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»Hunger?« fragte Howard, als er meinen sehnsüchtigen Blick bemerkte. Ich nickte, und Howard beugte sich über die Theke und winkte den Wirt herbei. Der Mann bemerkte seine Geste sofort, das sah ich. Trotzdem mußte Howard eine ganze Weile gestikulieren und rufen, ehe er sich endlich dazu bequemte, sich herumzudrehen und - sehr gemächlich - zu uns zu kommen. »Was gibt's?«

Howard deutete auf die Küchentür. »Wir sind hungrig«, sagte er. »Wäre es möglich, etwas von dem zu erstehen, was da in Ihrer Küche so vorzüglich duftet, guter Mann?«

»Wenn Sie mit dem blöden Gesabbele fragen wollen, ob's was zu Essen gibt, dann ja«, knurrte der Wirt. Seine Schweinsäuglein musterten Howard mit einer Mischung aus Abscheu und Gier. Es war nicht das erste Mal, daß mir auffiel, wie abweisend die Bewohner von Durness Fremden gegenüber waren; sie nahmen zwar unser Geld, machten aber keinen großen Hehl daraus, daß sie uns im Grunde verachteten. Und der Wirt des White Dragon schien da keine Ausnahme zu machen. Fast gegen meinen Willen mußte ich grinsen, als mir der Name des Pubs wieder einfiel und ich seinen Besitzer vor mir sah. Schmuddeliger Giftzwerg hätte besser gepaßt.

»Genau das meine ich«, sagte Howard, noch immer im gleichen, freundlichen Ton. »Und was bietet Ihre Küche, guter Mann?«

»Sie haben die Wahl zwischen Fisch, Fisch und Fisch«, knurrte der Wirt und grinste dämlich. »Sie können aber auch Fisch haben, wenn Ihnen Fisch nicht schmeckt.«

Howard überlegte einen Moment. »Dann nehmen wir Fisch«, sagte er ernsthaft. »Vielleicht...«, er zögerte, stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der Zechenden hinwegsehen zu können, und deutete auf einen kleinen Tisch im Hintergrund des Lokals, an dem noch drei freie Stühle waren, »sind Sie so freundlich, dort hinten zu servieren?«

Der Wirt schluckte sichtbar. »Fisch?« vergewisserte er sich.

»Richtich«, antwortete Rowlf an Howards Stelle. »Vier Portio'n. Un zwarn bißchen dalli, ja?«

Ich verbiß mir im letzten Moment ein schadenfrohes Lachen, leerte rasch mein Glas und bedeutete dem Wirt mit einer Geste, es wieder zu füllen, ehe ich mich umdrehte und Howard und Rowlf folgte, die bereits zum Tisch hinübergingen. Einer der vier Stühle war besetzt. Ein Mann saß darauf, sehr breitschultrig und mindestens so groß wie Rowlf, soweit man das im Sitzen beurteilen konnte, vornübergebeugt und mit halb geschlossenen Augen. Sein Kinn ruhte auf seiner rechten Faust, aber sein Kopf rutschte immer wieder zur Seite; offensichtlich kämpfte er mit aller Macht dagegen, nicht einzuschlafen. Vielleicht war er auch betrunken.

»Wir dürfen doch, oder?« fragte Howard und deutete mit seinem Gehstock auf die drei freien Stühle. Der Mann sah auf, blinzelte und gab ein grunzendes Geräusch von sich, das Howard offensichtlich als Zustimmung deutete und sich setzte. Auch Rowlf nahm Platz, und nach kurzem Zögern ließ auch ich mich auf einen der unbequemen Stühle sinken. Howard atmete hörbar ein, legte Hut und Stock vor sich auf den Tisch und angelte eine Zigarre aus der Brusttasche, während Rowlf sein mitgebrachtes Bier mit einem Zug leerte und das Glas unnötig laut abstellte. Unser Gegenüber schrak auf, blinzelte und schloß mit einem neuerlichen Grunzen die Augen wieder.

Aber er tat so, als döse er vor sich hin. Seine Lider waren einen winzigen Spaltbreit geöffnet, und der Blick der dunklen Augen dahinter war klar und wach. Er war weder betrunken noch müde. Ich versuchte, Howard unter dem Tisch zu treten, um ihn darauf aufmerksam zu machen, traf aber statt dessen nur Rowlf. Howard grinste, sog an seiner Zigarre und verbarg sein Gesicht hinter einer übelriechenden Qualmwolke.

Wir sprachen über dies und das, bis der Wirt endlich kam und das Bier brachte, das ich bestellt hatte. Das Glas war nur halb voll.

»Wunderbar«, sagte Howard. »Bringen Sie doch meinem Freund und mir auch noch gleich zwei Gläser. Und dem Herrn da auch.« Er deutete auf den Mann uns gegenüber und lächelte. »Als kleines Trostpflaster, daß wir ihn belästigen müssen.«

Der Mann öffnete träge ein Auge, blickte Howard einen Moment lang forschend an, und ließ das Lid wieder herunterfallen. Die Reaktion, die Howard offensichtlich hatte erreichen wollen, blieb aus. Aber Howard lächelte nur weiter, lehnte sich wieder zurück und fuhr fort, sich mit Rowlf zu unterhalten, als wäre nichts geschehen. Ich bewunderte die Gelassenheit, die er an den Tag legte.

Nach einer Weile kam der Wirt wieder, brachte zwei halbvolle und ein zur Gänze gefülltes Glas mit Ale und setzte seine Last klirrend auf dem Tisch ab, so wuchtig, daß ein paar Spritzer der dunkelbraunen Flüssigkeit Howards Hut trafen und häßliche Flecken darauf hinterließen. Das volle Glas schob er über den Tisch, bis es klirrend gegen das unseres Gastes stieß, während er die beiden anderen stehenließ.

Rowlf knurrte, drehte sich halb auf dem Stuhl herum und griff nach seinem Arm, als der Wirt sich entfernen wollte. Der Mann fuhr zusammen. Seine Mundwinkel zuckten vor Schmerz und Überraschung, und für einen Moment tat er mir fast leid. Ich wußte, wie hart Rowlfs Griff sein konnte.

»Was kost hier eintlichn volles Glas?« fragte Rowlf übellaunig. »Oder is euch das Bier ausgegang?«

Der Wirt riß seine Hand mit einem wütenden Ruck los, besser gesagt, er versuchte es. Aber Rowlfs gewaltige Pranke hielt seinen Arm so fest, als wäre sie angewachsen. »Hören Sie!« zischte er, wobei es ihm nicht ganz gelang, das angstvolle Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Über seine Schulter hinweg sah ich, wie sich eine Anzahl Gesichter in unsere Richtung wandte. Die eine oder andere Gestalt spannte sich. »Wenn Sie hierhergekommen sind, um Ärger zu machen, dann ...«

»Hör auf, Will.«

Ich sah überrascht auf, und auch Howard wandte den Blick und runzelte die Stirn. Der Mann, der sich bisher schlafend gestellt hatte, hatte sich aufgesetzt und blickte den Wirt kopfschüttelnd an.

»Benimm dich und bring den Herren ein volles Glas Ale«, sagte er leise. »Schließlich bezahlen Sie ja auch dafür, oder? Und Sie« - damit wandte er sich an Rowlf - »lassen bitte seinen Arm los. Sie brauchen nicht gleich handgreiflich zu werden.«

Rowlf blickte ihn einen Moment lang böse an, ließ aber dann - wenn auch erst auf einen auffordernden Blick Howards hin - den Arm des Wirtes los und rutschte wieder auf seinem Stuhl herum. Sein Bulldoggengesicht war ausdruckslos wie immer, aber ich kannte das Glitzern in seinen Augen. Rowlf war niemand, der sich von Fremden sagen ließ, was er zu tun oder zu lassen hatte.

Aber zu meiner Erleichterung registrierte Howard seinen Blick ebenso und wandte sich rasch an den Fremden, ehe Rowlf irgendwelchen Blödsinn machen konnte. »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte er übertrieben freundlich.

Der andere winkte ab, griff nach seinem Glas und nahm einen gewaltigen Schluck. »Schon gut«, sagte er, während er sich mit dem Jackenärmel den Schaum von den Lippen wischte. »Will ist ein Schlitzohr, dem man auf die Finger schauen muß. Außerdem war ich es Ihnen schuldig.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf sein Bier, grinste und wurde übergangslos wieder ernst. »Sie sollten ein bißchen vorsichtiger sein«, sagte er, zwar an Howard gewandt, aber eindeutig zu Rowlf gemeint. »Es sind ein paar üble Burschen hier, die nur auf eine Gelegenheit warten, sich zu prügeln. Sie sind fremd hier?«

Howard nickte. »Ja. Mein Name ist Phillips. Howard Phillips. Das da« - er deutete nacheinander auf mich und Rowlf - »sind mein Neffe Robert und Rowlf, mein Majordomus.«

»Ich bin Sean«, sagte unser Gegenüber. »Und Sie sollten Ihrem Majordingsbums raten, sich zurückzuhalten. Ist keine gute Zeit für Fremde im Moment.«

Die Offenheit seiner Worte überraschte mich ein wenig, aber ich mischte mich vorsichtshalber nicht ein, sondern überließ es Howard, das Gespräch weiterzuführen.