Sie sah sich die Zeichen an, dann tippte sie wieder etwas ein. »Mit Ihrer Erlaubnis werde ich das erst mal an meinen Offizier für Systemsicherheit schicken, bevor das irgendwie an Bord gelangt, Sir. Wir wissen nicht, was da drinsteckt.«
»Könnte das der Wurm sein, der uns fast umgebracht hätte?«, fragte er mit einer Mischung aus Angst und Wut.
»Selbst wenn, würde er nicht auf diesem Weg verschickt werden«, gab sie kopfschüttelnd zurück. »Die Filter und die Firewall in diesem Teil des Komm-Systems lassen nichts Aktives passieren. Den Wurm auf diese Weise zu verschicken, wäre in etwa das Gleiche, als würde man uns ein Foto einer Rakete zeigen, anstatt tatsächlich eine Rakete auf uns abzufeuern. Meine Systemfachleute sollten in der Lage sein, das da zu identifizieren.«
Die Antwort kam recht schnell. In dem kleinen Fenster auf ihrem und Gearys Display tauchte das Gesicht von Desjanis Offizier für Systemsicherheit auf. Der Lieutenant Commander machte einen verdutzten Eindruck. »Sir, Captain, ich … ähm … diese Nachricht von der Lorica. Das ist der Code für den ersten Wurm, der uns beinahe Probleme beim Sprungantrieb beschert hätte.«
»Der Wurm kam von der Lorica?« Geary verspürte tiefe Enttäuschung. Er hatte Commander Gaes vertraut, ihr eine zweite Chance gegeben, und trotzdem …
»Nein, Sir. Die Nachricht ist eine Kopie des ersten Wurms, allerdings mit allen Informationen, um den Wurm zurückzuverfolgen, und der Angabe der Identität des Schiffs, von dem der Wurm stammt. Ich habe keine Ahnung, wie die Lorica an diese Kopie gelangt ist.« Der Offizier schluckte nervös. »Laut dieser Übertragung hat der Wurm auf der Inspire seinen Ursprung.«
Acht
Geary spürte, wie sich eisige Kälte in ihm ausbreitete. »Ganz sicher? Da gibt es keinen Zweifel?«
»Nicht, wenn diese Nachricht echt ist, Sir. Sie könnte gefälscht sein, aber es wäre äußerst schwierig, einen so authentisch aussehenden Pfad zu konstruieren. Für mich sieht das danach aus, dass jemand auf der Lorica entdeckt hat, woher der Wurm kam. Dann hat er eine Nachricht mit dieser Information mit einer Totmannfunktion im Komm-System platziert, das sie erst senden sollte, wenn der Kreuzer als zerstört registriert wurde.«
Also hatte Commander Gaes den Verantwortlichen gekannt, aber diese Information aus Gründen zurückgehalten, die nun niemand mehr herausfinden würde. Allerdings hatte sie auch dafür gesorgt, dass die Wahrheit ans Licht käme, sollte sie jemand zum Schweigen bringen.
Desjani hatte vor Wut einen hochroten Kopf bekommen. »Das genügt als Grund, um Kila in einen Verhörraum zu sperren und herauszufinden, was sie tatsächlich weiß.«
»Ja«, stimmte Geary ihr zu und dachte an den Tod der Lorica, während er im Geiste bereits den Feuerbefehl für das Erschießungskommando formulierte, vor das Captain Kila würde treten müssen. Als er gerade nach seinen Kontrollen greifen wollte, um den Marines auf der Inspire den Befehl zur Verhaftung zu geben, legte sich eine andere Hand auf seine, und Victoria Rione sagte eindringlich zu ihm: »Warten Sie. Sie wollen doch Gewissheit haben, dass Sie sie auch kriegen.«
Geary sah Rione an und wunderte sich, wann sie auf die Brücke gekommen war, dass sie die Unterhaltung zwischen ihm und Desjani hatte mithören können. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, kam Desjani ihm zuvor.
»Wenn wir die Gewissheit haben wollen, sie zu kriegen, dann müssen wir so schnell wie möglich handeln!«, zischte sie aufgebracht. »Diese Frau hat versucht, mein Schiff zu zerstören!«
»Ich weiß, was sie versucht hat!«, gab Rione im gleichen Tonfall zurück. »Hören Sie mir zu! Kila hat hervorragende Arbeit darin geleistet, ihre Spuren zu verwischen. Wer so umsichtig handelt, der hat auch Vorbereitungen getroffen, um jederzeit belastende Beweise und Zeugen verschwinden zu lassen. Das haben wir gesehen, als bei Lakota dieses Shuttle mit jenen zwei Offizieren an Bord zerstört wurde. Wenn wir ihr nicht eine raffinierte Falle stellen, wird sie uns zuvorkommen und unsere Bemühungen zunichte machen.«
Geary kämpfte gegen sein Sinnen auf sofortige Rache an, da er erkannte, dass Rione völlig recht hatte. »Was schlagen Sie vor? Wir können sie doch nicht einfach weitermachen lassen.«
»Natürlich nicht.« Rione dachte kurz nach. »Eine Stunde. Mehr brauchen wir nicht, um unsere Falle aufzustellen. Berufen Sie in einer Stunde eine Flottenkonferenz ein. Dann wird Kila glauben, dass Sie immer noch keine Ahnung haben, wer hinter den Anschlägen auf die Lorica und die Dauntless steckt. Sie wird meinen, dass Sie nochmals einen Appell an jeden richten wollen, keine Informationen zurückzuhalten. Wenn es uns gelingt, diesen Beweis bis dahin geheimzuhalten, dann können wir sie in eine Falle locken, aus der es keinen Ausweg mehr gibt.«
Desjani sah Rione finster an, doch Geary konnte erkennen, wie sie intensiv nachdachte. Plötzlich nickte sie. »Das ist eine gute Idee. So würde ich es machen, Sir.«
Rione erwiderte den wütenden Blick. »Herzlichen Dank für so viel Vertrauen in mich.«
»Sie sollten sich mal beide vor Augen halten, wer der eigentliche Feind ist«, knurrte Geary, der Mühe hatte sich zu beherrschen. Die Wachhabenden auf der Brücke mussten längst bemerkt haben, dass da etwas Ungewöhnliches zwischen ihm, ihrem Captain und Rione ablief. Er musste den Tratsch nutzen, um von der Nachricht abzulenken, die ihn so stutzig hatte werden lassen. »Also gut, Madam Co-Präsidentin. Arbeiten Sie Ihre Falle aus und lassen Sie mich wissen, wenn Sie irgendetwas brauchen. Aber erst einmal werden Sie Captain Desjani einen langen, zornigen Blick zuwerfen und dann die Brücke so aufgebracht verlassen, als hätten Sie beide sich wieder mal gestritten.«
»Wir haben uns doch auch gestritten. Das sollte sogar Ihnen aufgefallen sein.« Rione lächelte Geary kühl an, dann sah sie zu Desjani und wich einen Schritt zurück. »Verzeihen Sie, dass ich an Ihren Entscheidungen beteiligt werden möchte«, sagte sie leise, doch die Wachhabenden hatten sie vermutlich noch hören können. »Ich dachte, ich sollte darüber informiert sein, was den Energieverlust auf Ihrem Schiff verursacht hat.«
Desjani reagierte mit einem höflichen Lächeln, das aufgesetzter nicht hätte sein können. »Wenn ich mehr herausfinde, werde ich sicherstellen, dass Sie davon erfahren. Vielen Dank, Madam Co-Präsidentin.«
Rione machte abrupt kehrt und stürmte von der Brücke, während Geary von seinem Platz aufstand und seinen erneut aufquellenden Frust gar nicht erst simulieren musste. Er wollte Kila auf der Stelle in eine Arrestzelle stecken, und noch lieber wollte er sie vor ein Erschießungskommando stellen, aber er durfte nichts überstürzen. Rione hatte recht, was die Falle anging, die sie ihr stellen mussten. Kila durfte keine weitere Gelegenheit bekommen, Beweise zu vernichten oder potenzielle Zeugen zu eliminieren. Damit die Wachhabenden, die möglicherweise ihre Unterhaltung belauschten, auch das Richtige zu hören bekamen, sagte er klar und deutlich: »Captain Desjani, geben Sie mir sofort Bescheid, wenn es irgendwelche neuen Erkenntnisse über den Verlust der Lorica und über die Probleme auf der Dauntless gibt.«
»Mein Offizier für Systemsicherheit arbeitet daran, Sir«, erwiderte Desjani, deren Stimme vor unterdrückter Wut bebte. Genau das würde ihre Crew auch von einem Captain erwarten, dessen Schiff nur knapp der Vernichtung entgangen war. Und falls irgendjemand einen anderen Grund für ihre Verärgerung suchte, war der in dem anhaltenden Streit zwischen Desjani und Rione schnell gefunden.
Geary schickte eine Nachricht an die befehlshabenden Offiziere seiner Flotte, um die Konferenz einzuberufen. Als er danach die Brücke verließ, entging ihm nicht, dass die Wachhabenden sich alle Mühe gaben, nicht Captain Desjanis Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, die mürrisch auf ihr Display blickte. Einen Moment lang blieb er stehen und dachte zurück an seine Zeit als Junioroffizier, als es ohne Rücksicht auf das Schiff oder den Captain zur Routine gehörte, ein Gefühl für die Laune eines Vorgesetzten zu entwickeln und zu wissen, wann man besser einen großen Bogen um ihn machte.