»Die haben sie durch die Systeme auf unseren Schiffen eingeschleust«, merkte Cresida an. »Ich rede von diesen wahrscheinlichkeitsbasierenden Würmern auf Quantenebene. Wir glauben zwar, dass wir sie alle entdeckt und aus den Systemen getilgt haben, aber wir wissen nicht, ob sie in der Lage sind, neue zu aktivieren. Womöglich werden die sogar automatisch aktiviert, wenn bestimmte Ereignisse eintreten.«
»Ganz genau.« Rione zeigte auf dem Sternendisplay auf das Gebiet jenseits der Syndikatwelten. »Sie beobachten uns, sie verfolgen mit, wie wir reagieren. Angesichts dieser Erkenntnisse können die Aliens den logischen Schluss ziehen, dass die Allianz sich für den Einsatz dieser Waffen entscheiden wird, sobald sie von deren Existenz erfährt.«
Cresida bleckte die Zähne. »Ich glaube, damit haben Sie recht, Madam Co-Präsidentin. Sie werden abwarten, ob wir unseren politischen und militärischen Vorgesetzten erzählen, dass die Hypernet-Portale in den Syndik-Sternensystemen benutzt werden können, um die Syndiks auszulöschen. Und ob unsere politischen Führer daraufhin ein solches Vorgehen befehlen werden. Hätte ich von deren Warte aus zugesehen, wie dieser Krieg über ein Jahrhundert lang verlaufen ist, dann würde ich glauben, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis eine Seite mit dem Einsatz von Hyperportalen als Waffen beginnt. Und mir wäre klar, dass die andere Seite das natürlich in gleicher Weise beantworten wird.«
»Vielen Dank, Captain Cresida«, sagte Rione. »Und dabei werden die Aliens sich gemütlich zurücklehnen und in aller Ruhe zusehen, wie die Allianz ein Syndik-System nach dem anderen zerstört, während die Syndiks die gleiche Taktik bei den Allianz-Systemen anwenden. Die Aliens müssen keinen Finger rühren, und die Menschheit löscht sich mit den Waffen selbst aus, die die Aliens ihnen zur Verfügung gestellt haben.«
Geary nickte und bemerkte einen bitteren Geschmack im Hals. »Also werden sie erst noch eine Weile abwarten, um zu sehen, was wir machen. Das verschafft uns etwas Zeit.«
»Aber nicht sehr viel Zeit, Captain Geary«, ermahnte Rione ihn mit ernster Miene. »Nehmen Sie unsere Mutmaßung darüber wie dieser Krieg angefangen hat. Wir gehen davon aus, dass die Aliens die Syndiks zu einem Angriff auf uns verleitet haben, indem sie vorgegeben haben, deren Verbündete zu sein. Aber haben die Syndiks uns aus Habgier angegriffen? Oder haben die Aliens die Syndiks davon überzeugt, dass ein Angriff auf die Allianz eine gute Idee ist?«
»Wie sollte es ihnen gelungen sein, die Syndiks davon zu überzeugen?«, warf Desjani ein.
Rione reagierte mit einem derart eiskalten Blick, dass man glauben konnte, der Luftsauerstoff würde sich gleich verflüssigen. »Sie könnten ihnen alles Mögliche erzählt haben. Beispielsweise mithilfe falscher geheimdienstlicher Informationen, dass die Allianz einen Angriff auf die Syndiks plant.«
»Wir verfügten damals gar nicht über die nötigen Streitkräfte, um das auch nur zu versuchen«, wandte Geary ein.
»Das war den Syndiks aber nicht bekannt«, machte Rione ihm klar. »Warum hätten die Syndiks nicht glauben wollen, dass die Allianz irgendwo Streitkräfte versteckt hielt? Aber diese Details sind auch gar nicht weiter wichtig. Konzentrieren Sie sich nicht darauf. Wichtig ist, dass die Aliens die Syndiks dazu gebracht haben, uns anzugreifen. Das könnten sie wieder tun.«
»Wieder?« Captain Cresida beugte sich interessiert vor. »Und wie?«
»Wenn die Aliens den Eindruck bekommen, dass wir nichts unternehmen, könnten sie versuchen, uns dazu zu verleiten, die Hypernet-Portale als Waffen zu benutzen. Wir müssen davon ausgehen, dass sie auf dem Laufenden sind über das, was wir herausfinden, und wahrscheinlich werden sie uns keine Gelegenheit geben wollen, unsere Erkenntnisse zu nutzen. Wir haben spekuliert, dass die Aliens über eine Methode verfügen, um die Hypernet-Portale kollabieren zu lassen. Irgendein Signal, das in der Lage ist, sich mit Überlichtgeschwindigkeit zu bewegen.« Sie deutete auf verschiedene Sterne im Display. »Angenommen, ein paar Hypernet-Portale im Allianz-Gebiet brechen zusammen und zerstören das jeweilige Sternensystem. Wem würde die Allianz die Schuld geben?«
»Verdammt!« Geary hörte, dass auch die anderen leise fluchten. »Wenn wir den Völkermord nicht in Gang setzen, werden die Aliens uns oder die Syndiks provozieren, um den Eindruck entstehen zu lassen, dass die jeweils andere Seite damit bereits begonnen hat.«
Riones Blick schien in die Ferne gerichtet, aber er ruhte immer noch auf einem Stern auf der entlegenen Seite des Displays, ganz am Rand des Allianz-Gebiets. »Das Sol-System verfügt über ein Hypernet-Portal«, führte sie aus. »Die alte Erde steht in der Peripherie der Allianz. Sie ist von den Kriegen, die einst dort wüteten, geschwächt. Wir stammen von dort, auf den anderen Planeten des Systems liegen die ersten menschlichen Kolonien. Das ist die Heimat unserer ältesten und am höchsten verehrten Vorfahren, in ihrer Mitte der eine Stern, den wir als das bedeutendste Symbol der lebenden Sterne ansehen. Das System erhielt aus Respekt ein Portal, und um Pilgerreisen dorthin zu erleichtern, obwohl die Investition rein wirtschaftlich betrachtet nicht zu rechtfertigen ist.« Sie sah die anderen an. »Was, wenn die Menschen der Allianz glauben, die Syndiks hätten dieses Sternensystem zerstört?«
Mit ungewöhnlich rauer Stimme antwortete Duellos: »Nichts würde sie aufhalten, und kein Argument könnte sie umstimmen. Sie würden darauf bestehen, dass jeder Syndik dafür mit dem Leben bezahlt.«
»Teufel auch!« Geary fragte sich, warum sein Beitrag zu dieser Diskussion größtenteils aus Flüchen bestand. »Also gut, wir können davon ausgehen, dass uns eine kurze Verschnaufpause bleibt, sobald wir es nach Hause geschafft haben, weil die Aliens dann erst einmal herausfinden müssen, ob die Menschheit den Köder schluckt. Wenn wir nicht innerhalb eines Zeitraums zur Tat schreiten, den die Aliens für angemessen halten, werden sie versuchen, uns zu etwas zu provozieren, was die letzte Offensive der Menschheit werden könnte. Ich wünschte, ich wüsste, was sie von uns wollen.«
»Wir können das nicht wissen«, sagte Rione. »Wir glauben zu wissen, was sie getan haben. Sie scheinen kein Problem damit zu haben, uns Waffen in die Hand zu drücken und abzuwarten, dass wir sie gegen einander zum Einsatz bringen. Aber wir wissen nicht, ob es zu ihrer Strategie gehört, direkte Kampfhandlungen zu vermeiden, oder ob es vielleicht einen moralischen oder religiösen Aspekt ihrer Denkweise widerspiegelt.«
»Was sollte daran moralisch sein?«, wunderte sich Cresida.
»Aus der Perspektive der Aliens? Nun, sie könnten beispielsweise glauben, dass sie keine Schuld trifft, wenn sie uns mit ihren Waffen versorgen, solange wir diejenigen sind, die den Abzug betätigen. Ob das der Fall ist, kann ich nicht sagen. Es ist nur eine von vielen möglichen Erklärungen.«
»Genauso gut könnte es sein, dass es sich um eine völlig unmoralische Strategie handelt, mit der die Auslöschung der Menschheit auf effizienteste Weise gewährleistet wird«, warf Tulev ein. »Wir wissen nicht, was in den Köpfen dieser Aliens vor sich geht. Also müssen wir unsere Annahmen über ihr künftiges Verhalten auf dem aufbauen, was wir in der Vergangenheit beobachtet haben.«
»Ganz richtig. Bedauerlicherweise sieht es für uns sehr düster aus, was ihr künftiges Verhalten angeht, wenn wir unsere bisherigen Beobachtungen richtig gedeutet haben.« Geary wandte sich wieder an Rione. »Co-Präsidentin Rione, können Sie eine Liste der Sterne mit der höchsten symbolischen Bedeutung zusammenstellen? Wir werden sicherstellen müssen, dass in diesen Sternensystemen vor allen anderen die Hypernet-Portale mit einer Sicherung versehen werden, die einen Kollaps der Portale verhindert.«