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»Ich habe noch mit Ihnen zu sprechen«, begann er, nachdem er den Span zurück ins Feuer geworfen und sich wieder gesetzt hatte.

Howard sog an seiner Zigarre, verzog anerkennend die Lippen und sah ihn fragend an.

»Sie haben sich für meine Bücher interessiert«, sagte Boldwinn ausdruckslos. »Warum?«

In seiner Stimme war plötzlich ein seltsamer Unterton. Ich warf Howard einen warnenden Blick zu, aber er reagierte nicht darauf.

»Nun, Mister Boldwinn, ich interessiere mich für alte Bücher. Und ...«

»Alte Bücher?« unterbrach ihn Boldwinn lauernd. »Oder Okkultismus und Hexerei, Mister Lovecraft?«

Es dauerte einen Moment, bis Howard überhaupt merkte, was sein Gegenüber gesagt hatte. »Love ... craft?« stotterte er. »Wie kommen Sie ... ich meine, was ...«

»Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte Boldwinn grob. »Glauben Sie, ich wüßte nicht, wer Sie wären? Oder Sie, Robert Craven?« Er starrte mich an. Sein Blick erinnerte mich an eine Schlange, die ihr Opfer mustert. »Ich bin vielleicht ein verrückter alter Mann«, sagte er. »Aber ich bin auch mißtrauisch, wissen Sie. Wenn man so einsam lebt wie ich hier draußen, muß man sich absichern.«

»Aber wie ...?«

»Ich habe Ihr Gepäck durchsucht«, begann Boldwinn gleichmütig. »Das ist vielleicht unhöflich, aber sehr sicher.«

Howard wirkte beinahe erleichtert. Es hätte auch eine andere Erklärung für Boldwinns Wissen geben können.

»Wir ... hatten gewisse Gründe, unter einem nome de voyage zu reisen«, sagte Howard mit einem unsicheren Lächeln, »Das hat nichts mit Ihnen zu tun, Mister Boldwinn.«

»Ach?« fragte Boldwinn. »Vielleicht doch?«

Howard senkte seine Zigarre und sah Boldwinn alarmiert an. In seine Augen trat ein seltsames Glitzern. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie sich Rowlf spannte, und meine eigene Hand kroch beinahe ohne mein Zutun unter den Tisch und tastete nach dem Stockdegen, den ich gegen meinen Stuhl gelehnt hatte.

Boldwinns Kopf ruckte mit einer abgehackten Bewegung herum. »Lassen Sie den albernen Degen, wo er ist, Mister Craven«, sagte er böse. »Sie glauben doch nicht wirklich, daß Sie mich mit dieser lächerlichen Waffe bedrohen könnten?«

»Was bedeutet das, Mister Boldwinn?« fragte Howard scharf. »Wenn Sie wissen, wer wir sind, dann ...«

»Weiß ich auch, was Sie sind«, unterbrach ihn Boldwinn lächelnd. »Aber selbstverständlich. Immerhin haben wir lange genug auf Sie gewartet. Auf Sie und Mister Craven, Lovecraft.«

»Wir?«

Boldwinn machte eine weitausholende Handbewegung. »Ich und dieses Haus«, sagte er. »Wer sonst?«

Howards Lippen wurden zu einem dünnen, blutleeren Strich. »Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht«, sagte er gepreßt.

Boldwinn lächelte. »O doch, Mister Lovecraft. Sie sind auf dem Weg nach Durness, um Taucher anzuheuern, die eine gewisse Kiste aus einem Schiffswrack vor der Küste bergen sollen.«

Howard erbleichte. Das konnte er nun beim besten Willen nicht aus unserem Gepäck erfahren haben. »Woher ...«

»Ich weiß noch viel mehr, Mister Lovecraft. Ich weiß zum Beispiel auch, warum Mister Craven - oder sollte ich besser sagen: Robert Andara? - bei Ihnen ist. Sie wollen diese Kiste bergen, nicht wahr? Aber daraus wird nichts. Es sind noch andere am Inhalt der Kiste interessiert, und ich fürchte, sie werden schneller sein als Sie.«

»Sie -«

»Keine Beleidigungen bitte«, sagte Boldwinn rasch. »Ich will Ihnen nicht schaden. Meine einzige Aufgabe ist, Sie aufzuhalten. Und das ist mir ja gelungen.«

Howard stand mit einem Ruck auf. »Meinen Sie?« fragte er wütend. »Wir werden sehen, Rowlf, Robert - wir fahren.«

»Aber wohin denn?« erkundigte sich Boldwinn beiläufig. »Und vor allem - womit?«

»Das Pferd schaffts schon«, nuschelte Rowlf. »Simmer eben n' bißchen langsamer.«

»Das Pferd?« Boldwinn lächelte noch breiter. »Soso. Hat Ihnen das Fleisch geschmeckt, Rowlf?«

Rowlf blinzelte. »Wa?«

»Was das Pferd angeht«, erklärte Boldwinn. »Das haben Sie gerade gegessen. Sie müssen zugeben, Carradine hat es ausgezeichnet zubereitet.« Er wurde übergangslos ernst. »Geben Sie auf, Lovecraft. Sie müßten zu Fuß von hier weg. Selbst wenn Sie Ihr Gepäck zurücklassen würden, verlieren Sie zu viel Zeit. Meine ... Auftraggeber sind jetzt bereits an der Unglücksstelle. Wahrscheinlich haben sie die Kiste schon. Und außerdem kommen Sie sowieso nicht hier raus«, fügte er gelangweilt hinzu.

Howard war sichtlich am Ende seiner Selbstbeherrschung. Seine Lippen zitterten. »Rowlf«, sagte er. »Wir gehen.«

»O nein«, sagte Boldwinn. »Das tun Sie nicht.« In seiner Hand lag plötzlich eine Pistole. Er zog sie nicht etwa unter dem Rock hervor oder dem Tisch - sie war einfach da, von einem Sekundenbruchteil auf den anderen. »Wie gesagt«, fuhr er fort. »Ich will Ihnen nicht schaden - aber ich werde schießen, wenn Sie mich dazu zwingen.«

Rowlf fuhr mit einem wütenden Knurren aus seinem Stuhl hoch und sank zurück, als Boldwinn die Waffe ein wenig schwenkte und den Lauf auf seine Stirn richtete. Meine Hand krampfte sich um den Stockdegen.

Boldwinn grinste. »Tun Sie es nicht, Craven. Ich habe Sie erschossen, bevor Sie die Waffe gezogen haben. Mein Wort darauf.«

Ich glaubte ihm. Aber ich versuchte auch gar nicht erst, den Degen aus seiner Hülle zu ziehen, sondern ließ mich ohne ein weiteres Wort seitwärts vom Stuhl fallen, riß den Stock hoch und zog ihm den Schaft mit aller Macht über die Schulter.

Boldwinn schrie auf, fiel zur Seite und verlor den Halt. Die Pistole entlud sich mit einem donnernden Knall, aber die Kugel klatschte harmlos hoch unter der Decke in einen Buchrücken.

Ich fiel, rollte mich herum und sprang auf, um mich auf Boldwinn zu stürzen. Aber es war nicht mehr nötig. Howard sprang mit einem raschen Schritt hinzu, trat ihm die Waffe aus der Hand und riß ihn grob vom Boden hoch. Boldwinn keuchte und versuchte, sich zu wehren, aber der Zorn gab Howard übermenschliche Kräfte. Er schüttelte Boldwinn wie ein Spielzeug hin und her, wirbelte ihn schließlich herum und gab ihm einen Stoß, der ihn direkt in Rowlfs ausgebreitete Arme taumeln ließ. Rowlf grinste und schloß seine mächtigen Pranken um Boldwinns Schultern.

»Das war knapp«, sagte Howard schweratmend. »Gut gemacht, Robert. Rowlf, halt ihn gut fest.«

Rowlf knurrte eine Antwort, hob Boldwinn mit einer beiläufigen Bewegung hoch und setzte ihn wuchtig auf seinen Stuhl zurück, während Howard und ich zur Tür eilten.

Sie war verschlossen. Howard zerbiß einen Fluch auf den Lippen, rüttelte einen Moment in sinnlosem Zorn an der Klinke, fuhr mit einer wütenden Bewegung herum und stampfte auf Boldwinn zu. »Das nutzt Ihnen nichts, Boldwinn«, sagte er. »Geben Sie den Schlüssel heraus!«

Boldwinn wand sich stöhnend unter Rowlfs Griff. Howard gab Rowlf einen Wink, und der breitschultrige Riese ließ Boldwinns Arme los. »Also?«

»Ich habe ihn nicht«, sagte Boldwinn trotzig.

Howard wollte auffahren, aber ich hielt ihn mit einem raschen Griff zurück. »Er hat recht, Howard«, sagte ich. »Wir hätten es gemerkt, wenn er die Tür verschlossen hätte. Es muß Carradine gewesen sein.«

»Dann rufen Sie ihn«, verlangte Howard.

Boldwinn schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht daran«, sagte er. Die Furcht war aus seiner Stimme gewichen. Jetzt, als er den ersten Schrecken überwunden hatte, kehrte die alte Überheblichkeit in seinen Blick zurück. Und noch etwas. Etwas, das ich nicht definieren konnte, das mich aber schaudern ließ.

»Wir können Sie auch zwingen«, sagte Howard leise.

Boldwinn runzelte die Stirn. »So?« sagte er. »Können Sie das?« Er stand auf. Rowlf hob mit einem zornigen Knurren die Arme, aber Howard hielt ihn zurück.