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Sean deutete auf einen vielleicht zwanzigjährigen Mann, der ein Stückweit in die Schatten des Schuppens zurückgewichen war und Howard, Rowlf und mich reglos musterte. »Das ist er«, sagte er knapp.

Howard nickte, nahm seinen Hut ab und trat dem Fremden einen Schritt entgegen. »Mister ...«

»Blak«, sagte der Fremde. »Gordon Blak. Nennen Sie mich Gordon. Sie sind Phillips?«

Howard nickte, tauschte einen raschen Blick mit Rowlf und trat Blak einen weiteren Schritt entgegen. Rowlf blieb auf ein stummes Kommando von Howard hin bei der Tür zurück und spähte durch einen Spalt in den morschen Brettern nach draußen, während Sean und ich Howard folgten.

Ich besah mir diesen sonderbaren Mister Blak etwas genauer, als wir näherkamen. Er war sehr groß, fast so groß wie Sean, aber was bei diesem durchtrainierte Muskeln waren, schien bei Blak aus Fett zu bestehen; sein Gesicht war schlaff und aufgedunsen, und auf seiner Haut lag ein ungesunder Schimmer. Sein Blick flackerte, während er abwechselnd Sean, Howard und mich musterte. Er hatte Angst.

»Erzähl es ihm, Gordon«, sagte Sean. »Phillips ist in Ordnung.«

Blak zögerte noch immer. Seine Zungenspitze fuhr mit nervösen kleinen Bewegungen über seine Lippen, und an seinem Hals zuckte ein Nerv.

»Es geht um einen Freund von Ihnen?« sagte Howard freundlich, als Blak auch nach einer ganzen Weile noch nichts gesagt hatte. »Sean hat mir schon ein paar Stichworte genannt. Was ist los?«

Blak schluckte. »Es ist... Tremayn«, sagte er stockend. Der Blick, mit dem er Sean musterte, war beinahe flehend. Aber Moore nickte nur und zauberte ein zuversichtliches Lächeln auf seine Züge.

»Wir haben dieses Buch gefunden, und seitdem ist Tremayn verändert«, sagte Gordon. Jetzt, als er sich einmal überwunden hatte, sprudelten die Worte nur so aus ihm hervor, und er sprach so schnell, daß ich ihn kaum noch verstand. »Ich weiß nicht, was mit ihm ist, aber er ist anders geworden. Ich habe fast Angst vor ihm, seit er in diesem Buch liest. Er tut nichts anderes mehr, wissen Sie, und ...«

Howard unterbrach seinen Redefluß mit einer raschen Handbewegung. »Immer der Reihe nach, Mister Blak«, sagte er. »Dieser Mister Tremayn ist ein Freund von Ihnen?«

»Nicht Mister Tremayn«, sagte Sean leise. »Tremayn ist sein Vorname.« Er lächelte, trat mit einem raschen Schritt neben Blak und legte die Hand auf seinen Unterarm. »Warum erzählst du nicht in aller Ruhe, was geschehen ist?« fragte er. »Von Anfang an.«

Gordon nickte nervös, starrte einen Moment lang zu Boden und gab sich dann einen sichtlichen Ruck. »Es war vor zwei ... vor drei Tagen«, begann er. »Wir hatten getrunken und wollten noch ein paar Schritte gehen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Und da haben wir die Spur gefunden.«

»Eine Spur?« Howard wurde hellhörig. »Was für eine Spur. Und wo?«

»Nicht sehr weit von hier«, sagte Gordon. »Gleich hinter der Kreuzung nach Bethyhill. Tremayn wollte ihr erst gar nicht nachgehen, aber ich wollte wissen, was da los war, und da hab ich ihn überredet und er ist mitgekommen.« Er begann wieder schneller zu sprechen, wie ein Mensch, der sich irgend etwas endlich von der Seele reden konnte, und diesmal unterbrach ihn Howard nicht, sondern hörte geduldig und schweigend zu. Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich mit jedem Wort, das er hörte, aber er schwieg und warf mir nur von Zeit zu Zeit einen alarmierten oder besorgten Blick zu; vor allem, als Gordon den Dachboden und das Buch erwähnte, das sie bei dem Toten gefunden hatten. Erst als Gordon zu Ende gekommen war, brach er sein Schweigen wieder.

»Wo ist Ihr Freund jetzt?« fragte er.

»Zu Hause«, antwortete Gordon. »Wir... haben ein gemeinsames Zimmer, um Geld für die Miete zu sparen, wissen Sie. Aber ich ... ich war seit zwei Tagen kaum mehr da.«

»Und das Buch hat er bei sich?«

Gordon nickte heftig. »Er rührt sich nicht mehr von der Stelle, seit wir dieses verdammte Ding gefunden haben«, sagte er. »Er ... er behauptet, es lesen zu können. Dabei ist es nicht einmal richtig geschrieben.«

»Nicht einmal richtig geschrieben?« Howard runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit, Gordon?«

Blak druckste einen Moment herum. »Nur so«, murmelte er. »Es sind keine richtigen Buchstaben, wissen Sie. Es sind ... irgendwelche Zeichen.«

»Irgendwelche Zeichen...« Howard überlegte einen Moment. Dann ging er plötzlich in die Hocke, nahm seinen Stock und zeichnete mit der Spitze ein paar scheinbar sinnlose Linien in den Staub auf dem Boden. »Sehen sie ungefähr so aus?« fragte er.

Gordon beugte sich vor, musterte das Gekritzel einen Moment aus zusammengekniffenen Augen und nickte. »Ungefähr«, sagte er. »Wissen Sie, was ... was sie bedeuten?«

Diesmal sah ich deutlich, wie Howard erbleichte. »Ich fürchte es«, murmelte er.

»Können Sie Tremayn helfen?« fragte Gordon.

»Ich weiß es nicht«, sagte Howard. »Aber ich fürchte, Ihr Freund ist in großer Gefahr, Gordon. Bringen Sie uns zu ihm.«

Gordon fuhr sichtlich zusammen. »Ich ... habe versprochen, niemandem etwas zu sagen«, murmelte er. »Er ...«

»Ihr Freund ist in großer Gefahr, Gordon«, sagte Howard noch einmal. »Glauben Sie mir. Er wird vielleicht sterben, wenn wir nicht zu ihm gehen.«

»Ich weiß, wo er wohnt«, sagte Sean leise. »Ich kann Sie hinbringen.« Er wandte sich an Gordon. »Vielleicht ist es besser, wenn du nicht mitkommst, Gordon.«

»Ich ... bringe euch hin«, murmelte Gordon. »Aber Sie können Tremayn doch helfen, oder? So, wie ... wie Sie Sally geholfen haben.«

Howard sog hörbar die Luft ein, drehte sich mit einem Ruck herum und starrte Sean an. Aber der dunkelhaarige Riese zuckte nur mit den Achseln. »Ich habe kein Wort gesagt«, sagte er gleichmütig. »Aber was haben Sie erwartet? Daß wirklich niemand erfährt, was Sie getan haben?«

»Nein«, sagte Howard düster. »Ich habe nur gehofft, ein wenig mehr Zeit zu haben. Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.« Er setzte seinen Hut auf und deutete zur Tür. »Bringen Sie uns zu Ihrem Freund, Gordon.«

Gordon blickte ihn noch einen Moment zögernd an, dann atmete er hörbar aus, nickte und ging zum Ausgang. Sean folgte ihm, und auch Howard wollte sich umwenden und den Schuppen verlassen, aber ich hielt ihn zurück.

»Was hat das zu bedeuten?« fragte ich scharf, aber so leise, daß Sean und Gordon meine Worte nicht verstehen konnten. »Ist es eines der Bücher aus der Seekiste?«

Howard streifte meine Hand ab. »Ich weiß es nicht«, murmelte er. »Aber ich befürchte es.«

Ich deutete auf die Schriftzeichen, die er in den Staub gemalt hatte. »Aber du weißt immerhin, in welcher Sprache das Buch geschrieben ist, von dem du nicht weißt, welches es ist«, sagte ich spöttisch. »Verdammt, Howard, wann wirst du mir endlich die Wahrheit sagen?«

»Das habe ich getan, gestern abend«, antwortete er, aber ich fegte seine Worte mit einer zornigen Geste beiseite.

»Stückweise, ja«, schnappte ich. »Immer so viel, wie gerade unumgänglich notwendig ist, wie? Was sind das für Symbole? Was ist das für ein Buch?«

Howard wandte sich um und verwischte die Schrift im Staub mit dem Fuß. »Es ist arabisch«, sagte er. »Jedenfalls, wenn es sich um das Buch handelt, von dem ich fürchte, daß Tremayn es in Besitz hat.«

»Eines der Bücher meines Vaters?«

Howard nickte. »Das Schlimmste, Junge. Das Necronomicon.« »Aha«, sagte ich. »Und was ist das Necronomicon?«

»Das kann ich dir nicht sagen«, antwortete Howard, und irgendwie spürte ich, daß er es diesmal ernst meinte. Er konnte es wirklich nicht. »Aber wenn es das ist, was ich fürchte«, fügte er hinzu, »dann ist nicht nur dieser Tremayn in Gefahr. Nicht einmal nur diese Stadt, Robert.«