»Ewiger Vater, o Du, der Du über Cherubim und Seraphim thronst, der Du die Erde und das Meer siehst, zu Dir erhebe ich meine Hände, und flehe um einzig und allein deine Hilfe, Du, der Du die Erfüllung aller Werke bist, der Du reichen Lohn denen gibst, die da arbeiten, der Du die Stolzen erhöhst, Du Zerstörer allen Lebens, Du Erfüllung der Werke, der Du Beute gibst jenen, die Dich anrufen. Schütze und verteidige mich bei meinem Unternehmen, Du, der Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen! — Kusch, Akhtoi!«
Überhaupt war es schon Jahre her, seit er auch nur für einen Augenblick geglaubt hatte, Akhtoi sei wirklich hungrig. Vielleicht brauchte der Kater einmal richtig mageres Fleisch statt all diesem Babyspeck — aber Totgeburten waren eben immer noch das Futter, das sich am leichtesten für ihn auftreiben ließ.
Ware läutete Gretchen und ging dann in sein Badezimmer. Dort ließ er die Wanne vollaufen und schüttete eine Unze bezaubertes Wasser hinein, das ihm von der Vorbereitung eines Pergaments übriggeblieben war. Akhtoi, der, wie die meisten Abessinier, fließendes Wasser liebte, sprang auf den Rand der Wanne und versuchte, mit den Pfoten nach Luftblasen zu haschen. Ware stieß den Kater von seinem Sitz, setzte sich selbst ins warme Wasser und begann, den dreizehnten Psalm zu rezitieren: Dominus illuminatio mea . . ., der von Tod und Auferstehung kündete. Seine Stimme klang in dem gekachelten Raum hohl wider. Er fügte dann noch hinzu: »Herr, der Du den Menschen aus nichts geschaffen hast, in Deinem eigenen Ebenbilde, und auch mich, den unwürdigen Sünder — laß Dich bestimmen, ich bitte Dich, dies Wasser hier zu segnen und zu heiligen, so daß aller Irrtum von mir weiche, zu Dir, o Allmächtiger und Unaussprechlicher, der Du dein Volk aus Ägypten geführt hast und es trockenen Fußes durch das Rote Meer gelangen ließest, salbe und weihe mich, wenn es so Dein Wille ist, o Vater der Sünden. Amen.«
Damit glitt er vollständig, von den Zehen bis zum Scheitel, unter Wasser — aber nicht sehr lange, denn in der Unze geweihten Wassers, die er in sein Bad geschüttet hatte, war vom Gerben des Lammfelles her noch eine Spur ungelöschter Kalk (sic!) enthalten, die ihm nun in die Augen geriet. Er kam hoch und schnaubte wie ein Wal. Rasch sagte er in die dunstige Luft hinein: »Dixit insipiens in cordo suo — wirst du jetzt bitte aus dem Weg gehen, Akhtoi? — der Du mich nach deinem Ebenbilde und Angesicht geformt hast, ich bitte Dich, dies Wasser hier zu segnen und zu heiligen, so daß es mir helfe zur Erfüllung meiner Seele, meines Leibes und meines Zieles hier auf Erden. Amen.«
»Hein?«
Jemand klopfte an der Tür. Immer noch mit zusammengekniffenen Augen tastete sich Ware hinaus. An der Schwelle traf er auf Gretchen, die seine Hände und sein Gesicht dem Ritus gemäß mit einem besprengten weißen Tuch trocknete und sich dann vor ihm zurückzog, während er in sein Schlafzimmer schritt. Nun, da seine Augen nicht mehr tränten, konnte er sehen, daß sie nackt war. Aber, da er ja wußte, was sie war, konnte er ihr kaum viel Interesse abgewinnen. Übrigens hatte er ja auch, wie alle Mitglieder religiöser Orden, seit Anbeginn seiner Liebe für die Magie den Zölibat gehalten. Ihre Nacktheit entsprach nur einer der strengen Regeln für den Ritus der Lustration oder Reinigung. Er winkte sie beiseite, machte drei Schritte auf sein Bett zu, auf dem er schon seine Roben vorbereitet hatte, und sagte nach allen Ecken der phänomenellen und epiphänomenellen Welt:
»ASTROSCHIO, ASATH, ä sacra BEDRIMUBAL, FELUT, ANABOTOS, SERABILIM, SERGEN, GEMEN, DOMOS, der Du thronest über den Himmeln, der Du die Tiefen schaust, erlaube mir, daß ich jene Dinge, die ich im Geiste plane und erfinde, auch durch Dich ausführe, und daß sie vor Dir rein erscheinen! Amen.«
Gretchen ging hinaus und wackelte dabei mit ihren schorfigen Arschbacken. Ware begann nun mit dem Ritus der Bekleidung. »Hein?« sagte Akhtoi klagend, aber Ware hörte nicht hin. Sein Triduum hatte nun fromm im Wasser begonnen und würde von ihm strikt eingehalten werden, bis das Ende in Blut kam. Da würde man dann ein Lamm, einen Hund, eine Henne und eine Katze zur Schlachtung benötigen.
4. Die letzte Beschwörung
Es gibt zwei gleiche, wenngleich entgegengesetzte Irrglauben, in die unser Geschlecht hinsichtlich der Teufel verfallen kann. Der eine ist, nicht an ihre Existenz zu glauben. Der andere ist, an ihre Existenz zu glauben und ein übermäßiges oder ungesundes Interesse an ihnen zu fühlen. Sie selbst sind über beide Arten von Verwirrung gleichermaßen erfreut und begrüßen den Materialisten wie den Magier mit gleicher Freude.
Tatsächlich stehen wir vor einem grausamen Dilemma. Wenn die Menschen aufhören, an unsere Existenz zu glauben, verlieren wir all die erfreulichen Früchte direkten Terrors, und wir können auch keine Magier machen. Wenn sie aber andererseits an uns glauben, dann können wir aus ihnen keine Materialisten oder Skeptiker machen. Wenigstens noch nicht . . . Wenn wir aber erst einmal unser vollkommenstes Werk hervorbringen können — den materialistischen Magier, den Menschen, der, was er vage ›Kräfte‹
nennt, nicht nur verwendet, sondern ihnen sklavisch ergeben ist, während er das Vorhandensein von ›Geistern‹ leugnet — dann erst ist das Ende des Krieges in Sicht.
THE SCREWTAPE LETTERS Aus C. S. Lewis
14
Die Reise nordwärts zum Monte Albano fiel Pater Domenico trotz der starken Schneefälle relativ leicht. Einen großen Teil der Strecke konnte er im Schnellzug zurücklegen. Es schien ihm selbst absurd, daß er sich über den Schnee solche Sorgen machte. Wenn es so weiterschneite, dann würde es im Frühling böse Überschwemmungen geben. Aber das war, weiß Gott, nicht das schlimmste Unheil, das dieser Frühling bringen konnte.
Nachdem er die Reise hinter sich hatte, schien alles schiefzugehen. Nur etwa die Hälfte der Weißen Magier der Welt, jedenfalls eine sehr kleine Zahl von all denen, die eingeladen worden waren, hatten zu der Tagung kommen können oder die Reise der Mühe wert gehalten. Einer der größten unter ihnen, der bejahrte Archivar Pater Bonfigliolo, hatte zwar den weiten Weg aus Cambridge zurückgelegt, mußte aber erfahren, daß er der Strapazen, sich den Berg hinauftragen zu lassen, nicht gewachsen war. Jetzt lag er mit einem Herzinfarkt im Spital am Fuße des Berges und man zweifelte an seiner Gesundung.
Glücklicherweise hatte Pater Ucello kommen können. Auch Pater Montieth war hier, der ehrwürdige Meister einer ganzen Horde schöpferischer (doch leider oft eher untüchtiger) Geister der zislunaren Sphäre; Pater Boucher, der in Verbindung mit irgendeinem Intellekt der jüngeren Vergangenheit stand, der weder ein Sterblicher noch aber eine ›Kraft‹
gewesen war. Dieser Kontakt sah fatal nach Zauberei und Totenbeschwörung aus, war aber weder das eine noch das andere. Auch Pater Vance war gekommen, in dessen Geist Visionen von Arten der Magie herumschwammen, die aller Wahrscheinlichkeit nach den Menschen noch einige Millionen Jahre lang nicht verständlich sein, geschweige denn von ihnen anwendbar sein würden; Pater Anson, ein wortkarger Mann mit dem Verstand eines Ingenieurs, dessen Spezialität es war, Klarheit in die verworrenen Hirne von Politikern zu bringen; Pater Selahny, ein erschreckender Kabbalist, der in Parabeln sprach und dem man nachsagte, daß seit den Zeiten des Leviathan noch keiner seinen Rat verstanden hätte; Pater Rosenblum, ein ernster, strenger Bär von einem Mann, der in knappen Worten Unheil und Katastrophen vorhersagte und dessen Vorhersagen immer eintrafen; Pater Atheling, ein glasäugiger Grimoirist, der seltsamen Sinn und prophetische Bedeutung in gewissen Teilen der Rede seiner Mitmenschen sah und der dauernd allen in einer aufgeregten, nasalen Stimme Vorträge hielt, bis der Direktor ihn in die Bibliothek ins Exil schicken mußte, aus dem er nur hervorkommen durfte, wenn er seine magischen Kräfte anwenden sollte .. . Außer den Genannten gab es dann noch eine Anzahl weniger bedeutender Weißer Magier und deren Akolyten.