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Der Portier nickte steif. »Sehr wohl, Mister Bensen. Wenn Sie in der Zwischenzeit im Salon Platz nehmen würden ...« Seine Hand deutete eine Bewegung zur offenstehenden Tür des Salons hin an. Bensen grinste, drehte sich herum und ging wortlos in die angedeutete Richtung. Sein Begleiter folgte ihm. Hinter ihnen blieb eine zweite Spur feuchtglänzender Schuhabdrücke auf den teuren Teppichen zurück.

Bensens Grinsen erlosch schlagartig, als sie den Salon betraten und er sah, daß sie allein waren. Er blieb stehen, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und tauschte einen raschen, nervösen Blick mit Norris. Seine Hände zitterten fast unmerklich, und in seinen Augen war ein beinahe ängstliches Flackern. Aber er sagte kein Wort, sondern steuerte schweigend einen der Tische an, ließ sich auf einen Stuhl sinken und stützte die Unterarme auf der weißen Leinendecke. »Hoffentlich ist er da«, sagte er.

»Ich habe kein gutes Gefühl dabei«, murmelte Norris. »Laß uns verschwinden, solange noch Zeit ist, Lennard.« Er hatte ebenfalls Platz genommen, saß aber in seltsam verkrampfter Haltung da. Es war ihm anzusehen, daß er sich alles andere als wohl in seiner Haut fühlte.

Bensen schüttelte entschieden den Kopf. »Das kommt nicht in Frage«, sagte er. »Wenn du Schiß hast, dann laß mich reden und halt die Klappe. Du wirst sehen, es lohnt sich.«

»Das hat Mahoney auch gedacht«, erwiderte Norris halblaut. Seine Stimme zitterte, als er den Namen aussprach. Bensen sah, wie sich seine Hände rasch zu Fäusten schlossen und wieder entspannten. Sein Gesicht war bleich, beinahe grau.

»Es wird schon alles gutgehen«, sagte Bensen mit übertrieben gespieltem Optimismus. »Du wirst sehen - dieser Phillips spuckt mehr aus als lächerliche hundertfünfzig Pfund. Sehr viel mehr. Und wenn nicht, können wir immer noch zur Polizei gehen und einen Unfall melden.«

»Unfall!« krächzte Norris. »Daran glaubst du doch selbst nicht.«

»Natürlich nicht«, erwiderte Bensen. »Genau darum bin ich hier, Fred. Ich will wissen, was da draußen wirklich passiert ist. Und wenn dabei noch ein paar Pfund extra herausspringen - um so besser. Du -?« Er verstummte mitten im Satz, als draußen auf der Treppe das Geräusch rascher Schritte laut wurde, sah auf und wandte sich zur Tür.

Augenblicke später betrat ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann den Raum, blieb einen Moment unter der Tür stehen und kam dann mit schnellen Schritten auf den Tisch zu.

»Mister ... Bensen?« fragte er.

Bensen nickte, Phillips hatte sich verändert - er wirkte müde, sein Gesicht war eingefallen und von den Spuren tiefer Erschöpfung gezeichnet, und seine Haltung war nicht mehr ganz so aufrecht und kraftvoll. Bensen hatte ihn nur einmal gesehen, und auch da nur für wenige Augenblicke und aus großer Entfernung. Aber ein Gesicht wie dieses vergaß man nicht so rasch. Er stand auf, streckte Phillips die Hand entgegen - die dieser ignorierte -, setzte sich wieder und wartete, bis Phillips sich ebenfalls einen Stuhl herangezogen und darauf Platz genommen hatte.

»Ich glaube nicht, daß wir uns kennen«, begann Phillips nach einer Weile. »Oder?«

»Wir haben uns kurz gesehen«, antwortete Bensen. »Unten im Black Sheep, letzte Woche. Erinnern Sie sich?«

Phillips schwieg einen Moment, als müsse er erst darüber nachdenken, ob und warum er in der kleinen Hafenkneipe am anderen Ende der Stadt gewesen war. Dann nickte er. »Ja. Jetzt erinnere ich mich.«

»Gut«, sagte Bensen. Phillips' gekünsteltes Gehabe brachte ihn allmählich in Wut. Dieser hochnäsige Fatzke wußte ganz genau, wer sie waren und was sie hier wollten. Er spielte nur den Dummen. Nun, dachte er zornig, er würde jede Minute, die er ihn und Norris weiter warten ließ, teuer bezahlen. Sehr teuer.

»Wir haben uns ein bißchen an der Küste umgesehen«, fuhr er fort. »Und ich glaube, wir haben gefunden, wonach Sie suchen, Mister Phillips.«

Phillips blieb äußerlich vollkommen ruhig. Der gelangweilte Ausdruck auf seinem Gesicht vertiefte sich sogar noch um einige weitere Nuancen. Aber das Flackern in seinem Blick konnte er nicht ganz unterdrücken. Bensen änderte in Gedanken die Summe, die er fordern würde, noch einmal nach oben.

»Wir haben das Schiff«, sagte er noch einmal, als Phillips immer noch nicht reagierte. »Es liegt direkt vor der Küste. Nur ein paar Meilen von hier. Sie haben eine Belohnung von -«

»Nicht so schnell, junger Mann«, unterbrach ihn Phillips sanft. »Ich glaube Ihnen gerne, daß Sie irgendein Wrack gefunden haben. Aber die Belohnung, die ich in Aussicht gestellt habe, gilt für ein ganz bestimmtes Schiff. Sagen Sie mir die genaue Position, und ich werde nachprüfen, ob es sich wirklich um die LADY handelt. Wenn ja, bekommen Sie und Ihr Freund unverzüglich Ihr Geld.«

Bensen lächelte kalt. »Nein«, sagte er.

Diesmal gelang es ihm, Phillips wenigstens für einen Moment aus der Fassung zu bringen. »Wie bitte?« fragte er. »Was soll das heißen?«

»Nein«, wiederholte Bensen. »Nein bedeutet nein, Mister Phillips. Nn-e-i-en, verstehen Sie? Sie bekommen die Lage nicht von mir. Nicht für hundertfünfzig Pfund. Ich werde von hier aus ...«

Phillips atmete hörbar ein. »Hören Sie, junger Mann«, sagte er scharf. »Wenn Sie glauben, mich unter Druck setzen zu können, dann ...«

»Werden wir direkt zur Polizei gehen und dem Constabler die ganze Geschichte erzählen«, fuhr Bensen unbeeindruckt fort. »Wer weiß - vielleicht interessieren sich ja auch noch andere für das Wrack. Und vielleicht werden Sie eine Menge unangenehmer Fragen beantworten müssen, wenn die Polizei erfährt wie scharf Sie auf dieses Schiff sind.«

Es war ein Schuß ins Blaue, aber er traf. Phillips' Gesicht verlor sichtbar an Farbe. Sein Adamsapfel hüpfte nervös auf und ab, und seine Hände schlossen sich so fest um den Griff des dünnen schwarzen Stöckchens, das er ständig mit sich herumschleppte, als wolle er ihn zerbrechen.

»Was ... meinen Sie damit?« fragte er stockend.

Bensen verbiß sich im allerletzten Moment ein triumphierendes Grinsen. Er hatte gewonnen, das spürte er. Er tauschte einen raschen Blick mit Norris, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er weiterredete: »Es hat einen Toten gegeben, Mister Phillips«, sagte er.

»Einen ... Toten?«

Bensen nickte. »Dieses Wrack da draußen«, sagte er, jedes Wort genau überlegend, »für das Sie sich so brennend interessieren, ist kein normales Schiffswrack. Es hat irgend etwas damit auf sich, und ich möchte wissen, was.«

Phillips wurde zusehends nervöser. »Wie kommen Sie darauf?« fragte er. »Es stimmt - auf dem Schiff befinden sich gewisse ... Papiere. Papiere, die für mich von äußerstem Wert sind. Wenn Sie mir die Lage mitteilen und es sich wirklich um die LADY handelt, bin ich gerne bereit, die Belohnung -«

»Hören Sie auf, Phillips«, unterbrach ihn Bensen wütend. »Sie wissen so gut wie ich, daß es das Schiff ist, nach dem Sie suchen. Und ich bin ziemlich sicher, daß Sie auch wissen, was unserem Freund zugestoßen ist. Wir haben uns ein bißchen umgesehen, wissen Sie? Wir waren zu dritt: ich, Fred hier, und ein Freund von uns. Wir sind rausgeschwommen und getaucht, um ganz sicherzugehen. Aber einer von uns ist nicht wieder hochgekommen.«

»Ihr Freund ist... ertrunken?« fragte Phillips erschrocken.

Bensen starrte ihn wütend an. »Nein«, sagte er. »Das ist er nicht. Irgend etwas hat ihn umgebracht. Und Sie wissen, was.«

Zehn, zwanzig Sekunden lang starrte Phillips ihn ausdruckslos an. Dann stand er auf, so hastig, daß sein Stuhl scharrend zurückflog und umkippte, umklammerte seinen Stock mit beiden Händen und atmete hörbar ein. »Sie sind verrückt, Mister Bensen«, sagte er steif. »Ich bedauere das Unglück, das Ihrem Freund zugestoßen ist, aber nach dem, was Sie erzählen, trifft wohl eher Sie die Schuld daran, als mich.«