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»Ich werde sie wiederfinden«, fuhr ich fort. »Ich werde die Hexe in dir bekämpfen und die Priscylla befreien. Ich weiß noch nicht, wie, aber -«

»Das ist nicht dein Ernst!« keuchte sie.

Diesmal kam mir Howard mit der Antwort zuvor. »Doch«, sagte er. »Es ist sein Ernst. Und meiner auch. Ich habe es dir damals in Salem gesagt, Lyssa, und ich sage es wieder: Du bist nicht wirklich böse. Laß uns dir helfen, den Einfluß Quentons und der anderen Hexer abzustreifen.«

Salem? dachte ich. Hatte er gesagt - Salem?!

»Ihr ... ihr wollt«, stammelte Priscylla, »ihr wollt mir meine Hexenkräfte nehmen?« Sie lachte, aber die Furcht in ihrer Stimme war unüberhörbar.

Howard nickte. »Es ist die einzige Möglichkeit«, sagte er. »Außer, du ziehst es vor zu sterben.«

Priscylla blickte ihn eine endlose Sekunde lang schweigend an. In ihrem Gesicht arbeitete es. »Dann sterbe ich lieber«, sagte sie. »Aber wenn ich schon sterbe, dann werde ich euch wenigstens mitnehmen, Howard.« Plötzlich trat ein sonderbarer, lauernder Ausdruck in ihre Augen. »Wie ihr wollt«, sagte sie. »Und du, Robert, wirst jetzt vielleicht endlich begreifen, mit welchen Kräften du dich eingelassen hast. Du hast die Bestie entfesselt - jetzt fühle ihren Zorn!«

Die letzten vier Worte hatte sie geschrien. Howard stieß einen unterdrückten Fluch aus, trat auf sie zu und schlug ihr den Lauf seiner Flinte gegen den Hals. Bewußtlos sackte sie in seinen Armen zusammen.

Und dann schien die Welt unterzugehen.

Das Wasser des Hafenbeckens hob sich in einer brüllenden Explosion aus Schaum und kochenden Spritzern. Ein titanischer Schatten wuchs über uns empor, pflügte mit einer einzigen, gewaltigen Bewegung durch das Wasser und prallte mit einem markerschütternden Schrei gegen die Kaimauer.

»Zurück!« brüllte Howard. Rowlfs Gewehr entlud sich mit einem donnernden Knall, aber der Laut ging im Wutgebrüll des Sauriers unter. Der geschuppte Panzerhals zuckte in einer unglaublich schnellen Bewegung herab, die Kiefer öffneten sich, und ein zweiter von Priscyllas Männern stieß einen gellenden Todesschrei aus.

Wie gelähmt vor Schrecken starrte ich das Ungeheuer an. Vorhin war es furchtbar gewesen - jetzt hatte es sich in einen leibhaftig gewordenen Alptraum verwandelt! Sein linkes Auge war eine einzige, gezackte Wunde, aus der zähflüssiges Blut sickerte, aber der Schmerz schien seine Wut noch anzustacheln. Der riesige Schädel zuckte erneut herab, stieß nach einem dritten Mann und verfehlte ihn um Haaresbreite. Die Kaimauer bebte, als sich die Bestie mit aller Macht dagegenwarf.

Eine gewaltige Hand ergriff mich an der Schulter und zerrte mich zurück. Ich erwachte endlich aus meiner Erstarrung, fuhr herum und rannte los. Vor mir hetzte Rowlf mit weit ausgreifenden Schritten dahin, Priscyllas schlaffen, reglosen Körper wie ein Spielzeug über die Schulter geworfen, und hinter und neben mir stolperten die vier Burschen, die von Priscyllas Streitmacht übriggeblieben waren. Der Ausdruck auf ihren Zügen war Angst, aber er war mit Verblüffung und Staunen gemischt; ein Ausdruck, als wären sie abrupt aus einem tiefen Schlaf gerissen worden. Priscyllas Einfluß auf ihren Willen mußte erloschen sein, als Howard sie niedergeschlagen hatte.

Im Laufen wandte ich den Kopf und sah zurück. Die Bestie tobte noch immer wie tollwütig an der Kaimauer. Gray und Howard waren zurückgeblieben und feuerten fast ununterbrochen, aber das Geräusch ihrer Gewehrschüsse ging im Gebrüll des Ungeheuers unter. Sein Kopf und der schuppige Hals waren mit einer Unzahl furchtbarer Wunden übersät, Wunden, von denen jede einzelne tödlich sein mußte. Trotzdem starb es nicht, jedenfalls nicht gleich.

Der Schmerz mußte es vollends tobsüchtig gemacht haben. Voller ungläubigem Schrecken beobachtete ich, wie es seinen gewaltigen Leib aus dem brodelnden Wasser des Hafens emporstemmte und mit den kleinen Vorderflossen Halt auf dem Stein der Uferbefestigung suchte.

Howard und Gray prallten mit einer entsetzten Bewegung zurück. Das Ungeheuer stemmte sich zitternd aus dem Wasser, zwang seinen Körper mit einer Kraft, die das Vorstellbare überstieg, sich aus seinem gewohnten Element zu erheben und Stück für Stück an Land zu kriechen. Der geschuppte Hals peitschte in furchtbarer Agonie herab, seine Kiefer schnappten wütend nach den beiden winzigen Wesen, die ihm diese furchtbaren Schmerzen zugefügt hatten.

Ich blieb stehen, drehte mich herum und begann verzweifelt zu winken. »Howard!« schrie ich. »Gray! Lauft!«

Ich wußte nicht, ob sie meine Worte im Brüllen des tobenden Ungeheuers überhaupt hörten - aber sie fuhren in einer gleichzeitigen Bewegung herum und stürmten los, während das Ungeheuer hinter ihnen weiter auf das Ufer hinaufkroch.

»Nach rechts!« schrie Howard. Ich gehorchte instinktiv, und auch die anderen wechselten blitzschnell ihre Richtung. Ein Schatten wuchs vor uns auf, wurde zu einer Ruine. Ich erkannte ein halb eingefallenes Dach, ein großes, offenstehendes Tor und einen spitz zulaufenden Turm; eine sehr große Kapelle oder eine winzige Kirche. Verzweifelt stürmte ich weiter, taumelte durch die Tür und brach erschöpft in die Knie. Neben mir torkelte Rowlf in das Kirchenschiff. Die vier Messerstecher waren bereits vor uns in die Kirche gestürmt und hatten zwischen den Bänken Deckung gesucht.

Rowlf lud Priscyllas reglosen Körper behutsam auf dem Boden ab, fuhr herum und kam zurück, um sich neben der Tür zu postieren. Auch ich packte mein Gewehr fester, nahm auf der anderen Seite Aufstellung und hob die Waffe.

Aber ich schoß nicht.

Howard und Dr. Gray befanden sich noch ein gutes Stück von der Kirche entfernt, und das Ungeheuer war dicht hinter ihnen. Die Bestie war noch gewaltiger, als es den Anschein gehabt hatte, ein Monstrum von der doppelten Größe eines Elefanten und der vierfachen Länge. Und sie bewegte sich an Land beinahe ebenso schnell wie im Wasser! Ihre winzigen, plump erscheinenden Flossen stemmten den titanischen Körper mit unglaublicher Schnelligkeit voran. Howards und Grays Vorsprung betrug kaum noch zwanzig Schritte - und er schmolz mit jedem Moment weiter zusammen.

Rowlf schoß. Die Kugel pfiff dicht über Howards Kopf hinweg und riß ein weiteres Loch in den Hals des Ungeheuers. Der Saurier brüllte, bäumte sich auf und jagte mit verdoppelter Wut hinter den beiden Männern her. Rowlf lud fluchend sein Gewehr nach und schoß wieder, und auch ich begann zu feuern.

Unsere Kugeln zeigten Wirkung. Das Ungeheuer begann zu toben und noch lauter zu schreien, und sein Tempo verlangsamte sich. Aber es wälzte sich immer noch weiter, ein Dämon aus einer versunkenen Zeit, der gekommen war, um uns alle zu vernichten. Ich schoß, immer und immer wieder, bis das Magazin meiner Waffe leer war und Howard und Gray an mir vorüber in die Kirche stolperten. Auch Rowlf schoß seine Waffe leer, aber der Saurier stampfte weiter heran. Die baufälligen Wände der Kirche würden unter dem Anprall seines Titantenkörpers zerbersten wie Glas.

Und dann war es heran. Sein gewaltiger, blutüberströmter Leib füllte das Tor aus, der Schlangenhals hob sich in einer wütenden Bewegung, der Schädel krachte mit Urgewalt gegen das Dach und ließ Balken und Dachschindeln zerbrechen und auf uns herunterregnen. Hastig wichen wir von der Tür zurück. Das gesamte Gebäude erbebte, als sich der Saurier ein zweites Mal mit seinem ganzen Körpergewicht dagegenwarf.

Ein tiefes, mahlendes Stöhnen ging durch die Kirche. Ich spürte, wie sich das Gebäude wie ein lebendes Wesen, das Schmerzen erleidet, wand, und wie hoch über meinem Kopf irgend etwas zerbrach. Der Saurier brüllte, wich ein Stück zurück und senkte den Hals. Sein häßlicher Reptilienkopf erschien unter der Tür und zerschmetterte die hölzernen Flügel. Wieder bebte das Gebäude.

Was dann kam, geschah in Sekunden, aber ich sah jede winzige Einzelheit mit nahezu übernatürlicher Klarheit. Die Kirche erzitterte wie unter einem Hieb. Der Glockenturm bebte, neigte sich mit einem hörbaren Knirschen zur Seite und begann auseinanderzubrechen. Die tonnenschwere Glocke löste sich aus ihrer Verankerung und begann zu stürzen.