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Für eine Sekunde hatte Andrew das Gefühl, sich im Blick dieser Augen zu verlieren. Sie waren groß, beinahe eine Spur zu groß, dunkelblau und von kleinen, goldenen Farbsprenkeln durchsetzt, Gelassen hielten sie seinem Blick stand und erwiderten die Neugier darin sogar.

»Zufrieden?« fragte Terry nach einer Weile.

Andrew wurde sich plötzlich der Tatsache bewußt, daß er sie anstarrte. Verlegen senkte er den Blick, atmete hörbar ein und sah unsicher wieder auf. Einen Moment lang suchte er vergeblich nach Worten.

Terry winkte ab, als er dazu ansetzte, sich zu entschuldigen. »Schon gut, Andrew«, sagte sie rasch. »Ich bin es gewohnt, angestarrt zu werden, wissen Sie?« Sie beugte sich leicht vor, und Andrew konnte ihr betörendes Parfüm riechen. Irgendwo tief, tief in ihm begann eine Alarmglocke zu läuten, aber er war unfähig, auf die Warnung zu hören.

»Andrew ...?« wiederholte er schwerfällig. »Ich ... kennen wir uns? Ich habe meinen Namen nicht genannt.«

Wieder lachte Terry. In ihren Augen blitzte es spöttisch auf. »Sie kennen mich nicht, Andrew«, sagte sie. »Aber dafür kenne ich Sie. Um so besser.«

Andrew schüttelte verwirrt den Kopf. »Sie ...«

»Es war kein Zufall, daß wir uns getroffen haben«, flüsterte Terry. Irgend etwas in ihrer Stimme änderte sich. Andrew spürte ein seltsames, beinahe erschreckendes Gefühl in sich aufsteigen. Irgend etwas war an diesem Mädchen ungewöhnlich. Und es war nicht nur ihr Aussehen.

»Kein ... Zufall?« wiederholte er knapp.

Terry verneinte. »Die vier Männer, die dich überfallen haben, haben in meinem Auftrag gehandelt«, sagte sie. Ihre Stimme klang fast belustigt.

Andrew starrte sie an. »In ...«

»Es war nicht beabsichtigt, daß du verletzt wirst«, fügte Terry in leicht bedauerndem Tonfall hinzu. »Es tut mir leid.«

Automatisch blickte Andrew an sich herab. Die Wunde schmerzte noch immer, aber sie hatte wenigstens aufgehört zu bluten und war offensichtlich nicht sehr gefährlich.

»Aber ... aber warum?« fragte er. Er versuchte vergeblich, so etwas wie Zorn in sich zu entdecken. Alles, was er spürte, war eine grenzenlose Verwirrung. Und eine ganz schwache Spur von Furcht.

Ohne direkt auf seine Frage zu antworten beugte sich Terry noch ein Stück weiter vor, um die Schnittwunde zu begutachten. Ihr Mantel, der nur von einer schmalen, silbernen Spange am Kragen gehalten wurde, klaffte bei der Bewegung auseinander, und Andrew sah, daß sie nichts darunter trug.

Terrys Hände glitten geschickt über den Schnitt auf seinem Magen, und auf seltsame Weise vertrieb die Berührung den brennenden Schmerz. Aber ihre Finger blieben nicht dort, sondern tasteten langsam weiter, glitten unter sein Hemd und krochen an seiner Brust empor. Die Berührung war gleichzeitig kühl und brennend heiß.

»N ... nicht«, sagte er mühsam. In seinem Hals saß plötzlich ein harter Knoten. Er wollte ihre Hände wegschieben, aber seine Glieder versagten ihm den Dienst. Er hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können.

Terrys Gesicht war plötzlich ganz dicht an seinem. »Warum?« flüsterte sie. »Wir sind allein, Andrew. Ich habe dich gesucht, weil ich dich haben wollte. Komm ...«

Andrew atmete hörbar ein. Sein Gaumen fühlte sich plötzlich ausgetrocknet und rissig an. Aber er spürte auch, wie etwas in ihm auf die Verlockung antwortete.

»Es ... es geht nicht«, keuchte er mühsam. »Wir ...«

»Warum?« flüsterte Terry. »Ich will dich, Andrew. Und du willst mich. Ich weiß es.«

Mit einer lautlosen, gleitenden Bewegung rutschte sie zu ihm herüber, schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn. Die Spange, die ihren Mantel bisher gehalten hatte, löste sie, und das Kleidungsstück glitt wie von selbst von ihren bloßen Schultern. Mit einem raschen, entschlossenen Ruck zerriß sie sein Hemd vollends und schmiegte sich an ihn.

Andrew stöhnte, als er ihre nackte heiße Haut auf der seinen fühlte. Terrys Hände huschten wie kleine lebende Wesen über seine Haut, und die Berührung schien seine Nerven in Flammen zu setzen.

»Nicht«, murmelte er.

Terrys Antwort bestand nur aus einem leisen, glockenhellen Lachen. Ihre Lippen streiften seine Wange; feucht, kühl und heiß wie brennendes Eisen zugleich, berührten seine Augenlider und glitten an seinem Gesicht herab. Andrew schauderte, als ihre Zunge seine Mundwinkel berührte und tiefer glitt.

»Komm«, flüsterte sie, »Nimm mich.«

Andrew wehrte sich nicht mehr, als sie sich auf der schmalen Sitzbank der Kutsche nach hinten sinken ließ und ihn mit sanfter Gewalt mit sich zog.

Rowlf brachte uns eine neue Flasche Sherry, schenkte mit geschickten Bewegungen ein und schlurfte wieder aus dem Zimmer. Ich sah ihm nach, bis er die Tür hinter sich zugezogen hatte. Meine Augen brannten; zum Teil von den dünnen, schwarzen Zigarren, die Howard ununterbrochen rauchte, zu einem anderen Teil auch schlicht aus Müdigkeit. Durch die Ritzen der vorgelegten Läden sickerte das graue Licht der heraufziehenden Dämmerung.

»Wenn du müde bist«, sagte Howard, »legen wir uns schlafen. Wir können später weiterreden.«

Ich wehrte mit einem Kopfschütteln ab, schirmte mit der Hand ein Gähnen ab und griff nach meinem Sherryglas, um mich dahinter zu verkriechen. Ich spürte, daß ich zuviel getrunken hatte, aber meine Lippen brannten vom langen Reden, und mein Gaumen fühlte sich ausgetrocknet an, als hätte ich wochenlang gedurstet. Ich war müde, hundemüde sogar. Aber ich hatte zu lange nach Howard gesucht, um jetzt ins Bett zu gehen, als wäre nichts passiert.

»Danke«, sagte ich. »Aber ... es geht schon noch.« Ich wies mit einer Kopfbewegung zum Fenster. »Es lohnt ohnehin nicht mehr, sich schlafen zu legen. Ehe ich im Hotel bin, ist längst Frühstückszeit.«

Howard runzelte die Stirn und sog wieder an seiner schweren Zigarre. Irgendwie, fand ich, paßte sie nicht zu ihm. »Du kannst hier schlafen«, sagte er. »Es sind genug Betten frei.«

»Das geht nicht. Priscylla wartet im Hotel auf mich.«

Für die Dauer eines Atemzuges sah er mich mit seltsamem Ausdruck an. »Priscylla«, wiederholte er nachdenklich. Ich hatte ihm von ihr erzählt, so, wie ich ihm nach und nach alles erzählt hatte, auch die Dinge, die ich eigentlich für mich hatte behalten wollen. In diesem Punkt ähnelte Howard meinem Vater - es war einfach unmöglich, ihm irgend etwas verheimlichen zu wollen.

»Ich würde sie gerne kennenlernen«, sagte er nach einer Weile. »Wenn du nichts dagegen hast.«

»Warum sollte ich?«

Er zuckte mit den Achseln, schnippte seine Asche in den Kamin und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Er mußte ebenso müde sein wie ich. Aber es gab noch so viel zu bereden. Howard hatte alles von mir erfahren, was er wissen wollte, aber ich selbst hatte nicht mehr als drei oder vier Fragen stellen können.

»Sie waren ein guter Freund meines Vaters?« fragte ich.

»Du«, murmelte Howard und gähnte erneut. »Vergiß das ›Sie‹, Junge. Und um deine Frage zu beantworten: ich war der einzige Freund, den dein Vater hatte.« Etwas leiser und mit deutlich veränderter Stimme fügte er hinzu: »So, wie er mein einziger Freund war.«

Für einen Moment kam ich mir fast schäbig vor. Die Frage war so überflüssig wie ein Kropf gewesen. »Woher kennen Sie ... woher kennt ihr euch?« fragte ich.

»Aus den Staaten.« Howard warf seine Zigarre in den Kamin, sah zu, wie sie prasselnd verbrannte, und nahm eine neue aus der ziselierten Silberschachtel neben sich. »Ich habe ihn kennengelernt, als ich im Zuge meiner Nachforschungen drüben in Amerika war. Lange, bevor du geboren wurdest, Robert. In seiner Heimatstadt.«

»Jerusalems Lot«, sagte ich.

Howard antwortete nicht darauf, sondern fuhr, nachdem er sich vorgebeugt und einen brennenden Span aus dem Feuer genommen hatte, um sich seine Zigarre anzuzünden, fort: »Er lehrte mich vieles, Junge. Und ich ihm. Keiner von uns wäre heute ohne den anderen noch am Leben.« Er brach ab. Für zwei, drei Sekunden verdüsterten sich seine Züge. Seine Hände spannten sich um die Armlehnen seines Sessels, als wolle er sie zerbrechen. In seinem Gesicht zuckte ein Muskel.