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»Dann sag ihn mir!«

»Nein«, sagte Howard. »Es ist noch zu früh, um darüber zu reden. Morgen um diese Zeit wissen wir vielleicht mehr.«

»Verdammt, es ist mein Leben, das hier auf dem Spiel steht!« brüllte ich. »Ich habe doch wohl ein Recht, zu erfahren, was ...«

Jemand klopfte an die Tür. Howard sprang auf, gebot mir mit einer hastigen Geste zu schweigen, und durchquerte rasch das Zimmer. Die Störung kam gerade im richtigen Augenblick.

Hätte ich es nicht besser gewußt, hätte ich vermutet, daß Howard sie bestellt hatte.

Es war der Hotelportier. Ich erkannte das fuchsgesichtige kleine Männchen sofort wieder, obwohl ich ihn nur einmal kurz gesehen hatte, an dem Tag, an dem wir einzogen. Er schob die Tür, die Howard nur einen Spaltbreit geöffnet hatte, mit der Hand weiter auf und machte Anstalten, unaufgefordert ins Zimmer zu treten, aber Howard verstellte ihm rasch den Weg.

»Ja?« fragte er.

»Ich ... hörte Schreie, Mister Phillips«, sagte der Portier. »Und Lärm. Es hörte sich beinahe wie eine Schlägerei an.« Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um über Howards Schulter hinweg ins Zimmer sehen zu können. Sein Blick blieb für einen Moment auf Rowlfs Gesicht und seinem immer dunkler werdenden Auge hängen.

»Es war nichts«, sagte Howard rasch, »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, aber ...«

»Nach nichts«, unterbrach ihn der Portier spitz, »hörte sich das aber nicht an.«

Howard seufzte. »Mein Neffe hat einen Anfall gehabt«, sagte er. »Aber es ist alles wieder in bester Ordnung.«

»Einen Anfall?« Augenscheinlich war Howards Ausrede nicht die Klügste gewesen, denn der Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes wurde noch lauernder. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Mister Phillips«, sagte er. »Aber unser Hotel ist auf seinen guten Ruf angewiesen. Wenn Ihr Neffe krank ist, dann sollten Sie ihn zu einem Arzt bringen, oder ...«

Howard öffnete seufzend seine Brieftasche, klaubte eine Zehn-Pfund-Note hervor und streckte sie dem Portier zusammengefaltet in die Westentasche. Der Mann verstummte abrupt.

»Sind sonst noch Fragen?« fragte Howard leise. »Ich ... nein, Sir«, antwortete der Mann. »Wenn Ihr Neffe einen Arzt braucht, so ...«

»Dann rufe ich Sie«, versprach Howard. »Ganz bestimmt. Und jetzt entschuldigen Sie bitte nochmals die Störung. Es wird nicht wieder vorkommen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte er die Tür ins Schloß, lehnte sich seufzend dagegen und schloß für ein paar Sekunden die Augen.

»Was war das, Howard?« fragte ich leise.

»Das?« Howard lächelte. »Der Portier. Ein geldgieriger Mann, zu unserem Glück, aber ...« Er verstummte abrupt, als er meinem Blick begegnete. Sein Lächeln erlosch, und ich sah plötzlich wieder, wie müde und erschöpft er war. »In Ordnung, Robert«, sagte er. »Ich erkläre es dir - alles. Aber nicht sofort. Rowlf und ich müssen noch einmal zum Hafen hinunter, aber wir sind in einer halben Stunde wieder hier. Danach haben wir Zeit. Können wir dich so lange allein lassen?«

»Ich denke schon«, sagte ich. In Wirklichkeit zitterte ich innerlich bei dem Gedanken, allein in diesem verhexten Zimmer zu bleiben. Aber irgend etwas sagte mir auch, daß ich sicher war, jedenfalls im Moment.

Howard blickte mich noch einen Augenblick abschätzend an. »Wirklich?«

»Wirklich«, bestätigte ich. »Ich fühle mich schon besser. Und ich verspreche dir auch, ein braver Junge zu sein und nicht wegzulaufen, Onkel.«

Howard grinste. »Also gut. Wir beeilen uns. Komm, Rowlf.« Er ging, so schnell, daß ich nicht einmal Gelegenheit hatte, noch irgend etwas zu sagen oder zu fragen. Die Art seines Weggehens erinnerte mich auf bedrückende Weise an eine Flucht ...

Ich vertrieb den Gedanken, schlug die Bettdecke zurück und setzte mich vorsichtig auf. Nach dem Gefühl der Schwäche, das ich vorhin verspürt hatte, fühlte ich mich jetzt ebenso plötzlich wieder wohl und kräftig, und fast bedauerte ich mein Versprechen, das Hotel nicht zu verlassen, schon wieder.

Nun, ich hatte nicht versprochen, das Zimmer nicht zu verlassen. Immerhin konnte ich hinuntergehen und im Salon einen guten Schluck trinken; etwas, das ich schon seit einer Woche schmerzhaft vermißte. Voller plötzlich neu erwachtem Tatendurst setzte ich mich auf, bückte mich nach meiner Hose und ... erstarrte.

Mein Blick fiel auf die gegenüberliegende Wand. Zwei, drei Sekunden lang starrte ich die weiße Tapete an, dann fuhr ich mit einem nur halb unterdrückten Schrei herum. Aber das Zimmer hinter mir war leer. Im Kamin brannte noch immer das Feuer und verbreitete wohlige Wärme und Licht.

Langsam, mit rasendem Herzen und zitternden Händen, drehte ich mich wieder herum und starrte wieder die Wand an. Es gab keinen Zweifel - der Schatten darauf war mein Schatten, hervorgerufen durch die tanzenden Flammen im Kamin, an den Rändern zerfasert und überlebensgroß. Er sprang im Spiel der Flammen hin und her und war in ständiger Bewegung, als wäre er von eigenem Leben erfüllt, und es war eindeutig mein Schatten. Bloß - es war nicht der Schatten eines Menschen ...

Es war noch früh, und im Black Sheep herrschte kaum Betrieb. Die meisten Stammgäste würden erst gegen Abend kommen, wenn die Arbeit vorbei war, die Fischerboote wieder in den Hafen eingelaufen und die Bauern von den Feldern gekommen waren. An der langen, von zahllosen Brandflecken und Ringen verunstalteten Theke saßen nur zwei einsame Gäste, zwei andere hockten an einem kleinen Tisch unter dem einzigen, dreckverkrusteten Fenster des Lokales und spielten Schach. Trotzdem roch die Luft nach kaltem Rauch und Bier, und der Wirt vor seinen Spiegeln und Flaschenregalen sah schon jetzt genauso übermüdet und mißgelaunt aus wie am späten Abend.

»Warte hier«, sagte Bensen leise. Er ließ Norris' Arm los, ging zur Theke und winkte dem Wirt. Der Mann setzte übertrieben umständlich das Glas ab, an dem er lustlos herumpoliert hatte, warf das Spültuch in die Wasserschüssel und rieb sich die Hände an seiner schmuddeligen Schürze trocken, ehe er sich gemächlich in Bewegung setzte.

»Bensen«, knurrte er. »Was treibt dich her? Willst du deine Schulden bezahlen?«

»Morgen«, erwiderte Bensen automatisch. »Ich verspreche es, Hal.« Er sah sich mit übertriebener Gestik im Raum um. Die beiden Schachspieler waren weiter in ihr Spiel vertieft und nahmen offensichtlich von nichts Notiz, was rings um sie herum vorging, aber die beiden anderen Zecher an der Theke hatten ihr Gespräch unterbrochen und sahen mit unverhohlener Neugier zu ihm und Norris hinüber. »Ist das Hinterzimmer frei?« fragte er.

Hal nickte automatisch. »Sicher. Aber -«

»Dann bring uns zwei Bier dorthin«, unterbrach ihn Bensen. »Und paß ein bißchen auf, daß uns keiner stört.«

»Sonst nichts?« knurrte Hal unfreundlich. »Die beiden Ale darf ich doch sicher wie gewöhnlich anschreiben, oder?«

»Du bekommst dein Geld, Hal«, antwortete Bensen ungeduldig. »Morgen abend. Spätestens,«

Hal schien noch etwas sagen zu wollen. Aber dann seufzte er nur, drehte sich um und nahm wortlos zwei Halbliter-Gläser vom Regal, drehte den Zapfhahn um und ließ dunkles Ale in eines der Gläser laufen. Bensen lächelte kurz und gab Norris einen Wink. Rasch, aber trotzdem so, daß ihre Schritte nicht übertrieben hastig wirkten und sie noch mehr Aufsehen erregten, durchquerten sie den Schankraum, gingen durch einen kurzen Flur und betraten das Hinterzimmer.

Der Raum war dunkel. Die Vorhänge waren zugezogen, und die Luft war so schlecht, daß Norris zu husten begann. Bensen deutete mit einer Kopfbewegung auf den grünbezogenen Spieltisch; neben den vier Stühlen, die sich um ihn gruppierten, der zerschlissenen Billardplatte und den unvermeidlichen Dartscheiben an den Wänden die einzigen Einrichtungsgegenstände des Zimmers, eilte zum Fenster und riß die Vorhänge auf. Helles Sonnenlicht strömte in den Raum und ließ den Staub tanzen. Bensen hustete ebenfalls, entriegelte das Fenster und öffnete es einen Spaltbreit. Die Novemberluft strömte eisig herein und ließ ihn frösteln, aber er konnte wenigstens wieder atmen, ohne ununterbrochen husten zu müssen.