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Die Steilwand raste auf ihn zu, und Bensen reagierte, ohne zu denken. Er tauchte, versuchte den Schwung der Welle auszunutzen, statt vergeblich dagegen anzukämpfen, drehte sich unter Wasser und fing den Anprall mit den Beinen auf. Ein heftiger Schmerz zuckte durch seine Fußgelenke. Die Welle zerschmetterte ihn nicht, wie sie es getan hätte, hätte sie ihn mit aller Gewalt gegen die Wand geworfen, aber er fühlte, daß er einer dritten Woge nicht widerstehen würde.

Irgendwie schaffte er es, den Kopf noch einmal über Wasser zu bekommen und sich die Lungen voller Luft zu pumpen. Die Woge begann ins Meer zurückzustürzen, aber hinter ihr rollte bereits die nächste Welle heran, eine glitzernde, tödliche Wand stahlharten Wassers, die ihn gegen die Küste werfen und zerschmettern würde.

Dann sah er die Höhle.

Es war nur ein schmaler, dreieckiger Einschnitt im Fels, schon halb unter Wasser und im schwachen Licht kaum zu erkennen, nicht mehr als ein Schatten. Aber Angst und Verzweiflung gaben ihm zusätzliche Kraft. Er reagierte rein instinktiv, arbeitete sich an die Wasseroberfläche und warf sich mit ausgebreiteten Armen nach vorne und nach rechts.

Er schaffte es.

Beinahe.

Die Brandung warf ihn gegen den Fels wie ein Stück Treibholz, schrammte seinen Körper über den Stein und preßte ihn in die Höhle wie einen Korken in einen Flaschenhals. Bensen spürte, wie sich sein linker Arm irgendwo verfing. Sein Schrei erstickte in dem Schwall eiskalten, brodelnden Wassers, der mit ihm in die Höhle drang und ihn weiterspülte. Er schlitterte weiter; sein Gesicht schrammte über harten Fels, irgend etwas traf seine Brust, dann ebbte die Kraft der Welle endlich ab, und Bensen prallte mit einem letzten Schlag gegen den Fels und blieb liegen.

Er dachte nicht mehr, aber irgendwie tief in ihm war noch immer der Wille zu überleben. Oder vielleicht auch nur ein Instinkt, eine Kraft, die ihn dazu brachte, sich hochzustemmen und weiterzukriechen, tiefer in die Höhle hinein und fort vom Eingang.

Als die nächste Welle herantobte, war er in Sicherheit. Das Wasser schlug noch immer über ihm zusammen und riß ihn von den Füßen, aber seine vernichtende Kraft war gebrochen. Bensen kroch noch ein Stück weiter, zog sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einen flachen Steinhaufen hinauf und brach endgültig zusammen.

Er verlor das Bewußtsein nicht, aber er dämmerte für lange Zeit in einer Art Trance dahin, einem schmalen Bereich zwischen Wachsein und Agonie, in dem es nur Schmerzen und Übelkeit und ein fast aberwitziges Gefühl von Wohlbefinden gab, das irgendwie parallel zu den Schmerzen bestand und ihn am Leben erhielt.

Irgendwann hörte der Sturm auf, gegen die Küste anzurennen, und irgendwann, noch später, hob Bensen müde den Kopf und blickte aus geschwollenen, halb geschlossenen Augen zum Ausgang der Höhle.

Der Orkan tobte noch immer über dem Meer, und der Himmel über dem Ozean war zerrissen vom Flackern unzähliger, immer dichter aufeinanderfolgender Blitze. Der Donner war einzeln nicht mehr wahrnehmbar, sondern hatte sich zu einem anhaltenden, vibrierenden Grollen gesteigert, ein Geräusch wie ferner Geschützdonner, der das Land und die See erbeben ließ.

Irgend etwas war nicht so, wie es sein sollte.

Es dauerte, bis der Gedanke an Bensens verschleiertes Bewußtsein drang, und es dauerte noch länger, bis er begriff, was es war.

Der Sturm, dachte er. Der Sturm tobte weiter, vielleicht noch wütender als zuvor, aber hier, direkt vor der Höhle und dem Strand, zu dem er herabgestiegen war, ehe der Orkan mit voller Wut losbrach, war das Meer ruhig geworden.

Bensen versuchte aufzustehen. Beim ersten Mal gaben seine Beine unter dem Gewicht seines Körpers nach. Er fiel, rutschte von dem Steinhaufen, auf dem er Schutz gesucht hatte, herunter, und blieb sekundenlang stöhnend liegen. Plötzlich spürte er all die zahllosen Wunden und Hautabschürfungen, die seinen Körper bedeckten.

Trotzdem stemmte er sich noch einmal hoch, zwang seine protestierenden Muskeln, ihm zu gehorchen, und erhob sich schwankend auf die Füße. Die Höhle drehte sich vor seinen Augen. Er taumelte, streckte einen Arm aus und tastete sich an der Wand entlang zum Ausgang vor.

Über dem Meer tobte der Orkan mit ungebrochener Wut. Blitz auf Blitz zuckte aus den Wolken und verwandelte den Himmel in ein bizarres Gitternetz weißblau glühender Linien und Striche, und das Land schien sich unter den grollenden Schlägen des Donners zu ducken. Aber vor ihm, entlang des schmalen, sichelförmigen Strandes, war das Meer ruhig wie an einem windstillen Sommertag.

Bensen starrte mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben auf das bizarre Bild hinab. Der Sturm tobte weiter, aber vor ihm, nicht mehr als fünfzig Yards entfernt, verlief eine gerade, wie mit einem übergroßen Lineal gezogene Linie, hinter der die Wellen ruhig und glatt gegen den Strand spülten ... Dann ...

Das Meer begann zu brodeln.

Es war nicht der Sturm oder das Toben der Brandung wie zuvor. Auf dem Wasser erschienen Blasen, groß, ölig und in allen Farben des Regenbogens schimmernd. Winzige Wirbel und Strudel entstanden und vergingen wieder. Grauer Dunst begann sich auf dem Wasser zu kräuseln. Und tief unter der Wasseroberfläche begann sich ein gigantischer grauer Schatten zu bewegen ...

Im ersten Moment glaubte Bensen, es wäre ein Wal, der vom Sturm und den Launen der Strömung an die Küste und in diese kleine Bucht getrieben worden war, aber dann erkannte er, daß der Schatten dafür viel zu groß und zu massig war. Das Ding war größer als ein Schiff, ein Koloß, der die Bucht fast zur Gänze ausfüllte, als wäre der Meeresboden selbst plötzlich zum Leben erwacht.

Das Wasser brodelte. Die Blasen wurden größer und zerplatzten in immer rascherer Folge, und der Wind trug einen fremdartigen, süßlichen Gestank zu Bensen heran, dann begann die Wasseroberfläche zu sieden, und etwas Gigantisches, Dunkles brach schäumend durch das Meer.

Es war ein Schiff. Das Wrack eines Schiffes, nur der hintere Teil mit den Achteraufbauten und zwei der ehemals vier Balken, aber noch immer groß, zerborsten von den Gewalten, die es gegen die Barriere aus Riffen geschleudert hatten, und über und über mit Tang und Algen und Muscheln bewachsen. Etwas Grünes, Glitzerndes umschlang seinen Rumpf.

Irgend etwas in Bensen schien zu Eis zu erstarren, als das Wrack des Schiffes schäumend und bebend höher aus dem Wasser tauchte und er mehr erkennen konnte.

Das Schiff tauchte nicht aus eigener Kraft auf, es wurde gehoben! Es war das Ding, das er unter Wasser gesehen hatte, ein monströses, grüngraues Etwas, das ganz aus peitschenden Krakenarmen und grünen Schuppen zu bestehen schien, ein Gigant, dessen Größe allen Naturgesetzen Hohn sprach und in dessen Griff selbst das Schiff klein und zerbrechlich wie ein Spielzeug aussah. Höher und höher stieg das Wrack der LADY OF THE MIST aus dem kochenden Meer, aber ein Ende des gigantischen, aufgedunsenen Balges, der es trug, war noch immer nicht zu erkennen.

Dann explodierte das Wasser unter dem Bug des Schiffwrackes in einer lautlosen, gischtenden Detonation, und Bensen sah das Auge.

Es war größer als ein Mann, ein See aus teigigem Gelb und gestaltgewordener Bosheit ohne Pupille, und sein Blick richtete sich auf ihn ...

Eine unsichtbare Kralle aus Stahl grub sich in Bensens Bewußtsein und löschte alles aus, was jemals in ihm Mensch gewesen war. Bensen schrie auf, taumelte zurück und übergab sich würgend. Für einen kurzen, ganz kurzen Moment spürte er noch Angst, aber auch die verging, und was zurückblieb, war nichts als eine leere Hülle, willenloses Werkzeug einer Macht, die die menschliche Vorstellungskraft überstieg.