Выбрать главу

»Und was hat sie gemacht?«

»Gezögert«, antwortete Carabali so gefasst, als würde sie einen Routinebericht abliefern. »Ihr Unteroffizier, ein gnadenloser Sergeant, schlug ihr vor, sie solle doch für eine Weile den Bunker verlassen und überprüfen, ob es ihr da draußen gelang, den Kontakt zu den restlichen Allianz-Streitkräften wieder herzustellen. Sie ging auf den Vorschlag ein, obwohl sie genau wusste, womit sie in Wahrheit einverstanden war. Sie verließ den Bunker und wartete draußen, bis der Sergeant mit genügend Energiezellen zu ihr kam, die ihren Panzeranzug weiter in Funktion halten würden. Auch alle anderen Angehörigen ihres Zugs waren wieder mit Energie versorgt, um hinter die eigenen Linien zurückzukehren. Bis zum Abend hatte sie ihre Leute zurück zum Stützpunkt geführt, und niemand kam auf die Idee zu fragen, wieso die Energiereserven der Schutzanzüge so lange hatten durchhalten können. Sie erhielt eine Auszeichnung, weil sie unter so extrem schwierigen Umständen ihren kompletten Zug gerettet hatte.«

Unwillkürlich sah Geary auf ihre Uniform und suchte nach einem Abzeichen, das auf dieses Ereignis hindeutete.

Carabali fuhr tonlos fort: »Diese Frau trägt diesen Orden nie.«

»Ist sie jemals in diesen Bunker zurückgekehrt?«

»Das musste sie nicht, weil sie auch so wusste, was sie dort vorfinden würde.« Sie deutete auf das Sternendisplay. »Irgendwo steht irgendein Lieutenant der Allianz vor der gleichen Wahl, Captain Geary. Und irgendwo trifft ein verdammter Syndik-Offizier eine ganz ähnliche Entscheidung, weil er gar keine andere Wahl hat. Zu viele von diesen Entscheidungen sind längst gefallen.«

»Ich verstehe.«

»Welche Entscheidung werden Sie treffen, Sir?« Carabali blickte ihm wieder in die Augen. »Können Sie diesen Krieg zu vertretbaren Bedingungen beenden?«

»Das weiß ich nicht.« Nun zeigte er auf das Sternendisplay. »Mein Vorschlag hängt zum Teil davon ab, was sich zwischen hier und zu Hause noch ereignen wird. Aber im Augenblick … Colonel, ich muss Sie bitten, mit niemandem darüber zu reden.«

»Selbstverständlich, Sir.«

»Momentan sieht es so aus, als müsste ich einen Vorschlag unterbreiten, der diese Flotte gleich wieder in ernste Gefahr bringt, kaum dass ich sie in Sicherheit geführt habe. Ich weiß noch nicht, wie die Führer der Allianz darauf reagieren werden. Vom Personal dieser Flotte einmal ganz abgesehen.«

Carabali legte leicht die Stirn in Falten. »Würde ein anderer Offizier diesen Vorschlag machen, dann gäbe es sicherlich Widerstand. Aber Sie haben sich sehr großes Vertrauen in der Flotte aufgebaut, Sir.«

»Obwohl wir so viele Schiffe verloren haben?«

»Ihre Definition von ›viel‹ unterscheidet sich deutlich von dem, womit die Menschen in diesem Krieg aufgewachsen sind, Sir.« Mit einem Finger strich sie über das Abzeichen ihres Dienstgrads an ihrer Uniform. »Das gehörte erst meiner Großmutter, dann meinem Vater. Beide fielen im Kampf, bevor sie persönlich ihre Abzeichen an eines ihrer Kinder weitergeben konnten. Ich hatte gehofft, den Fluch zu brechen, der auf unserer Familie liegt. Aber wenn ich wüsste, dass mein Tod auf dem Schlachtfeld zur Folge hätte, dass meine Kinder dieses Abzeichen gar nicht erst tragen müssen, weil es gar keinen Krieg mehr zu führen gibt, dann würde ich dieses Opfer bereitwillig bringen. Das ist es, was für uns den Unterschied ausmacht, Sir. Wir sind lange Zeit bereit gewesen, für die Allianz zu sterben. Aber diese Bereitschaft hatte den Beigeschmack der Verzweiflung angenommen, weil mit unserem Opfer wenig bis gar nichts erreicht wurde. Ihnen allerdings vertrauen wir, dass unser Tod einen Sinn erhält.«

Geary nickte, während sich eine schwere Last auf ihn zu legen schien. »Ich verspreche, mein Bestes zu geben.«

»Sie geben schon die ganze Zeit über Ihr Bestes, Sir. Und wenn Sie sich an Ihr Versprechen halten, nicht Ihren Eid gegenüber der Allianz zu brechen, dann werden die Marines dieser Flotte auch ihr Bestes in Ihrem Sinne geben.«

Nun stutzte Geary und ließ sich ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen. »Das ist eine untypisch doppelsinnige Aussage, Colonel.«

»Dann werde ich es klarer ausdrücken: Wenn Sie befehlen, gegen die Allianz-Regierung vorzugehen, werden ich und meine Offiziere alles tun, um sicherzustellen, dass die Marines keinen derartigen Befehl ausführen.«

»Diese Situation wird sich nicht ergeben, weil von mir kein solcher Befehl kommen wird.«

»Dann verstehen wir uns ja.« Carabali schaute kurz zur Seite und dachte über etwas nach. »Aber wenn wir den Befehl erhalten, Sie zu verhaften … dann wird es kompliziert. Eigentlich sollte es ganz einfach sein. Wir führen rechtmäßige Befehle aus, und wenn Sie nicht gegen Ihren Eid verstoßen haben, kann das kein rechtmäßiger Befehl sein. Vor langer Zeit sagte einmal ein weiser Mann: Im Krieg ist alles ganz einfach, aber alle einfachen Dinge sind kompliziert. So ist es auch jetzt. Ist es rechtmäßig, einen Offizier, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, nur aus dem Grund zu verhaften, weil er etwas Bestimmtes tun könnte? Wie Sie schon sagten, bei der Allianz geht es um die Dinge, die uns wichtig sind, und dazu haben schon immer die Rechte unserer Völker gehört.«

»Das ist wahr, Colonel.« Geary stand auf. »Ich schwöre, ich werde alles tun, um einen solchen Konflikt zwischen Befehl und Prinzipien zu verhindern. Wir stehen auf der gleichen Seite, und ehrlich gesagt gefällt mir das auch so.«

»Mir auch, Sir«, sagte Carabali und erhob sich ebenfalls. »Für eine Weltraumratte sind Sie gar nicht so übel.«

»Danke, Colonel. Sie sind auch ganz brauchbar.« Carabali grinste ihn daraufhin an, straffte die Schultern und salutierte vor ihm. Kurz bevor sie die Verbindung unterbrechen konnte, merkte er noch rasch an: »Colonel, diese Frau … dieser Lieutenant … hätte keine andere Entscheidung treffen können.«

Carabali nickte bedächtig. »Das hat die Frau immer gewusst, Sir, aber sie hat diese Entscheidung auch immer gehasst. Wenn Sie gestatten, Sir.« Abermals salutierte sie, dann verschwand ihr Bild.

Geary setzte sich wieder hin. Er kam sich vor, als müsse er mit hundert Bällen gleichzeitig jonglieren, und wenn er nur einen Einzigen davon fallen ließ, würde die Allianz zerschmettern.

Eine Stunde vor dem Sprung nach Atalia begab er sich auf die Brücke. Die Allianz-Flotte hatte eine Gefechtsformation eingenommen, die aus einer zentralen Hauptgruppe und unterstützenden Formationen zu beiden Seiten bestand, um für den Fall gewappnet zu sein, dass die Reserveflotte der Syndiks unmittelbar vor dem Sprungpunkt auf sie wartete. Geary rief den logistischen Status seiner Schiffe auf und zuckte innerlich zusammen, als er sah, wie niedrig der Bestand an Brennstoffzellen und Munition war. Dann wandte er sich an die Befehlshaber seiner Schiffe: »Seien Sie auf alles gefasst, wenn wir den Sprungraum verlassen. Wenn sich die Syndiks in unmittelbarer Nähe aufhalten, eröffnen Sie sofort mit allen verfügbaren Waffen das Feuer. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie eine Position in einiger Entfernung vom Sprungpunkt eingenommen haben, was bedeutet, dass wir in eine günstige Angriffsstellung werden gehen können. Wir sehen uns in Atalia wieder, und danach in Varandal.«

»Fünfzehn Minuten bis zum Sprung«, meldete der Ablauf-Wachhabende.

Rione verließ ihren Platz und beugte sich über Gearys Sessel. »Soll ich mir die Mühe machen und Sie fragen, warum eine Flotte in dieser Verfassung bei Atalia einen Angriff plant, anstatt so schnell wie möglich den Sprungpunkt nach Varandal anzusteuern?«

»Weil die Syndiks sich zweifellos darauf eingestellt haben, dass wir das machen«, antwortete Geary. »Falls sich eine Gelegenheit ergibt, werde ich natürlich Kurs auf diesen Sprungpunkt befehlen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass die Syndiks uns einfach so vorbeifliegen lassen werden.«