Выбрать главу

»Ich kann noch nicht darüber reden«, sagte Howard. »Und vielleicht irre ich mich ja auch.«

»Und wenn nicht?« versetzte ich wütend. »Zum Teufel, wofür hältst du mich eigentlich? Für einen dummen Jungen, mit dem du machen kannst, was du willst? Du verlangst von mir, daß ich auf diesem Scheißkahn hause und geduldig abwarte, was mich zuerst umbringt - die Kälte oder die Seekrankheit, dann schleifst du mich durch eine Stadt, deren Bewohner uns am liebsten Spießruten laufen lassen würden. Ich bin fast verrückt geworden, als ich das Ding in dem Mädchen bekämpft habe, und auf dem Rückweg bin ich beinahe erfroren. Und du verlangst, daß ich mich in Geduld fasse.«

»Reg dich nicht auf, Kleiner«, sagte Rowlf ruhig. Zornig fuhr ich herum, aber seine einzige Reaktion bestand in einem gutmütigen Lächeln - und einem Glas mit brühheißem Grog, das er mir in die Hand drückte. »H.P. tut bestimmt nix, was dir schadn könnte«, sagte er. »Du tustem Unrecht.«

Ich setzte zu einer wütenden Entgegnung an, aber irgend etwas hielt mich zurück. Vielleicht die Erkenntnis, daß Rowlf recht hatte. Natürlich würde Howard nichts tun, was mir in irgendeiner Weise schaden könnte. Er hatte mehr als einmal bewiesen, daß er mein Freund war.

Rowlf forderte mich mit einer Geste auf, zu trinken, drückte auch Howard einen Grog in die Hand und nahm einen mächtigen Schluck aus seinem eigenen Glas. Dann sah er Howard für die Dauer eines Atemzuges ernst an.

»Sagen Sie es ihm«, sagte er leise. »Er hat ein Recht darauf.«

»Was soll er mir sagen?« fragte ich mißtrauisch.

Howard seufzte, stellte sein Glas neben sich auf den Tisch, ohne zu trinken, nahm seine Zigarre aus dem Mund und senkte den Blick. »Vielleicht hast du recht, Rowlf«, murmelte er. »Früher oder später muß es sowieso sein.« Er nickte, hob mit einem Ruck den Kopf und sah mich mit einem fast traurigen Blick an.

»Es ist noch nicht vorbei, Robert«, sagte er leise. »Erinnerst du dich, was du heute morgen gesagt hast - es ist eine Niederlage, egal, wie du es nennst?«

Ich nickte, und Howard fuhr fort: »Du hast Unrecht, Robert. Eine Niederlage wäre es, wenn der Kampf vorüber wäre. Aber das ist er nicht. Im Gegenteil. Er ist noch in vollem Gange. Und ich fürchte, die Gegenseite ist bereits erfolgreicher gewesen, als ich bisher angenommen habe.«

»Die Gegenseite?«

»Yog-Sothoth«, antwortete Howard. »Er ist noch hier, irgendwo dort draußen auf dem Meer. Wahrscheinlich nicht sehr weit entfernt. Und auch dein Vater ist ganz in der Nähe.«

»Mein ... Vater?« wiederholte ich mißtrauisch. »Was hat mein Vater damit zu tun?«

Howard lachte, sehr leise und sehr bitter. »Alles, Robert. Was glaubst du, warum sich Yog-Sothoth solche Mühe gegeben hat, die Kiste mit Rodericks Büchern und ihn selbst in seine Gewalt zu bekommen? Dein Vater war ein Hexer, Junge, einer der ganz wenigen echten Magier, die es jemals gegeben hat. Und er weiß vermutlich mehr über Magie und die verborgenen Kräfte der Natur als je ein Mensch vor ihm. Den Hexern von Jerusalems Lot gelang es, die Abgründe der Zeit für einen winzigen Augenblick zu überbrücken und Yog-Sothoth und ein paar seiner untergeordneten Kreaturen in unsere Welt zu bringen, aber deinem Vater wäre es möglich, das Tor durch die Zeit vollends aufzustoßen.«

Ich erstarrte. Langsam, ganz langsam nur begriff ich, was Howard mir mit seinen Worten erklären wollte. Aber ich weigerte mich einfach, es zu akzeptieren.

»Nicht einmal Yog-Sothoth ist mächtig genug, zwei Milliarden Jahre zu überbrücken und sein Volk wiederauferstehen zu lassen«, fuhr Howard fort. »Er hat es versucht, und es ist ihm nicht gelungen. Der Zwischenfall in Boldwinns Haus hat bewiesen, daß seine Macht nicht ausreicht. Aber dein Vater könnte es, Robert. Das ist der wahre Grund, aus dem Yog-Sothoth ihn aus dem Reich der Toten zurückgeholt und gezwungen hat, für ihn zu arbeiten. Er haßt uns, uns und alles Lebende auf dieser Welt. Sie hat einmal ihm gehört, ihm und anderen, die wie er waren, und er wird nichts unversucht lassen, sie sich wieder Untertan zu machen.«

»Aber mein Vater würde nie ...«

»Er ist nicht mehr Herr seines Willens, Robert«, unterbrach mich Howard hart. »Täusche dich nicht. Vor drei Tagen, am Strand, haben wir Glück gehabt, mehr nicht. Vielleicht war noch ein bißchen Menschlichkeit in ihm, und er hat uns verschont, weil du sein Sohn bist und ich sein Freund. Aber mit jeder Stunde, die er weiter unter Yog-Sothoths Einfluß steht, ist er weniger Mensch. Er ist nur ein Werkzeug, mit dessen Hilfe der GROSSE ALTE seine Macht festigen wird. Das ist der Grund, aus dem wir auf diesem Boot wohnen, statt im Hotel, Robert. Yog-Sothoth wird uns angreifen, denn er weiß genau, daß wir die einzigen Menschen sind, die die Gefahr kennen und seine Pläne durchkreuzen könnten, und ich habe Angst, daß noch mehr Unschuldige dabei zu Schaden kommen könnten, als es ohnehin bisher geschehen ist.«

»Und das Mädchen?« fragte ich. »Und dieser ... Spuk?«

Howard zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Es war ein Teil von Yog-Sothoth, den du in ihr gespürt hast, jedenfalls glaube ich das. Ich weiß nicht, ob Andara bereits mit seinem Werk begonnen hat, aber ich fürchte, das, was in den letzten Tagen in der Stadt geschehen ist, beweist es.«

»Aber was hat das Läuten nicht vorhandener Glocken und das Herumspuken von Toten mit den GROSSEN ALTEN zu tun?« fragte ich verwirrt.

»Bei Gott, Robert, ich weiß es nicht«, seufzte Howard. »Wenn ich es wüßte, würde ich etwas dagegen tun. Aber ich fürchte, wir werden es eher herausfinden, als uns lieb ist.«

Howard weckte mich am nächsten Morgen, kaum daß die Sonne aufgegangen war. Das Wetter hatte sich im Laufe der Nacht beruhigt, aber es regnete noch immer, und das Trommeln der Wassertropfen auf dem hölzernen Deck über unseren Köpfen klang wie fernes Gewehrfeuer. Das Boot schaukelte auf den Wellen, und obwohl Rowlf am vergangenen Abend noch einmal hinaufgegangen war und zwei weitere, straff gespannte Halteseile angebracht hatte, scheuerte und schlug die Bordwand noch immer gegen den blankgeschliffenen Stein des Kais.

Ich hatte nicht viel Schlaf gefunden in dieser Nacht. Howards Worte hatten mich mehr aufgewühlt, als ich zuzugeben bereit gewesen war, sie - und vor allem gerade das, was er nicht gesagt hatte. Schließlich, lange nach Mitternacht, war ich trotzdem in einen unruhigen, von Alpträumen und Visionen geplagten Schlummer gesunken, ohne daß er mich indes wirklich gestärkt hätte, und es dauerte einige Augenblicke, bis das Rütteln an meiner Schulter von einem Teil eines Traumes zur Wirklichkeit wurde und ich widerwillig die Augen aufschlug.

»Steh auf, Robert«, sagte Howard ungeduldig. »Es wird Zeit. Sean ist zurückgekommen.«

Ich gähnte, streifte seine Hand ab und versuchte, die grauen Schleier vor meinen Augen wegzublinzeln. Die Kabine war von grauem Licht erfüllt, und die Kälte ließ mich trotz der drei Decken, in die ich mich hineingewickelt hatte, am ganzen Leibe zittern. »Wassislos?« murmelte ich schlaftrunken.

Eine zweite, breitschultrige Gestalt erschien neben der Howards, ließ sich in die Hocke sinken und zog mich unsanft an der Schulter hoch. Im ersten Moment glaubte ich, es wäre Rowlf, dann klärte sich mein Blick, und ich erkannte Sean. Er trug noch immer die schwarze Arbeitsjacke vom vergangenen Abend, hatte aber jetzt eine wärmende Pudelmütze übergestülpt und grobe wollene Handschuhe über die Finger gestreift. Sein Gesicht war rot vor Kälte, und unter seinen Augen lagen tiefe dunkle Ringe. Er sah aus, als hätte er in der vergangenen Nacht keine Sekunde geschlafen. Wahrscheinlich hatte er es auch nicht.

»Verdammt noch mal, was ist denn los? Geht die Welt unter?« Ich setzte mich auf, stieß mir den Hinterkopf an der Kante der Koje über mir und schwang fluchend die Beine vom Bett. Sean grinste schadenfroh.