Выбрать главу

»Du hast verdammtes Glück gehabt, Junge«, sagte Howard. Er lächelte, schüttelte ein paarmal den Kopf und sah kurz zu Priscylla hinüber. Sie erwiderte seinen Bück ruhig, aber ich glaubte auch ein verhaltenes Flackern in ihren Augen zu erkennen. Howard hatte ihr erzählt, was geschehen war, und sie hatte es mit einer Tapferkeit aufgenommen, die ich nicht an ihr erwartet hätte. Aber sie hatte kein Wort mehr gesagt, seither. Und ich hatte das bestimmte Gefühl, daß sie sich irgendwie die Schuld an dem gab, was geschehen war.

»Glück?« murmelte ich nach einer Weile. Howards Gesicht verfinsterte sich; er schien zu ahnen, was ich sagen wollte.

»Ich dachte, dein Haus wäre sicher.«

»Das dachte ich bis heute auch«, sagte Howard gepreßt. Er atmete hörbar ein. »Ich verstehe das nicht«, murmelte er. »Eigentlich ist es unmöglich.«

»Unmöglich?« Wäre ich nicht zu schwach dazu gewesen, dann hätte ich ihn jetzt ausgelacht. »Dafür, daß es ›unmöglich‹ war, war es verdammt realistisch ...«

Howard fuhr zusammen wie unter einem Hieb. »Ich verstehe das einfach nicht«, sagte er leise.

»Aber ich.«

Ich sah gleichermaßen verwirrt wie erschrocken auf, und auch Howard fuhr mit einer abrupten Bewegung herum und starrte Priscylla an. Sie hatte die ganze Zeit schweigend zugehört, aber der Ausdruck von Schrecken auf ihren Zügen war mit jedem Wort, das Howard sagte, tiefer geworden.

»Es ist meine Schuld«, stieß sie hervor. »Ganz allein.«

»Red keinen Unsinn, Priscylla«, antwortete ich. »Du kannst so wenig dafür wie ich oder Howard.«

Priscylla schüttelte entschieden den Kopf. »Es ist meine Schuld«, beharrte sie. »Wenn ich nicht hier wäre, wäre das alles nicht geschehen, Robert. Ich hätte niemals mit dir kommen dürfen. Solange ich in deiner Nähe bin, werden sie deine Spur niemals verlieren.«

»Kein Wort mehr«, sagte ich scharf.

»Aber es stimmt«, widersprach Priscylla. Ihre Augen schimmerten feucht, und ihre Stimme hörte sich gleichzeitig nervös und sehr entschieden an. »Sie ... sie werden dich niemals in Ruhe lassen, solange ich bei dir bin.«

»Das werden sie auch nicht, wenn du nicht bei mir bist«, widersprach ich.

»Aber sie werden vielleicht deine Spur verlieren«, fuhr Priscylla unbeeindruckt fort. Ich musterte sie einen Moment scharf, wandte mich dann an Howard und ballte zornig die Fäuste. »Du hast mit ihr gesprochen.«

»Das hat er«, antwortete Priscylla, ehe Howard Gelegenheit finden konnte, zu antworten. »Und ich bin froh, daß er es getan hat.«

»Und was willst du jetzt tun? Weglaufen? Dich umbringen lassen?« Ich versuchte, meiner Stimme einen spöttischen Klang zu verleihen.

»Ich kann auf jeden Fall nicht bleiben«, antwortete Priscylla entschlossen. »Ich bin eine Gefahr, nicht nur für dich, sondern für jeden hier.«

»Du bleibst«, sagte ich zornig. »Ich lasse es nicht zu, daß du dich opferst. Es würde deinen Tod bedeuten, wenn du jetzt gehen würdest.«

»Und vielleicht euer aller, wenn ich bliebe. Außerdem - was willst du tun? Mich mit Gewalt festhalten?«

»Wenn es sein muß, ja«, erwiderte ich ernst.

Priscylla hielt meinem Blick einen Moment lang stand, senkte dann den Kopf und begann unsicher mit den Händen zu ringen. Ich konnte ihr Gesicht nicht mehr erkennen, aber ich sah, daß ihre Schultern zuckten, und ich hörte, daß sie still in sich hinein weinte.

Meine Gefühle schlugen urplötzlich in Zorn um.

»Bravo«, sagte ich, an Howard gewandt. »Das hast du prima hingekriegt. Meinen Glückwunsch.«

Priscylla sah mit einem Ruck auf. »Er kann nichts dafür, Robert«, sagte sie. »Aber als wir dich oben gefunden haben, da habe ich ihn gefragt. Und ich bin schließlich keine Närrin und kann zwei und zwei zusammenzählen. Ich habe lange genug in Goldspie gelebt.«

Ich antwortete nicht mehr. Natürlich hatte Priscylla recht, mit jedem Wort. Trotzdem flaute mein Zorn auf Howard nicht im mindesten ab. Im Gegenteil.

Rowlf räusperte sich hörbar. »Es ... ist gleich drei«, sagte er verlegen, offenbar darum bemüht, die Spannung irgendwie abzubauen. »Dr. Gray wird jeden Moment kommen.«

Howard nickte, sah zur Kontrolle noch einmal auf seine Taschenuhr und wandte sich dann an mich. »Rowlf hat recht«, sagte er. »Du solltest dir etwas überziehen. Und Sie, Kind«, - damit wandte er sich an Priscylla - »gehen am besten auf Ihr Zimmer und beruhigen sich erst einmal. Wir reden heute abend noch einmal über alles. Gemeinsam.«

Priscylla blickte ihn aus geröteten Augen an. Ihre Finger spielten nervös mit einem Zipfel ihrer Bluse. »Was gibt es da noch zu bereden?«

»Eine Menge«, antwortete Howard. »Sie haben zwar recht, was die Hexer von Goldspie angeht, aber die Konsequenzen, die sie daraus ziehen zu müssen glauben, sind falsch. Unsere Feinde haben unsere Spur aufgenommen, und es würde überhaupt nichts nutzen, wenn Sie jetzt davonliefen. Sie würden Sie umbringen oder bestenfalls zurück nach Goldspie bringen. Ob es uns paßt oder nicht, wir müssen zusammenbleiben und die Sache irgendwie durchstehen.« Er lächelte aufmunternd. »Und jetzt gehen Sie auf Ihr Zimmer und ruhen sich ein wenig aus. Es war alles zuviel, und es war noch niemals gut, einen überhasteten Entschluß zu fassen.«

Priscylla nickte zögernd. Howard gab Rowlf einen kaum merklichen Wink, und der breitschultrige Riese begleitete Priscylla schweigend aus dem Raum. »Keine Sorge«, sagte Howard, nachdem die Tür hinter ihnen geschlossen und ihre Schritte auf der Treppe verklungen waren. »Rowlf wird sie keine Minute aus den Augen lassen.«

Ich starrte ihn an. In meinen Gefühlen schien ein Orkan zu toben. Ich wußte ganz genau, daß er recht hatte und es nur gut mit mir meinte, aber gerade deshalb haßte ich ihn beinahe für einen Augenblick.

»Warum gehst du nicht auch auf dein Zimmer und ziehst dich um?« fragte er, offensichtlich darum bemüht, das Thema zu wechseln. »Der Anwalt wird gleich erscheinen, und Unterhosen und eine Wolldecke sind nicht gerade die richtige Kleidung, um eine Million englische Pfund in Empfang zu nehmen.«

»Eine Mil ...«, krächzte ich ungläubig.

Howard zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Vielleicht auch zwei oder drei«, sagte er. »Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall solltest du dich jetzt umziehen.«

Ich starrte ihn noch einen Moment an, erhob mich dann zögernd von meinem Platz und ging in mein Zimmer hinauf.

Mein Herz begann angstvoll zu schlagen, als ich den Raum betrat. Rowlf hatte das Bettzeug entfernt und auch alle anderen Spuren der grausigen Doppelgängerin Priscyllas entfernt, aber ich vermied es immer noch fast krampfhaft, auch nur in die Richtung zu sehen, in der das Bett stand. Ich vermied es auch, in den Spiegel zu blicken, als ich ins Badezimmer ging, um mich umzukleiden. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte angefangen, wie ein kleiner Junge zu pfeifen, der Angst hat, allein in einen dunklen Keller zu gehen. Ich bin niemals ein Feigling gewesen, aber es gibt Dinge, die haben nichts mehr mit Mut oder Tapferkeit zu tun.

Ich brauchte kaum fünf Minuten, mich umzuziehen und das Zimmer wieder zu verlassen. Auf dem Flur traf ich Rowlf.

Ich blieb stehen, blickte ihn einen Moment vorwurfsvoll an und deutete auf die Tür zu Priscyllas Zimmer. »Sie hatten versprochen, sie keinen Moment aus den Augen zu lassen«, sagte ich.

Rowlf grinste. »Machichauchnich«, nuschelte er. »Aberse schläft nu. Unse wird auch weiterschlafn.«

»So schnell?«

Rowlfs Grinsen wurde etwas breiter. »Innern Tee, den H.P. ihr gegem hat, warn Schlafmittel«, sagte er. »Un außerdem kannse das Fenster nich öffnen, dafür habich gesorgt. Is das beste so, glaubense mir.«