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»Die Kiste!« keuchte ich. »Das ist deine Seekiste!«

Mahoney nickte. »Ja. Ich habe sie bereits aus dem Wrack geborgen, weil ich befürchte, daß uns keine Zeit bleibt, lange nach ihr zu suchen.« Er rannte schneller, blieb neben der Kiste stehen und wartete, daß Howard und ich ihm folgten. Sein Atem ging schnell und stoßweise. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß. »Schnell«, keuchte er. »Die ... die Barriere bricht.«

Instinktiv blickte ich über die Schulter zurück. Der Orkan hatte sich zu ungeheurer Wut gesteigert, aber vor dem Strand herrschte noch immer trügerische Ruhe. Wie lange noch? Schon jetzt wurde der Wind selbst hier immer heftiger, und die Wellen rannten immer schneller und höher gegen die unsichtbare Mauer an, die die Bucht und das kleine Boot, mit dem wir gekommen waren, schützte.

Howard kniete neben der Kiste nieder und streckte die Hand nach dem Deckel aus, aber Mahoney schlug seinen Arm mit einer hastigen Bewegung zur Seite. »Nicht!« sagte er. »Du stirbst, wenn du sie berührst, Howard.«

Howard starrte verwirrt zu ihm hinauf. Seine Mundwinkel zuckten.

»Du weißt nicht alles«, erklärte Mahoney gehetzt. »Du weißt, welchen Schatz diese Kiste birgt, Howard, aber du weißt auch, welche ungeheure Gefahr ihr Inhalt in den falschen Händen bedeuten könnte.« Howard nickte. »Und?«

»Ich habe die Kiste magisch gesichert, bevor ich ... bevor ich starb«, erklärte Mahoney stockend. »Es gibt nur einen einzigen Menschen auf der Welt, der sie öffnen kann. Alle anderen würden sterben, wenn sie es auch nur versuchten. Selbst ich.«

»Dann ...«

»Dein Plan hätte keinen Erfolg gehabt, Howard«, fuhr Mahoney ungerührt fort. »Du hast versucht, Robert vom Meer fernzuhalten, weil du Angst hast, daß Yog-Sothoth noch immer hier lauert und Gewalt über ihn erlangen könnte. Aber er ist der einzige Mensch, der das magische Siegel brechen kann.« Er wandte sich an mich. »Tu es, Robert. Schnell.«

Ich kniete gehorsam neben Howard nieder, streckte die Hand unter der Decke hervor und zögerte, Millimeter, bevor meine Finger das verquollene Holz der Kiste berühren konnten. Mein Herz begann zu jagen. »Was ... was muß ich tun?« fragte ich. »Nichts«, antwortete Mahoney/Andara. »Öffne sie, das ist alles. Dir wird nichts geschehen.«

Ich nickte. Aber meine Hände zitterten so stark, daß ich Mühe hatte, den einfachen Schnappverschluß der Kiste zu öffnen. Instinktiv schloß ich die Augen. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte - einen tödlichen Blitz, einen Dämonen, der aus der Kiste sprang und mich verschlang, eine Feuersäule, die vom Himmel stürzte -, ich hatte das sichere Gefühl, daß irgend etwas Schreckliches und Furchtbares geschehen müsse, wenn ich die Kiste öffnete. Aber es geschah nichts. Die Verschlüsse schnappten mit einem metallischen Klicken auf, und der graue Deckel der wuchtigen Kiste schwang wie von Geisterhand bewegt nach oben.

Mahoney stieß einen hellen, keuchenden Laut aus, fiel neben mir in den Sand und beugte sich über die Kiste. »Sie sind unbeschädigt!« keuchte er. »Bei Gott, Robert, du hast es geschafft!«

»Hast du daran gezweifelt?« fragte Howard lauernd.

Mahoney ignorierte ihn. »Schnell jetzt«, sagte er. »Tritt zurück, Robert!«

Ich gehorchte. Mahoney beugte sich über die Kiste, wühlte einen Moment darin herum und forderte ein schmales, in uraltes, hartes Schweinsleder gebundenes Buch zutage. Aber er schlug es nicht auf, wie ich erwartet hatte, sondern richtete sich nur mit einem triumphierenden Keuchen wieder auf und sah Howard und mich an. Seine Augen leuchteten. »Ich habe sie«, murmelte er. »Howard, ich habe sie wieder. Weißt du überhaupt, welche Macht diese Bücher bedeuten?«

Howard stand langsam auf. Seine Bewegungen wirkten gezwungen steif. »Ich weiß es, Roderick«, sagte er. »Was ist mit Robert?«

Mahoney/Andara sah erst ihn, dann mich mit einem sehr sonderbaren Blick an und lächelte plötzlich. »Sicher«, sagte er, in einer Betonung, als rede er über etwas, das ihm um ein Haar entfallen wäre. »Das müssen wir ja auch noch erledigen.« Er hob die Hand, und hinter ihm trat erst eine, dann noch eine zweite Gestalt aus dem zersplitterten Wrack des Schiffsrumpfes.

Howard und ich schrien fast im gleichen Moment auf. Die Blitze tauchten den Strand in taghelles, weißes Licht, Licht, das hell genug war, uns die beiden Gestalten fast überdeutlich erkennen zu lassen.

Nur eine von ihnen war ein Mensch. Die andere ...

Howard stöhnte. »Roderick«, murmelte er. »Das ... das ist ...«

»Ein Shoggote«, sagte Mahoney ruhig. »Aber keine Angst, Howard, er wird euch nichts tun. Komm her, Robert.«

Ich wollte es nicht. Alles in mir schrie danach, herumzufahren und zu rennen, so schnell und so weit ich konnte, aber Mahoney/Andaras übermächtigem Willen hatte ich nicht das geringste entgegenzusetzen. Langsam, wie eine Marionette, an deren Fäden ein unsichtbarer Spieler zog, richtete ich mich auf und ging auf Mahoney und den grauen Koloß hinter ihm zu. »Roderick«, stöhnte Howard. »Was ... was hast du vor?«

»Das einzig Mögliche«, antwortete Mahoney. »Vertrau mir, Howard. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, Robert zu retten.«

»Aber das ist... ein ... ein Shoggote«, keuchte Howard. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er sich zu bewegen versuchte, aber so wie ich schien er nicht mehr Herr seines eigenen Körpers.

Mahoney hob abermals die Hand. Der Shoggote setzte sich gleitend und wabbelnd in Bewegung, kam in einer absurden Parodie menschlicher Schritte auf mich zu und streckte die Arme aus.

Die Berührung traf mich wie ein elektrischer Schlag. Dünne, glitzernde, graue Fäden wuchsen aus dem Leib des Plasmawesens, drangen nahezu mühelos durch die Decke, in die ich mich eingewickelt hatte, die Kleidung, die ich darunter trug, und berührten meine Haut.

Es tat nicht einmal sonderlich weh. Es war ein kurzes, flüchtiges Brennen, gefolgt von einem Gefühl prickelnder, eisiger Kälte, das alle anderen Empfindungen betäubte. Ich fühlte, wie sich die Plasmamasse über meinen Körper ergoß und ihn lautlos und rasch wie eine zweite Haut einzuhüllen begann. Und es ging schnell. Unglaublich schnell.

»Die Decke«, sagte Mahoney ruhig. »Leg sie ab, Robert.«

Meine Hände bewegten sich ohne mein Zutun. Ich empfand nicht einmal Furcht in diesem Moment. Langsam zog ich die Decke herunter, warf sie in den Sand und wartete auf den nächsten Blitz.

Es dauerte nicht einmal eine Sekunde. Eine grellweiße Linie aus Feuer fiel vom Himmel, rannte in irrsinnigem Zickzack hin und her und schlug irgendwo weit draußen auf dem Meer ein. Und vor mir entstand der schwarze Schatten des GROSSEN ALTEN.

Diesmal reagierte er mit übermenschlicher Schnelligkeit. Die peitschenden Schattenarme breiteten sich aus, schossen auf mich zu und hüllten mich in einer tödlichen Umarmung ein, schneller, als der Blitz und sein Lichtschein verlöschen konnten. Ich schloß die Augen und wartete auf den geistigen Hieb, der allem ein Ende machen würde.

Aber er kam nicht.

Statt dessen geschah etwas anderes. Die graue Plasmaschicht, die meinen Körper bis auf den letzten Quadratmillimeter bedeckte, begann zu zucken, schlug Wellen und Schlieren und wand sich wie unter Schmerzen. Der Shoggote taumelte wie unter einem Hieb, streckte die Arme aus und berührte mich mit seinen grob geformten Händen an den Schultern.

Und die Plasmaschicht floß in ihn zurück.

Von einer Sekunde zur anderen war ich frei. Der Schatten vor mir war wieder ein Schatten, der Schatten eines Menschen, mein Schatten, nicht der der Bestie, die beinahe Besitz von mir ergriffen hatte, und der Shoggote fiel mit wild peitschenden Armen rücklings in den Sand und blieb zuckend liegen. Sein Körper wand sich, versuchte Arme und Tentakeln und einen schrecklichen Papageienschnabel zu bilden und zerfloß wieder. Es war ein grausamer Anblick.