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Howard nickte. Die Bewegung war fast nicht wahrnehmbar. Nervös klappte er sein Etui auf, steckte sich eine seiner dünnen schwarzen Zigarren zwischen die Lippen und ging zum Kamin, um sich mit einem brennenden Span Feuer zu nehmen, ehe er sich wieder umwandte und mich ansah. Sein Gesicht war hinter dichten, blaugrauen Rauchwolken verborgen.

»Ja«, sagte er. »Aber anders, als du denkst. Ich kann es dir nicht erklären, Robert, nicht jetzt und nicht hier, aber ich ...«

»Warum nicht?« unterbrach ich ihn.

»Weil ich es nicht weiß, verdammt noch mal!« Plötzlich war seine Ruhe dahin. Mit zwei, drei weit ausgreifenden Schritten trat er neben mein Bett, beugte sich erregt vor und fuchtelte mit der brennenden Zigarre so dicht vor meinem Gesicht in der Luft herum, daß ich instinktiv ein Stück zurückwich. »Verdammt, Junge, ich würde beide Hände dafür geben, dir helfen zu können, aber ich kann es nicht!« fuhr er erregt fort. »Als dein Vater damals von dem GROSSEN ALTEN angegriffen wurde, war ich genauso hilflos. Er hat sich selbst geheilt, damals, und frage mich jetzt bitte nicht, wie. Er war ein Magier, und er hatte seine Bücher. Ich bin weder das eine, noch habe ich das andere.«

Er trat zurück, sog an seiner Zigarre und hustete. Mit einemmal wirkte er erschöpft und ausgelaugt, als habe er seine ganze Kraft mit diesem einen kurzen Wutausbruch verbraucht.

»Dann ... sterbe ich?« fragte ich. Ich war ganz ruhig, nicht nur äußerlich. Wenn man eine Woche im Bett liegt und spürt, daß es einem jeden Tag ein ganz kleines bißchen schlechter geht statt besser, dann beginnt man zu grübeln.

»Unsinn«, schnappte Howard. »Du bist jung und kräftig. Ein Kratzer wie der bringt dich nicht um. Aber du mußt Geduld haben. Ich tue, was ich kann, aber viel kann ich eben nicht tun. Wenn wir nur dieses verdammte Schiff endlich finden würden!«

Der letzte Satz galt nicht mir. Es war wenig mehr als ein Stoßseufzer, und ich hatte ihn in den vergangenen acht Tagen mehr als nur einmal gehört. Wir waren in Durness, ganz in der Nähe der Stelle, an der die LADY OF THE MIST gesunken war, aber dem Wrack waren wir bisher nicht einen Schritt näher gekommen.

»Vielleicht sollte ich doch mit zur Küste kommen«, murmelte ich - obwohl ich ganz genau wußte, wie die Antwort ausfallen würde. Schließlich war es nicht das erste Mal, daß ich diesen Vorschlag machte.

»Kommt überhaupt nicht in Frage«, knurrte Howard. »Du rührst dich nicht aus diesem Zimmer. Wenn es sein muß, binde ich dich ans Bett.«

»Aber das ist doch Unsinn!« begehrte ich auf. »Du weißt...«

»Vielleicht läßt du das meine Sorge sein«, unterbrach mich Howard. Er klang gereizt. Es war nicht das erste Mal, daß wir über diese Frage beinahe in Streit gerieten. »Du hast mir auf der Karte die Stelle gezeigt, an der das Schiff gesunken ist, und das reicht. Ich habe ein paar Männer aus der Stadt beauftragt, nach dem Schiff zu suchen, und ich habe eine ziemlich hohe Summe als Belohnung ausgesetzt. Früher oder später finden wir das Schiff schon.« Plötzlich lächelte er. »Sei vernünftig, Junge. Du mußt dich schonen.«

»Du hast eine phantastische Art, einem das Gegenteil dessen zu erklären, was du vor fünf Minuten noch behauptet hast«, erwiderte ich gereizt. »Sagtest du nicht, ich wäre nicht in Gefahr?«

»Zwischen todkrank und kerngesund gibt es ein paar Abstufungen, weißt du?« antwortete Howard ungerührt.

»Ich habe auch nicht vor, nach dem Wrack zu tauchen, sondern bloß, mich draußen ein wenig umzusehen. Ich kann mit deinen dämlichen Karten nichts anfangen. Für mich sind sie nichts als bunte Linien auf weißem Papier. Aber ich bin sicher, daß ich die Stelle wiedererkenne, wenn ich sie nur ein einziges Mal sehe.«

»Nein«, sagte Howard.

Die Ruhe, in der er das Wort hervorbrachte, versetzte mich in Rage. »Verdammt, dann gehe ich eben auf eigene Faust«, antwortete ich gereizt. »Du kannst mich nicht ewig bewachen. Schließlich mußt du ab und zu einmal schlafen.«

Howard blickte mich einen Moment abschätzend an, schnippte seine Zigarre in den Kamin und nickte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht gefiel mir nicht. »Vielleicht hast du sogar recht«, murmelte er. Er sah auf, lächelte auf seltsam melancholische Art und fuhr fort: »Wahrscheinlich würdest du es tun. Aber das kann ich nicht zulassen.«

Ich begriff einen ganz kleinen Moment zu spät, was er damit meinte. Mit einem wütenden Krächzen fuhr ich auf, schleuderte die Decke zur Seite und sprang aus dem Bett, aber in meinem geschwächten Zustand hatte ich keine Chance. Bevor ich auch nur zwei Schritte getan hatte, war Howard bereits an der Tür und aus dem Zimmer.

Das Geräusch, mit dem er den Schlüssel im Schloß drehte, war nicht zu überhören.

Das Gasthaus lag am Ende der Straße, schon fast wieder außerhalb der Stadt. Es war nicht gerade eines der besten Hotels von Durness, aber auch wieder kein Haus, in dem zwei Männer wie die, die gerade durch die Tür gekommen waren und sich jetzt unschlüssig umsahen, zur Stammkundschaft gehörten. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, mußten sie Fischer oder auch Bauern aus der Umgebung sein, und den feucht-schmierigen Spuren nach zu schließen, die sie auf dem Boden hinterließen, als sie sich der Rezeption näherten, kamen sie direkt vom Feld oder der Küste.

Der Portier runzelte die Stirn, blickte die Männer der Reihe nach an und verrenkte sich beinahe den Hals, um mit übertriebener Pantomimik der Spur zu folgen, die die beiden Besucher auf dem Teppich zurückgelassen hatten. Auf seinem Gesicht erschien jener vorwurfsvolle, verbissen-höfliche Ausdruck, zu dem nur Hotelportiers fähig sind, die seit Jahrzehnten den geheimen Wunsch haben, ihren Gästen einmal zu sagen, was sie wirklich von ihnen hielten (es aber natürlich nie taten), und seine Stimme hätte kochendes Wasser zum Gefrieren bringen lassen, als er sich an die Männer wandte: »Bitte sehr?«

Einer der beiden - der Größere - fuhr wie unter einem Hieb zusammen und sah rasch weg, während der andere den Blick des Mannes gelassen erwiderte und sich mit den Ellbogen auf der polierten Platte des Tresens abstützte. »Mein Name ist Bensen«, sagte er. Seine Stimme klang unangenehm. Sein Haar war naß und klebte in Strähnen an Schläfen und Stirn, und er roch nach Salzwasser und faulem Tang. Der Portier rümpfte die Nase und richtete sich kerzengerade auf. Er sah plötzlich aus, als hätte er den berühmten Besenstiel verschluckt.

»Wenn Sie ein Zimmer suchen, meine Herren -«, begann er.

»Suchen wir nicht«, unterbrach Bensen.

Es gelang dem Portier nicht ganz, ein erleichtertes Aufatmen zu unterdrücken. »Wir ... äh ... hätten sowieso nichts mehr freigehabt«, sagte er vorsichtshalber. »Und womit kann ich Ihnen sonst dienen?«

»Wir suchen einen Ihrer Gäste«, antwortete Bensen. Er beugte sich ein wenig weiter vor, und der Portier wich eine weitere Winzigkeit zurück. Bensen grinste. Das Spiel begann ihm offensichtlich Spaß zu machen. »Einen gewissen Mister Phillips. Der wohnt doch hier, oder?«

»Sehr wohl, mein Herr«, antwortete der Portier steif. »Ich ... werde nachhören, ob er Sie empfängt. Wie war noch einmal Ihr Name?«

»Bensen«, antwortete Bensen. »Aber der wird ihm nichts sagen. Richten Sie ihm aus, daß wir es gefunden haben.«

»Daß Sie ...«

»Es gefunden haben«, bestätigte Bensen. »Das reicht. Er wird dann kommen. Bestimmt.«