Ich weiß nicht, wie lange es dauerte - wahrscheinlich nur wenige Augenblicke, denn ich war nicht einmal in der Lage, zu atmen, und wäre erstickt, hätte es länger gedauert, aber hinterher kam es mir vor, als hätte ich stundenlang dagelegen, starr und gelähmt und stumm, gebadet in ein Meer unerträglicher Schmerzen und Qual.
Als es vorbei war, war ich fast zu schwach, um zu atmen. Der Druck ließ mit einem plötzlichen Ruck nach. Die Stahlfedern, die sich um meinen Körper zusammengezogen hatten, entspannten sich, der Schmerz erlosch, und ich konnte wieder atmen.
Mühsam setzte ich mich auf, lehnte mich gegen die Wand unter dem Fenster und atmete tief und beinahe gierig ein. Meine Glieder zitterten, und hinter meiner Stirn schien etwas Graues, Form- und Körperloses zu brodeln. Ich stöhnte, hob die Hand und fühlte frisches, warmes Blut an meiner Stirn. Die Wunde war wieder aufgeplatzt, als ich gefallen war.
Es dauerte lange, bis ich wieder fähig war, einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen. Was war geschehen? Der Schmerz war unvorstellbar gewesen, aber er war mit nichts zu vergleichen, was ich jemals zuvor erlebt hatte. Es war, als ... ja, als versuche eine unsichtbare Kraft, jede einzelne Faser meines Körpers von innen heraus zu zerreißen und in eine andere, neue Form zu pressen. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl gehabt, aus meinern eigenen Körper herausgerissen zu werden.
Ich stöhnte wieder. Der Laut klang fremd in meinen eigenen Ohren. Es war meine Stimme, natürlich, und trotzdem erschien sie mir für einen Moment fremd, fremd und beinahe abstoßend. Ich fror. Gleichzeitig war mir kalt, als erstarre irgendwo in mir etwas zu Eis. Panik kroch wie eine graue Welle in mir empor und drohte das bißchen, das von meinem klaren Denken noch übriggeblieben war, zu verwirren. Nur mit äußerster Mühe gelang es mir, sie zurückzudrängen. Das dröhnende Hämmern meines Herzschlages beruhigte sich langsam, aber ich blieb noch lange reglos und mit geschlossenen Augen unter dem Fenster sitzen, jederzeit auf einen neuen Anfall gefaßt und bereit, dagegen zu kämpfen. Aber er kam nicht, und nach einer Weile wagte ich es, die Augen wieder zu öffnen und mich umzusehen.
Das Zimmer hatte sich verändert.
Ich vermochte nicht zu sagen, worin die Veränderung bestand; eigentlich war alles so, wie es gewesen war, und trotzdem wirkte es anders, so wie der Klang meiner eigenen Stimme zuvor: gleichzeitig fremd und doch vertraut. Alle Dinge und Gegenstände waren an ihrem Platz und unverändert, und gleichzeitig wirkten sie seltsam falsch, die Winkel der Wände nicht ganz richtig, die Farben der Flammen im Kamin greller und bunter - und gleichzeitig wärmer - als zuvor, die Linien der Möbel irgendwie verschoben, auf absurde Weise in sich selbst gekrümmt und verdreht. Es war, als gehöre alles, was ich sah, plötzlich nicht mehr meiner vertrauten Welt, sondern einem anderen, fremden Universum an, dessen Geometrie und Naturgesetze nicht die unseren waren. Ich sah Farben, die es nicht gab, und Winkel, die mehr als dreihundertsechzig Grad hatten, Linien, die parallel verliefen und sich trotzdem kreuzten und wanden, Dinge mit nur einer Fläche ... Es war ungefähr so, als versuche man, sich einen eckigen Kreis vorzustellen - es ging nicht. Und wenn doch, dann wurde man wahnsinnig.
Ich schrie auf, schloß die Augen, schlug verzweifelt die Fäuste vor die Lider und versuchte, die Bilder aus meinem Bewußtsein zu vertreiben, aber es gelang mir nicht. Was ich gesehen hatte, war unmöglich. Unmöglich!
Und trotzdem hatte ich es gesehen.
Dann hörte ich die Geräusche. Es waren keine Laute, die ich beschreiben konnte, sondern dumpfe, unbegreifliche, fremde und qualvolle Töne, ein dumpfes, arhythmisches Hämmern, das Besitz von meinem Körper ergriff und jede einzelne Nervenfaser vibrieren ließ, selbst meinen Herzschlag in seinen hypnotischen Bann zog, ein Kratzen und Scharren wie von Millionen und Abermillionen horngepanzerter riesiger Insektenfüße, dann eine Stimme, die meinen Namen schrie, aber so fremd und falsch, daß mich das Wort wie ein Peitschenschlag traf. Eine Hand berührte mich an der Schulter, zerrte mich grob auf die Beine und schlug meine Fäuste herunter. Ich schrie, krümmte mich wie unter Schmerzen und versuchte, die Arme wieder zu heben, um nicht sehen zu müssen, nur nicht sehen, dieses grauenvolle Etwas, in das sich mein Zimmer verwandelt hatte, aber die Hände waren wieder da, umklammerten meine eigenen Handgelenke und preßten sie gnadenlos herunter, gleichzeitig griff eine dritte Hand nach meiner Schulter, zwang mich, den Kopf zu heben und begann mich zu schütteln. Instinktiv öffnete ich die Augen.
Der Anblick ließ mich erneut und in blinder Panik aufschreien. Vor mir stand ein Monster. Ein Ungeheuer mit vier Armen und zwei Köpfen, aus denen mich die boshaften Karikaturen menschlicher Gesichter angrinsten. Ich brüllte, riß mich mit der Kraft der Verzweiflung los und schlug blindlings die Faust in eines der Gesichter. Es klatschte, als hätte ich in weichen Brei geschlagen, und ein Gefühl unbeschreiblichen Ekels durchfuhr mich. Eines der Gesichter verschwand, dann huschte ein Schatten auf mich zu, und ein furchtbarer Hieb warf meinen Kopf gegen die Wand.
Der Schmerz ließ die Illusion zerplatzen und riß mich in die Wirklichkeit zurück. Aus dem zweiköpfigen Ungeheuer wurden Howard und Rowlf, und die Dämonenfratze, in die ich geschlagen hatte, verwandelte sich in Rowlfs zorngerötetes Gesicht. Sein linkes Auge war geschwollen und begann sich bereits zu schließen. Meine Hand schmerzte höllisch. Ich starrte ihn an und wollte irgend etwas sagen, aber alles, was ich herausbekam, war ein qualvolles, unartikuliertes Stöhnen.
Howard ergriff mich grob bei der Schulter und zwang mich, ihn anzusehen. »Alles wieder in Ordnung?« fragte er.
Ich nickte. Plötzlich fühlte ich mich schwach, noch schwächer als vorher. Ich taumelte, versuchte mich an der Wand hinter mir abzustützen und fiel. Rowlf fing mich im letzten Augenblick auf und hob mich wie ein Kind auf die Arme.
»Trag ihn ins Bett«, sagte Howard leise. »Aber sei vorsichtig. Es geht schneller, als ich gefürchtet habe.« Ich verstand nicht, was er meinte, aber ich war ohnehin kaum fähig, zu denken. Alles, was ich fühlte, war Angst, panische Angst, Angst, daß ich verrückt werden könnte, aber vielleicht auch Angst, daß alles, was ich erlebt hatte, Wirklichkeit gewesen sein könnte. Ich wußte nicht, was schlimmer war.
Rowlf trug mich behutsam zum Bett zurück, legte mich hin und breitete die Decke über mir aus, als wäre ich ein krankes Kind. »Alles in Ordnung?« nuschelte er. Er versuchte zu lächeln, aber mit seinem blaugeschlagenen Auge gelang ihm das nicht ganz.
»Was ... was war das, Howard?« flüsterte ich. »Mein Gott, was ... was war das?« Trotz meiner Schwäche stemmte ich mich noch einmal hoch und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an.
Howard beugte sich über mich, drückte mich mit sanfter Gewalt zurück und tauschte einen langen, besorgten Blick mit Rowlf. »Nichts«, sagte er dann. »Nichts, worüber du dir Sorgen zu machen brauchtest. Ein Traum.«
»Das war kein Traum!« widersprach ich. »Das war ... mein Gott... das ... das Zimmer hat sich verändert, und ...«
»Es war nicht wirklich«, sagte Howard noch einmal, und diesmal war in seiner Stimme ein neuer, beinahe befehlender Klang. »Reiß dich zusammen, Robert, bitte. Was du erlebt hast, war nur eine Illusion. Es war nicht real. Jedenfalls ... noch nicht.«
»Noch nicht?« wiederholte ich erschrocken. »Was ... was bedeutet das?«
»Ich weiß es nicht, Robert«, antwortete Howard leise. »Wirklich nicht. Ich habe ... einen Verdacht. Eigentlich nicht mehr als eine Ahnung.«