme, überdies auch etwas, dem ich mich fairerweise nicht entgegenstellen kann. Gut also. Bitte achten Sie nur darauf, daß Sie wieder zurück sind, wenn die Zeit gekommen ist. Hinsichtlich des Tages für unser Vorhaben — was würden Sie vorschlagen? Der Vorabend des 1. Mai wäre der naheliegendste Termin, und wahrscheinlich brauchen wir ohnedies die Zeit bis dahin für unsere Vorbereitungen.«
»Es ist ein zu guter Zeitpunkt, um die Geschichte auch nur einigermaßen in der Hand zu behalten«, sagte Pater Domenico grimmig. »Ich jedenfalls kann nur davon abraten, eine echte Walpurgisnacht ausgerechnet am Tage der formellen abzuhalten. Es wäre weit klüger, eine ungünstige Nacht für Ihr ›Experiment‹ zu wählen — je ungünstiger, desto besser.«
»Auch das ist ein ausgezeichneter, sehr vernünftiger Vorschlag«, sagte Ware. »Also gut, gehen Sie und informieren Sie Ihre Freunde. Hiemit ist das Experiment für Ostern angesetzt.«
Mit einem Schrei schoß Pater Domenico aus dem Zimmer. Hätte man Baines nicht sein ganzes Leben lang gelehrt, daß dergleichen in einem Mann Gottes unmöglich war, so hätte Baines ihn, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, einen Schrei abgrundtiefen Hasses genannt.
13
Theron Ware hatte von einer Reise durch den Antarktischen Kontinent inmitten seiner Blütezeit in der Jura, also vor etwa fünfzig Millionen Jahren, geträumt. Aber leider war der Traum etwas durch persönliche Fantasien verwirrt worden, die sich vor allem mit einem unwesentlichen Feind Wares befaßten, den er in Wirklichkeit schon vor gut zehn Jahren auf besonders grausame Art hatte ›holen‹ lassen. — Er war also nicht traurig, als dieser Traum um Tagesanbruch unvollendet entschwand.
Er erwachte in Schweiß gebadet, obwohl der Traum an sich nicht gerade besonders anstrengend gewesen war. Er brauchte nicht lange zu suchen, um den Grund dafür zu finden: Akhtoi schlief — eine Pfütze aus Fett und Fell — auf seinem Kissen, und hatte Ware schon fast völlig von diesem verdrängt. Ware setzte sich auf, wischte sich das kahle Haupt mit dem oberen Leintuch und blickte mit beinahe neutraler Verärgerung auf den Kater. Selbst für eine abessinische Katze, die ja eine bekannt großknochige Art ist, war der gute Hausgeist schwer übergewichtig. Es war klar, daß eine Diät von nichts anderem als Menschenfleisch offenbar für eine Katze nicht sehr gesund war. Überdies war Ware nicht einmal ganz sicher, daß diese Art Futter auch wirklich nötig war. Nur Eliphas Levi schrieb es vor, und der saugte sich solche Einzelheiten oft buchstäblich aus dem Finger. Zweifellos hatte PHOENIX, dessen Geschöpf Akhtoi war, keine derartige Forderung gestellt. Andererseits war es bei diesen Dingen immer am besten, auf Nummer Sicher zu gehen. Und was übrigens die finanzielle Seite der Sache anlangte, so war Akhtois Menschenfleisch kein allzu gewichtiger Posten. Was an der ganzen Sache am ärgerlichsten war, war die Tatsache, daß der Kater seine schlanke Linie eingebüßt hatte.
Nackt, wie er war, stand Ware auf und durchschritt das kalte Zimmer zu dem Lesepult, auf dem sein Großes Buch lag — nicht das Buch der Bündnisse, das natürlich immer noch sicher in seinem Arbeitsraum verwahrt war, sondern sein Buch des Neuen Wissens. Es war bei dem Abschnitt mit dem Titel
QUASARE
aufgeschlagen, aber außer einem kurzen Absatz, in dem die bisher vorhandenen verläßlichen wissenschaftlichen Informationen über das Thema zusammengefaßt waren — wahrlich ein äußerst kurzer Absatz — war die Seite noch leer.
Nun, das — wie so vieles andere auch — konnte ruhig warten, bis Baines’ Projekt durchgeführt war. Wahrhaft ungeheure Fortschritte im Großen Buch des Neuen Wissens waren sicherlich zu machen, lag erst all das Geld von CWS in der Bank.
Die Zeit, in der Ware sich von allen zurückziehen mußte, hatte Baines und seine Mitarbeiter wieder etwas ziellos gemacht. Um die Wahrheit zu sagen, waren sie alle — sogar Baines selbst — vom Ausmaß dessen, was sie sich vorgenommen hatten, doch etwas erschüttert. Bei Baines und Dr. Hess bestanden noch winzige Spuren von Zweifel an der Durchführbarkeit des Vorhabens. Wenigstens waren sie — trotz der Erscheinung des MARCHOSIAS, deren Zeugen sie geworden waren — nicht ganz in der Lage, sich vorzustellen, wie alles sein würde. Jack Ginsberg aber war durch nichts dergleichen mehr geschützt — jetzt nicht mehr, da er doch jeden Morgen beim Erwachen noch den Geschmack der Hölle selbst in seinem Mund verspürte. Ginsberg war wohl seiner Bestimmung mit Haut und Haar verfallen, aber er hielt sich nicht sehr gut; man würde ihn scharf im Auge behalten müssen. Für ihn würde die Zeit des Wartens besonders schwer werden. Nun, daran ließ sich nun nichts mehr ändern — so war es eben vorgeschrieben.
Der Kater entrollte sich, gähnte, taumelte zierlich auf die Füße und hielt an der Bettkante inne. Er blickte hinunter, als sähe er in das Innere des Kraters des Fujiyama hinab. Schließlich landete er mit einem doppelten splat! auf dem Boden. Es klang wie der Aufprall zweier vollgesogener Schwämme. Dann machte der Kater wieder einen krummen Rücken, streckte seine Hinterbeine, eines nach dem anderen, in einer wahren Ekstase des Zitterns von sich und ging dann langsam auf Ware zu. Dabei schwang sein felliger Bauch von einer Seite auf die andere. »Hein?« sagte der Kater mit einer Frauenstimme, die sexy klang.
»Gleich«, sagte Ware, der anderes im Kopf hatte. »Du kriegst dein Futter, wenn ich meines bekomme.« Er hatte im Augenblick vergessen, daß er soeben ein neuntägiges Fasten begonnen hatte. Sobald er damit fertig war, mußte er auch Baines und seine Gehilfen dazu veranlassen, sich so einer Fastenkur zu unterwerfen.