»Wie die Hexen von Salem sind sie Mächte der Finsternis«, fuhr Howard fort. »Und die Mächte der Dunkelheit arbeiten zusammen, auch wenn sie es nicht müssen. Sie können Yog-Sothoth nicht mehr zwingen, dich zu töten, Robert. Aber er wird es trotzdem tun, wenn er kann.«
Seine Worte kamen mir ein wenig theatralisch vor, aber ich schwieg weiter und sah ihn nur an.
Howard hielt meinem Blick einen Moment lang stand, schüttelte dann den Kopf und wechselte abrupt das Thema. »Du bist müde, Robert, und ich auch«, sagte er. »Es sind noch drei Stunden, ehe Dr. Gray eintrifft. Legen wir uns hin und schlafen wir ein wenig. Rowlf wird uns wecken, wenn es Zeit ist.«
Ich hatte noch tausend Fragen, aber ich spürte, daß Howard nicht mehr weiterreden wollte. Und er hatte auch recht. Ich hatte meinen Körper um eine Nacht Schlaf betrogen, und er begann nun mit Macht das ihm Zustehende zu fordern. Und vielleicht war es besser, wenn ich einen klaren Kopf hatte, wenn der Anwalt kam.
Ich stand auf, stellte meine Teetasse auf den Kaminsims und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer, während Howard auf seine hektische, abgehackte Art damit begann, seinen Schreibtisch aufzuräumen und wenigstens den Anschein von Ordnung in seine Notizen zu bringen.
Das Haus war sonderbar still, als ich nach oben ging. Die ausgetretenen Treppenstufen knarrten hörbar unter meinem Gewicht, aber das war auch das einzige Geräusch, das ich hörte. Die Pension hatte insgesamt elf Zimmer, eigentlich elf Appartements, jedes mit einem getrennten Schlaf- und Wohnraum und einer winzigen Nische für Toilette und Bad; ein Luxus, den man in einem heruntergekommenen Schuppen wie diesem wohl am allerwenigsten erwartete, aber bis auf Howard, Rowlf, Priscylla und mich stand es leer. Ich war schon immer der Meinung gewesen, daß leerstehende Häuser etwas von Toten hatten; sie waren wie Körper, aus denen das Leben gewichen war. Und dieses Haus war genauso. Es war tot. Ein gewaltiger, steinerner Leichnam.
Ich lächelte über meine eigenen Gedanken. Es war wohl die Müdigkeit, die mich so sonderbare Überlegungen anstellen ließ. Rasch ging ich die letzten Stufen hinauf, eilte zu meinem Zimmer, trat ein - und blieb überrascht stehen.
Das Zimmer war nicht mehr leer. Priscylla saß auf einem Stuhl unter dem Fenster, blätterte in einem Buch, das sie gefunden haben mußte, und sah auf, als sie meine Schritte hörte. Sie mußte auf mich gewartet haben.
Verwirrt zog ich die Tür ins Schloß, ging ein paar Schritte auf sie zu und blieb stehen. »Priscylla«, sagte ich überrascht. »Du schläfst nicht?«
Ich redete wohl ziemlichen Unsinn, aber Priscylla ging mit einem Lächeln über meine Worte hinweg, legte das Buch aus der Hand und kam auf mich zu.
»Ich habe auf dich gewartet, Robert«, sagte sie, und die Art, wie sie es sagte, ließ mich aufhorchen. Ihre Stimme klang anders als gewohnt, nicht viel, aber hörbar. Es gibt Situationen, in denen die Stimme einer Frau mehr sagt als die Worte, die sie formt. Ganz bestimmte Situationen.
Ganz dicht vor mir blieb sie stehen, sah mich einen Moment aus ihren großen, dunklen Augen an und schlang die Arme um meinen Hals. »Robert«, murmelte sie.
Ich hob die Hand, wie um ihre Arme von mir zu lösen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern schlang im Gegenteil die Arme um ihre Taille und drückte sie noch ein wenig fester an mich. Ein sonderbares Gefühl der Wärme durchströmte mich. Erregung, aber noch mehr. Ich hatte eine Menge Frauen gehabt in New York, aber das waren flüchtige Beziehungen ohne echte Gefühle gewesen, etwas rein Körperliches. Mit Priscylla war es anders. In mir war ein Gefühl der Zuneigung und Zärtlichkeit, wenn ich mit Priscylla beisammen war, das mir vollkommen fremd war. Und gerade darum sträubte sich etwas in mir gegen ihre Umarmung, so absurd es mir selbst vorkam.
»Du warst lange unten«, flüsterte sie. Ihre Stimme klang weich, verlockend, und ich spürte den sanften Duft, den ihr Haar verströmte. Es fiel mir schwer, noch klar zu denken.
»Ich ... habe mit Howard ... gesprochen«, sagte ich mühsam. Priscyllas Hände kitzelten mich im Nacken. Sie schmiegte sich enger an mich, und ich konnte selbst durch den Stoff unserer Kleider hindurch spüren, wie ihr Körper glühte.
»Wie lange bleiben wir hier?« fragte sie.
»Wie lange?« wiederholte ich verwirrt. »Wir sind gerade erst angekommen, Priscylla.«
»Ich will hier nicht bleiben«, sagte Priscylla. Ihr Atem war an meinem Ohr, und sie flüsterte jetzt nur noch. Ganz sanft berührten ihre Lippen meinen Hals. Ich schauderte. »Laß uns weggehen, Robert. Ich mag dieses Haus nicht. Und ich mag Howard nicht.«
»Er ist ein netter Kerl«, widersprach ich. »Und er -«
»Er haßt mich«, behauptete Priscylla. »Laß uns von hier weggehen. Jetzt gleich.«
Es kostete mich unendliche Mühe, ihre Hände von meinem Hals zu lösen und sie ein Stück von mir wegzuschieben. »Das ist Unsinn, Liebling«, sagte ich. Irgend etwas war mit ihren Augen. Es war mir unmöglich, meinen Blick von ihnen zu lösen. Ich hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Meine Gedanken begannen sich immer mehr zu verwirren. Was geschah mit mir? »Howard ist nur besorgt, das ist alles«, fuhr ich fort. Meine Stimme klang schleppend. Ich mußte mich zu jedem einzelnen Wort zwingen.
Priscylla sah mich einen Moment lang an. Dann löste sie sich vollends aus meinen Armen und trat einen Schritt zurück, ließ aber meine Hand nicht los. Sanft, aber sehr bestimmt, zog sie mich mit sich und ging rückwärts auf das breite, frisch bezogene Bett zu.
Ich war unfähig, mich zu wehren. Priscylla ließ sich rücklings auf das Bett sinken, zog mich mit sich und klammerte sich erneut an mich.
Noch einmal versuchte ich, wenigstens eine Spur von Vernunft zu bewahren und sie von mir zu schieben, »Nicht...«, flüsterte ich. »Es ... es geht nicht. Wir ... dürfen - das nicht.«
»Unsinn«, behauptete Priscylla. Ihr Körper schmiegte sich noch enger an mich. Meine Nerven schienen zu explodieren. »Ich liebe dich, und du liebst mich«, flüsterte sie. »Was soll Verbotenes daran sein? Und du willst es ebenso wie ich.«
Ich wollte widersprechen, aber ich konnte nicht mehr. Mein klares Denken war ausgelöscht, untergegangen in einem wahren Taumel der Sinne, in dem so etwas wie Logik oder Vernunft nichts mehr zu suchen hatte. Priscylla löste sich abermals aus meinen Armen, griff mit einer geschickten Bewegung in ihren Nacken und öffnete ihr Kleid. Mit einem kräftigen Ruck streifte sie es über den Kopf und warf es achtlos hinter sich. Darunter trug sie nichts.
Fast eine Minute lang starrte ich sie an, und Priscylla blieb reglos sitzen, als wolle sie mir Gelegenheit geben, sie ausgiebig zu mustern. Und ich tat es, völlig ohne Scheu oder Verlegenheit, unfähig, an irgend etwas anderes zu denken als daran, wie schön sie war.
Ihre Gestalt war schlank und ebenmäßig, aber das hatte ich gewußt. Was ich nicht gewußt hatte, war, wie genau sie meinem Traumbild von einer Frau entsprach. Jeder Millimeter ihres Körpers war perfekt, ohne den geringsten Makel. Es war, als wäre sie eigens für mich erschaffen worden.
Priscylla beugte sich vor, stützte die Hände rechts und links von mir auf und brachte ihr Gesicht ganz dicht an das meine. Ihr langes, volles Haar fiel wie ein Schleier in mein Gesicht; ihre Brüste berührten meinen Leib, und die Berührung setzte mich endgültig in Flammen. Ich bäumte mich auf, packte sie mit einer Kraft, die ihr beinahe schmerzen mußte, und preßte sie an mich. Ein leises, lustvolles Stöhnen kam über ihre Lippen. Ihre Hände wanderten geschickt an meinem Körper herab und begannen, mein Hemd aufzuknöpfen.
»Nimm mich«, flüsterte sie. »Ich gehöre dir, Robert. Tu mit mir, was du willst.«