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Mortenson erwachte erst aus seiner Erstarrung, als der Leib des Monsters mit einem ungeheuren Krachen gegen die Bordwand des Bootes stieß.

Die Erschütterung riß ihn abermals von den Füßen und ließ ihn wie ein Spielzeug über das Deck kollern. Irgend etwas schrammte über seinen Rücken, zerriß seine Kleider und die Haut darunter, ein Schlag traf sein linkes Bein und betäubte es. Mit ungebremster Wucht krachte er gegen einen Decksaufbau und spürte, wie eine Rippe brach.

Der Schmerz riß ihn vollends in die Wirklichkeit zurück. Das Boot stampfte und schaukelte, als wäre es urplötzlich in einen Orkan geraten, und die Stille des Morgens war einem nicht enden wollenden Krachen und Dröhnen gewichen. Immer und immer wieder prallte der gigantische Leib des Ungeheuers gegen die Bordwand. Das Schiff stöhnte. Sein Rumpf bestand aus Eisen, aber Mortenson bildete sich trotzdem ein, das dumpfe Krachen und Splittern berstender Platten zu hören.

Wieder wurde er von den Füßen gerissen, aber diesmal war er vorbereitet, fing den Sturz ab und stemmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder in die Höhe.

Das Ungeheuer ragte wie ein Dämon aus einer längst vergessenen Zeit über dem Schiff auf. Mortenson torkelte, als der Titanenleib erneut gegen die Flanke des Schiffes krachte. Verzweifelt klammerte er sich irgendwo fest, fuhr herum und stolperte auf das Ruderhaus zu. Sarcin war gestürzt wie er, aber er hatte weniger Glück gehabt. Die halb verglaste Tür des Ruderaufbaues war zerbrochen, und Sarcin schien mitten in die Scherben gestürzt zu sein. Sein Gesicht und seine Hände waren blutüberströmt, als Mortenson neben ihm anlangte und ihm mit zitternden Fingern aufhalf.

»Matt«, keuchte er. »Was ist das?«

Mortensons Antwort ging in einem neuerlichen Brüllen des geschuppten Giganten unter. Rings um das Schiff begann das Wasser zu kochen. Mortenson sah einen Schatten über sich aufwachsen, fuhr in einer instinktiven Bewegung herum und riß schützend die Arme über den Kopf. Neben ihm schrie Sarcin panikerfüllt auf, fuhr herum und stürmte blind vor Angst zurück in die Ruderkabine.

»Nicht!« brüllte Mortenson. »Sarcin - komm da raus!«

Aber wenn Sarcin seine Worte überhaupt hörte, so reagierte er nicht darauf. Mortenson verlor erneut das Gleichgewicht, taumelte mit wild rudernden Armen, fünf, sechs Schritte zurück und fiel auf den Rücken. Aus dem Ruderhaus drangen die gellenden Schreie Sarcins. Mortenson sah, wie er wie wild am Wandschrank zu hantieren begann. Offenbar versuchte er, das Gewehr hervorzuholen.

Das Ungeheuer brüllte erneut. Wieder krachte sein Leib gegen den eisernen Rumpf des Schiffes, und diesmal mischte sich ein neuer, ekelhafter Laut in das dumpfe Dröhnen des Schiffsrumpfes: das helle Splittern und Brechen von Panzerplatten. Ein scharfer, durchdringender Geruch wie nach Blut stieg in Mortensons Nase.

Die Frontscheibe des Ruderhauses zerbarst mit einem splitternden Knall. Zwischen den Scherben erschien der Lauf eines Gewehres.

»Um Gottes willen - NICHT!!!« brüllte Mortenson mit überschnappender Stimme.

Aber seine Worte gingen im Toben des Ungeheuers und dem Kochen des aufgewühlten Wassers unter. Sarcin suchte breitbeinig nach festem Stand, zielte kurz und drückte ab.

Der peitschende Knall vermischte sich mit dem Schmerzensschrei des Ungeheuers. Wie in einer bizarren Vision sah Mortenson, wie ein Teil seiner hornigen Panzerplatten wegplatzte. Dunkles, zähflüssiges Blut schoß aus der faustgroßen Wunde über seiner Schnauze.

Der Schmerz schien die Bestie rasend zu machen. Ihr Brüllen überstieg die Grenzen des Vorstellbaren. Der gewaltige Leib bäumte sich auf, krachte mit unglaublicher Gewalt gegen das Schiff und drückte seine eiserne Flanke ein. Mortenson spürte, wie tief unter seinen Füßen etwas brach und Wasser in einem breiten, gurgelnden Strom in den Rumpf schoß. Der Schlangenhals des Ungeheuers bog sich wie der Leib einer angreifenden Kobra durch. Ihr Schädel pendelte wild.

Sarcin schoß noch einmal, und am Hals des Monsters entstand eine zweite, gezackte Wunde; trotz allem nicht mehr als ein Nadelstich in dem gigantischen Leib.

»Die Augen!« brüllte Mortenson. »Schieß auf seine Augen!«

Sarcin lud hastig nach, schlug mit dem Lauf die letzten Glassplitter aus dem Rahmen und zielte sorgfältig.

Er kam nicht dazu, abzudrücken.

Der Schlangenhals der Bestie bog sich noch weiter zurück. Mit einem ungeheuren Brüllen warf sie den Kopf in den Nacken, stemmte ihren gewaltigen Körper hoch aus dem Fluß empor und holte Schwung.

Dann krachte der horngepanzerte Schädel des Urzeitmonsters wie ein Titanenhammer auf das Ruderhaus nieder und zerschmetterte es.

Mortenson torkelte gegen die Reling. Ein zweiter, betäubender Schmerz schoß durch seine Brust. Er spürte, wie sich die gebrochene Rippe tief in seinen Leib bohrte.

Sein Blick begann sich zu verschleiern. Wie durch einen schwarzen, wogenden Vorhang sah er, wie das Ungeheuer ein Stück vom Schiff zurückwich, mit seinen lächerlich kleinen Flossen das Wasser peitschte und den Kopf senkte.

Mortenson spürte noch, wie das Schiff zu zittern begann, als das Monster seinen Leib unter den Rumpf schob und das Patrouillenboot langsam aus dem Wasser zu heben begann. Er spürte auch noch, wie sich das Schiff auf die Seite legte und seine Leeseite scharrend über die steinerne Uferbefestigung schrammte. Dann nichts mehr.

Es war beinahe Mittag, ehe wir in die Pension zurückkehrten. Howard hatte mich, wie er es versprochen hatte, zu einem Arzt gebracht, den er kannte und auf dessen Verschwiegenheit er vertraute - einem Tierarzt, wie ich hinterher erfuhr. Das änderte freilich nichts daran, daß er meine Wunden sachkundig versorgte und meine Schmerzen so geschickt linderte, daß ich hinterher kaum noch etwas spürte. Die Verätzung an meiner Hand erwies sich ohnehin als nur oberflächlich; meine Haut war nur für den Bruchteil einer Sekunde mit der brennenden Substanz in Berührung gekommen. Trotzdem lief mir noch im nachhinein ein kalter Schauer über den Rücken, als ich die Klinge meines Stockdegens sah: Der harte Stahl war blind und fleckig; regelrecht zerfressen.

Die Müdigkeit holte mich ein, als wir - nach Ewigkeiten, wie es mir schien - endlich zurück in Howards Pension waren. Wir saßen wieder in der Bibliothek zusammen; dem einzigen Raum mit Ausnahme der Küche, der kein Gästezimmer war und Howard als eine Art Salon diente.

Priscylla war nur wenige Augenblicke bei uns geblieben und dann unter einem Vorwand nach oben in das Zimmer gegangen, das Rowlf ihr zugewiesen hatte; angeblich, weil sie müde war. Aber das entsprach nicht der Wahrheit. Es war etwas anderes, irgend etwas zwischen Howard und ihr, was sie vertrieb. Keine Antipathie; Howard hatte sich ihr gegenüber ausnehmend freundlich benommen, mit einer Nonchalance, die ich bei seiner sprunghaften, rüde erscheinenden Art niemals erwartet hätte. Aber irgend etwas trennte die beiden, etwas, das man nicht erklären, wohl aber um so deutlicher spüren konnte. Sie waren wie zwei Fremde, die sich den Regeln der Höflichkeit beugten, sich aber ständig zu belauern schienen, um eine Lücke in der Deckung des anderen zu erspähen.

Lange Zeit saß ich schweigend in meinem Sessel am Kamin, streckte die Beine von mir und nippte an dem wärmenden Tee, den Rowlf uns gebracht hatte, bevor er brummelnd wieder in der Küche verschwunden war, um eine warme Mahlzeit für Priscylla und mich vorzubereiten, während Howard, als wäre ich gar nicht da, in seinen Aufzeichnungen blätterte, beständig irgend etwas auf kleine Papierfetzen kritzelte oder Bücher aus dem Regal riß, um einen Moment darin zu lesen und sie dann wieder zurückzustellen. Ich hatte das Gefühl, daß er mir absichtlich auswich und im stillen darauf wartete, daß ich endlich einschlief.

Schließlich brach ich das Schweigen mit jenem gekünstelten, übertriebenen Räuspern, das in einer solchen Situation angemessen schien. Howard sah ruckhaft von seiner Arbeit auf und musterte mich einen Moment lang durchdringend. »Nun?« fragte er dann.