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»Bensen? Ist das der Mann, der verschwunden ist?«

Sean nickte. »Er und zwei seiner Kumpane. Wie gesagt - sie sind schon mehrmals für eine Weile untergetaucht, aber so angespannt, wie die Atmosphäre hier in Durness ist, würde es mich nicht wundern, wenn man Sie mit ihrem Verschwinden in Zusammenhang bringt. Soweit ich weiß, interessiert sich bereits die Polizei für Sie.«

»Für uns?« Ich konnte nicht anders, ich mußte die Unverschämtheit, mit der Howard Erstaunen heuchelte, einfach bewundern. Beinahe hätte er es sogar geschafft, mich zu überzeugen.

»Was denken Sie?« antwortete Sean und nickte. »Drei Fremde, die sich so auffällig benehmen wie Sie ... Durness ist ein Dorf, vergessen Sie das nicht. Dieses Kaff bildet sich nur ein, eine Stadt zu sein.«

Howard schwieg einen Moment. »Vielleicht haben Sie recht«, murmelte er schließlich. »Wir benehmen uns nicht gerade sehr unauffällig. Aber wir haben unsere Gründe, so zu handeln.«

»Das mag sein«, antwortete Sean. »Aber Sie sollten trotzdem vorsichtiger sein.«

Howard sah ihn abschätzend an. »Warum tun Sie das, Sean?« fragte er plötzlich.

Sean blinzelte. »Was?«

»Uns helfen«, sagte Howard. »Sie haben recht, ich müßte schon blind sein, wenn ich nicht selbst spüren sollte, daß man uns hier nicht gerade liebt. Aber Sie helfen uns.«

»Das kommt Ihnen nur so vor«, behauptete Sean lächelnd. »Ich habe Ihnen nur ein paar Fragen beantwortet, das ist alles. Außerdem bin ich nicht aus Durness, wenn Ihnen diese Erklärung lieber ist. Ich bin erst seit ein paar Wochen hier, und so, wie ich dieses Kaff bisher kennengelernt habe, werde ich auch nicht sehr alt hier werden. Reicht Ihnen das als Antwort?«

Das reichte nicht, weder Howard noch mir, aber Howard nickte trotzdem. »Ich ... hatte einen bestimmten Grund, diese Frage zu stellen, Mister ...«

»Moore«, half Sean aus.

»Mister Moore«, fuhr Howard fort. »Ich ... das heißt, wir«, fügte er mit einem raschen, beinahe beschwörenden Blick in meine Richtung hinzu, »möchten Sie um einen Gefallen bitten.«

»Und welchen?«

Wieder antwortete Howard nicht sofort, sondern starrte einen Moment lang an Sean vorbei ins Leere und spielte dabei nervös mit dem silbernen Griff seines Stockes. »Sie erwähnten vorhin, daß ein paar Einwohner der Stadt krank geworden seien.«

Sean nickte. »Sicher. Die Tochter meiner Wirtin hat es auch erwischt.« Sein Gesicht umwölkte sich. »Armes Ding. Sie ist nicht mal sechzehn.«

»Und niemand hier weiß, was sie hat?«

»Der Arzt hier ist ein alter Tattergreis, der nicht mal eine Hämorrhoide von Windpocken unterscheiden kann«, antwortete Sean abwertend. »Sie hat Fieber und phantasiert, das ist alles, was ich weiß.«

»Könnten Sie ... uns zu ihr bringen, Mister Moore?« fragte Howard plötzlich. Ich fuhr überrascht hoch, aber er ignorierte meinen fragenden Blick und sah Sean weiter fest an, Sean überlegte einen Moment, dann nickte er. »Warum nicht? Miß Wirwien ist völlig verzweifelt. Sie würde sogar einen Medizinmann rufen, wenn sie glaubte, daß es hilft.«

»Dann lassen Sie uns gehen«, sagte Howard.

»Jetzt? Und Ihr Essen?«

»Den Fisch holen wir nach«, sagte Howard und stand bereits auf. »Kommen Sie, Sean.«

»Hör auf damit«, sagte Gordon. »Ich bitte dich.«

Tremayn sah kurz von seiner Beschäftigung auf, runzelte die Stirn, um anzudeuten, wie lästig ihm die Unterbrechung war, und senkte den Blick dann wieder auf die vergilbten Seiten des großformatigen Buches, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lag. »Warum?« fragte er.

»Es ... ist nicht gut«, antwortete Gordon. »Dieses Ding macht mir Angst.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf das Buch und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Es war kalt in der kleinen Dachkammer; obwohl draußen - zumindest jetzt nach Sonnenuntergang - bereits winterliche Temperaturen herrschten, war das Feuer in dem kleinen Kanonenofen in einer Ecke bereits seit zwei Tagen erloschen, die gleiche Zeitspanne, die vergangen war, seit die beiden jungen Männer von ihrem Ausflug in den Wald zurückgekehrt waren. Gordon selbst war am nächsten Morgen wieder in die kleine Schmiede unten am Hafen gegangen, in der er arbeitete, aber Tremayn hatte die Zeit beinahe ununterbrochen hier oben verbracht. Er aß nicht und schlief nur noch, wenn er vor Müdigkeit einfach zusammenbrach. Sein Gesicht war kalkweiß geworden, und seine Augen waren rot und entzündet. Ein fiebriger Glanz lag auf seiner Haut.

»Nicht gut?« sagte er, Gordons Worte nachäffend, in einer Betonung, die deutlich machte, was er davon hielt. Er blätterte um, sah auf und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Und was soll daran nicht gut sein, bitte?« erkundigte er sich. »Es ist nichts als ein altes Buch, nicht?«

Gordon schluckte nervös. Er hatte längst gespürt, daß der Foliant, den sie aus dem Haus mitgenommen hatten, alles andere als ein altes Buch war. Nicht, daß er das Gefühl logisch begründen konnte. Das Ding ängstigte ihn einfach. Nervös machte er einen Schritt auf den Tisch zu, hinter dem Tremayn saß, blieb abrupt wieder stehen und blickte unsicher zwischen den aufgeschlagenen Seiten und Tremayns krank aussehendem Gesicht hin und her. So, wie Tremayn von dem Buch magisch angezogen zu werden schien, stieß es ihn ab. Es war ein Fehler von ihm gewesen, den Band mitzunehmen, und das sonderbare Gefühl hatte sich verstärkt. Jetzt, nach zwei Tagen, war es ihm unmöglich, sich ihm auch nur zu nähern. »Du mußt hier raus«, sagte er unsicher. »Brincs fragt schon dauernd nach dir. Ich konnte ihn heute gerade noch davon abhalten, herzukommen.«

Tremayns Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Hast du ihm nicht gesagt, daß ich krank bin?«

»Doch.« Gordon nickte hastig. »Natürlich. Aber du kennst den Alten. Er wird einfach einen neuen Mann einstellen, wenn du nicht bald wieder zur Arbeit erscheinst. Du weißt, wie er ist.«

Tremayn gab ein abfälliges Geräusch von sich. »Soll er«, sagte er. »Der Job stinkt mir schon lange. Richte ihm aus, daß ich noch zwei Tage Bettruhe brauche. Denk dir irgendwas aus.«

»Zwei Tage?«

»Vielleicht«, antwortete Tremayn gleichmütig. »Mit etwas Glück sogar weniger. Ich glaube, ich brauche nicht mehr lange, um es zu entziffern.« Er lächelte triumphierend, aber sein eingefallenes, blasses Gesicht und die rotgeränderten Augen machten eher eine Grimasse daraus. Gordon schauderte.

»Entziffern?« wiederholte er ungläubig. »Du meinst, du könntest dieses Gekrakel lesen?«

Für einen Moment blitzte Zorn in Tremayns Augen auf, dann lächelte er wieder, in einer sonderbar überheblichen, fast bösen Art, die Gordon noch nie zuvor an ihm bemerkt hatte. Kein Zweifel - Tremayn hatte sich verändert in den letzten Tagen; so grundlegend, wie Gordon es noch bei keinem Menschen erlebt hatte. Ja, dachte er mit einem Schaudern, seit dem Moment, als Tremayn das Buch berührt hatte.

Tremayn setzte sich auf, griff mit zitternden Fingern nach dem Glas mit Wasser, das vor ihm auf dem Tisch stand, und befeuchtete seine aufgesprungenen Lippen.

»Lesen nicht«, sagte er. »Aber verstehen.«

»Wo ist der Unterschied?«

»Oh, er ist gewaltig«, erklärte Tremayn. »Ich kann es dir nicht erklären, Gordon, aber wenn es mir gelingt, den Band zu entziffern, dann haben wir es geschafft. Ich beginne ihn bereits zu begreifen, aber es ist kein Lesen, verstehst du? Es ... es ist, als würden die Seiten zu mir sprechen.«

Gordon beugte sich ein Stück vor und versuchte, einen Blick auf die scheinbar sinnlos angeordneten Zeichen auf den vergilbten Pergamentblättern zu erhäschen. Für ihn waren es nichts weiter als sinn- und formlose Kritzeleien. Und im Grunde wollte er auch gar nicht wissen, was sie bedeuteten. Er wollte auch nicht wissen, was Tremayn gemeint hatte, als er sagte, wenn er das Buch verstünde, dann hätten sie es geschafft.