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Aber es war ein Anblick, der mich endlich begreifen ließ. Mit einem Ruck sah ich auf und starrte Mahoney an. Sein Blick war unbeteiligt, ruhig, aber gleichzeitig von einer Kälte, die mich erschauern ließ. Das war nicht der Blick eines Menschen.

»Es tut mir leid, Robert«, sagte er leise. »Ich konnte es dir nicht sagen.«

»Du ...«

»Damals«, fuhr er unbeeindruckt fort, »als ich selbst Opfer eines Mächtigen wurde, hatte ich all meine Macht zur Verfügung, und ich hatte Zeit. Jetzt hatte ich weder das eine noch das andere. Du hattest nur noch wenige Stunden, Robert. Ich mußte ihm ein Opfer geben. Er war schon zu stark, um ihn auszulöschen.«

»Der Shoggote«, murmelte Howard.

Mahoney nickte. »Ja. Aber keine Sorge, Howard. Dieser Körper ist präpariert, zu sterben, und der Mächtige wird vergehen, bevor er zu einer Gefahr werden kann. Ihr werdet leben.«

»Du wirst uns ... nicht töten?« fragte Howard.

Ich starrte ihn an. Vor einer Sekunde hatte ich noch geglaubt, endlich begriffen zu haben, aber Howards Worte machten alles wieder zunichte. Sein Blick war unverwandt auf Mahoney gerichtet; er schien mich gar nicht zu bemerken. Wieso fragte er meinen Vater, ob er uns töten würde?

Mahoney lachte leise. »Nein. Diesmal nicht, Howard. Die, denen ich diene, sind mächtig und grausam, wenigstens in euren Augen, aber sie sind es niemals grundlos. Für diesmal seid ihr frei.«

»Die, denen du ... dienst?« wiederholte ich ungläubig.

Howard ignorierte mich einfach. Sein Blick blieb unverwandt auf Mahoneys Gesicht gerichtet. »Wer bist du?« fragte er leise. »Yog-Sothoth selbst?«

Mahoney schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich diene ihm.«

»Aber das ... das ist nicht möglich!« keuchte ich. »Du bist ...«

»Andara«, unterbrach mich Howard. Seine Stimme klang kalt. »Du hast schon recht, Robert. Und doch wieder nicht. Yog-Sothoth hat Macht über ihn gewonnen.«

»Die Hand der Mächtigen reicht weit«, bestätigte Mahoney/ Andara ruhig. »Selbst ins Jenseits.«

»Aber er ... er hat... er hat uns geholfen und ... und mich gerettet und den anderen ...« Ich begann zu stammeln, verlor den Faden und sah Howard hilfesuchend an. »Er hat einen der GROSSEN ALTEN vernichtet«, murmelte ich hilflos. »Eine niedere Kreatur«, antwortete Mahoney an seiner Stelle. »Es gibt viele von ihnen, die sich nicht mit ihrem Schicksal abzufinden vermögen und versuchen, sich über die Zeiten zu retten. Sie müssen vernichtet werden.«

Langsam drehte ich mich zu ihm um und sah ihn an. Meine Augen brannten. »Warum das alles?« fragte ich mühsam.

Mahoney deutete stumm auf die Kiste zu seinen Füßen. »Darum, Robert. Du hast noch nicht einmal annähernd begriffen, welche Macht in diesen unscheinbaren Büchern verborgen ist. Ich brauchte dich. Ich habe dich nicht belogen, Robert. Der Mann, der ich einmal war, hat um die Gefahr gewußt und Maßnahmen getroffen. Nicht einmal die Macht Yog-Sothoths hätte gereicht, das Siegel zu brechen. Du konntest es.«

»Dann hast du alles, was du wolltest«, flüsterte Howard.

Mahoney nickte.

»Warum tötest du uns nicht?« fuhr Howard beinahe unnatürlich ruhig fort. »Macht es dir Spaß, uns zu quälen?«

»Töten?« erwiderte Mahoney lächelnd. »Warum sollte ich das tun, Howard? Ich bin noch immer Roderick Andara, nur diene ich jetzt einem anderen Herrn als vorher. Ich war einmal dein Freund, und Robert ist noch immer mein Sohn. Warum sollte ich euch töten?« Er schüttelte den Kopf, legte das Buch behutsam in die Kiste zurück und gab dem Mann, der zusammen mit dem Shoggoten aufgetaucht war und bisher schweigend und reglos hinter ihm gestanden hatte, einen Wink. »Bring sie fort, Bensen«, sagte er. Dann wandte er sich wieder zu Howard.

»Ich brauche euch nicht zu töten, Howard«, sagte er ruhig. »Ihr seid keine Gefahr mehr. Ich habe, was ich haben wollte, und niemand vermag mich jetzt noch aufzuhalten.«

»Dich - oder die Bestie, der du dienst?« fragte Howard. Seine Stimme zitterte.

Mahoney lächelte verzeihend. »Nenne ihn, wie du willst, Howard, für mich ist er mein Herr, und ich werde ihm dienen. Ihr könnt mich nicht mehr aufhalten. Niemand kann das. Jetzt nicht mehr.« Damit drehte er sich um, wartete, bis sein Begleiter die Kiste aufgenommen hatte, und ging.

Howard und ich starrten ihnen lange nach, selbst als ihre Schritte längst im Heulen des Sturmes verklungen waren. Ich fühlte mich leer, ausgelaugt und so müde wie nie zuvor in meinem Leben.

»Sag mir, daß das alles nicht wahr ist, Howard«, flüsterte ich. »Sag mir, daß es nur ein Traum war. Dieser Mann war nicht mein Vater.«

»Doch, Robert«, antwortete Howard ebenso leise, aber in einem ganz anderen, eisigen Tonfall, wie ich ihn noch nie vorher von ihm gehört hatte. »Er war es - und auch wieder nicht. Du darfst ihn nicht hassen. Er ... er kann nichts für das, was er getan hat. Es ist Yog-Sothoth, der seine Handlungen lenkt. Aber nicht so vollständig, wie er es gerne hätte.«

Ich sah ihn an. Ein schwacher Hoffnungsschimmer begann in mir aufzukeimen, als ich in seine Augen blickte. »Ein kleines bißchen Menschlichkeit ist noch in ihm, Robert«, fuhr er fort. »Er hat uns am Leben gelassen, vergiß das nicht.«

»Leben?« Ich wollte lachen, aber alles, was ich zustande brachte, war ein krächzender Laut, der sich wie ein verunglückter Schrei anhörte. »Wir haben verloren, Howard. Es war eine Niederlage. Er hat die Bücher.«

Howard nickte. »Das stimmt. Ein Punkt für die Gegenseite. Und?« Plötzlich lachte er; leise, kalt und ohne die geringste Spur von echtem Humor. »Er hat eine Schlacht gewonnen, Robert, aber nicht den Krieg. Wir werden ihn wiedersehen. Und das nächste Mal sind wir gewarnt.«

Ich wollte etwas darauf erwidern, aber Howard drehte sich wortlos um und ging mit raschen Schritten den Strand hinab auf das wartende Boot zu.

Sechstes Buch - Bücher, die der Satan schrieb

Das Licht der Petroleumlampe warf flackernde Muster an die Wände und schuf Leben, wo keines war. Ein muffiger Geruch hing in der Luft, und unter den Schuhsohlen der beiden Männer knirschten Unrat und staubfein zermahlene Glassplitter. Ein Spinnennetz wehte wie ein grauer Vorhang im Wind, und aus der Tiefe des Gebäudes drangen unheimliche, rasselnde Geräusche; Laute, die in der überreizten Phantasie Tremayns zu einem mühsamen, schweren Atmen wurden. Er blieb stehen. Die Lampe in seiner Hand zitterte, und für einen Moment mußte er mit aller Gewalt gegen den immer stärker werdenden Zwang ankämpfen, einfach herumzufahren und zu laufen, so schnell und so weit er konnte, nichts wie weg; weg aus diesem verwunschenen, finsteren Haus, das ihm mit jedem Moment mehr wie ein gewaltiges, feuchtes Grab vorkam.

»Was ist mit dir?« fragte Gordon. »Angst?«

Tremayn drehte sich zu dem zwei Köpfe größeren Mann um und setzte zu einer scharfen Antwort an, beließ es aber dann bloß bei einem schiefen Grinsen und ging, die Lampe wie eine Waffe vor sich ausgestreckt, weiter. Das Zittern in Gordons Stimme war ihm nicht entgangen; sein Spott war nichts weiter als ein schwacher Versuch, seine eigene Furcht zu kaschieren. Er hatte Angst, natürlich, aber Gordon hatte mindestens so viel Angst wie er, wenn nicht mehr. Es war eine Schnapsidee gewesen, hierher zu kommen, noch dazu allein und unbewaffnet, aber keiner von ihnen war bereit gewesen, als erster dem anderen gegenüber seine Furcht einzugestehen, und so waren sie weitergegangen, wider besseren Wissens.

Eine Tür tauchte im flackernden gelben Licht der Lampe auf, und der Windzug, der mit ihnen ins Haus gekommen war, ließ Staub in dünnen, wehenden Schleiern aufsteigen. Tremayn unterdrückte mit Macht den Hustenreiz, der in seiner Kehle würgte. Sein Herz jagte. Es war kalt, jetzt, nachdem die Sonne untergegangen war und ihre ohnehin kaum mehr wärmenden Strahlen erloschen waren, erst recht. Trotzdem war Tremayn in Schweiß gebadet.