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Nun blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Gürtel um die leeren Mägen enger zu schnallen, sich die leeren Säcke und Bündel auf den Buckel zu laden und weiterzustapfen, ohne viel Hoffnung, je an ein Ziel zu kommen, ehe sie sich hinlegten und nicht wieder aufstanden. So gingen sie den ganzen Tag, sehr langsam und schleppend; und immer wieder klagte Bombur, dass seine Beine ihn nicht mehr tragen könnten und dass er sich hinlegen wolle und schlafen.

»Nein, du legst dich nicht hin!«, sagten sie zu ihm. »Deine Beine können auch mal was tun; wir haben dich weit genug getragen.«

Trotzdem, einmal weigerte er sich, noch einen Schritt weiter zu gehn, und warf sich zu Boden. »Geht ihr nur weiter, wenn ihr’s nicht lassen könnt!«, sagte er. »Ich bleibe hier liegen und schlafe und träume von einer Mahlzeit, wenn ich denn anders keine bekommen kann. Hoffentlich werde ich nie mehr wach.«

In dem Augenblick rief Balin, der ein wenig vorausging: »Was war das? Ich glaube, ich habe im Wald ein Licht blinken sehn.«

Sie starrten alle hin, und es war ihnen, als sähen sie aus beträchtlicher Entfernung etwas Rotes in der Dunkelheit blinken, und dann noch einen roten Funken und noch einen gleich daneben. Sogar Bombur raffte sich auf, sie eilten voran, und es kümmerte sie nicht, ob dort Trolle oder Orks waren. Das Licht war vor ihnen, aber links von ihrem Pfad, und als sie auf gleicher Höhe waren, schien klar zu sein, dass dort unter den Bäumen Fackeln und Feuer brannten, doch ein gutes Stück weit abseits.

»Das sieht ja aus, als ob meine Träume wahr würden«, sagte Bombur, der keuchend hinterdrein kam. Er wollte sofort in den Wald hinein und auf die Lichter losstürmen. Aber die anderen erinnerten sich nur allzu gut an Gandalfs und Beorns Warnungen.

»Ein Festgelage nützt uns nichts, wenn wir es nicht überleben«, sagte Thorin.

»Aber ohne Festgelage bleiben wir auch nicht mehr lange am Leben«, sagte Bombur, und Bilbo stimmte ihm von ganzem Herzen zu. Sie stritten eine Weile hin und her, bis sie sich darauf einigten, zwei Späher auszuschicken, die an die Lichter heranschleichen und Näheres über sie in Erfahrung bringen sollten. Nun aber konnten sie sich nicht einigen, wen sie schicken sollten: Niemand drängte sich nach der Aufgabe, bei der die Gefahr bestand, sich zu verirren und seine Freunde nie wiederzufinden. Am Ende taten sie, allen Warnungen zum Trotz, was ihnen der Hunger gebot, denn Bombur hörte nicht auf, von all den guten Sachen zu schwärmen, die es seinem Traum zufolge bei diesem Waldfest zu essen gab: Sie verließen den Pfad alle zusammen und drangen in den Wald ein.

Nachdem sie eine Weile gekrochen und geschlichen waren, spähten sie hinter den Bäumen vor auf eine Lichtung, wo manche Bäume gefällt worden waren und der Boden geebnet. Viele Leute waren dort versammelt, elbisch aussehendes Volk, alle in Grün und Braun gekleidet und in einem großen Kreis auf runden Klötzen aus zersägten Baumstämmen sitzend. In der Mitte brannte ein Feuer, und an manchen Bäumen ringsum steckten Fackeln; aber den herrlichsten Anblick boten die Speisen und Getränke, unter denen die Leute dort offenbar in fideler Laune tüchtig zulangten.

Der Duft des gebratenen Fleisches wirkte so magisch, dass Bilbo und die Zwerge, ohne sich erst miteinander abzusprechen, einer wie der andere aufstanden und auf den Kreis zustürmten, einzig in der Absicht, um etwas Nahrung zu betteln. Doch kaum war der erste von ihnen auf die Lichtung hinausgetreten, als alle Lichter wie mit einem Zauberschlag ausgingen. Jemand trat ins Feuer, und es schoss raketengleich in glitzernden Funken empor und verschwand. Nun irrten sie durch eine vollkommen lichtlose Finsternis und fanden nicht einmal mehr ihre Gefährten. Lange polterten sie umher, fielen über Blöcke, bumsten gegen Bäume, riefen und brüllten, bis sie auf Meilen im Umkreis jedes Lebewesen im Wald aufgeweckt haben mussten. Aber endlich gelang es ihnen, sich zu einem Haufen zu sammeln und durch Berührung abzuzählen. Inzwischen hatten sie natürlich jedes Gefühl dafür verloren, in welcher Richtung der Pfad lag, und wenigstens bis zum nächsten Morgen hatten sie nicht die geringste Aussicht, ihn wiederzufinden.

So blieb ihnen nichts weiter übrig, als da, wo sie gerade waren, die Nacht zu verbringen. Um nicht wieder getrennt zu werden, wagten sie nicht einmal den Boden nach Speiseresten abzusuchen. Aber nicht lange, nachdem sie sich hingelegt hatten, und als Bilbo eben erst schläfrig wurde, sagte Dori, der die erste Wache hatte, mit lauter Flüsterstimme:

»Da drüben sind wieder die Lichter – mehr als vorhin!«

Alle sprangen sie auf. Ja, kein Zweifel, nicht weit von ihnen blinkten Dutzende von Lichtern, und sie hörten ganz deutlich die Stimmen und das Gelächter. Langsam krochen sie dorthin, einer hinter dem andern und jeder auf Tuchfühlung mit seinem Vordermann. Als sie näher kamen, sagte Thorin: »Diesmal wird nicht drauflosgerannt! Niemand rührt sich aus unserm Versteck, ehe ich es sage! Ich schicke zuerst Herrn Beutlin allein hin. Er soll mit ihnen reden. Vor ihm werden sie keine Angst haben« – (»und ich vor ihnen?«, dachte Bilbo) – »und hoffentlich nichts Übles mit ihm anstellen.«

Als sie am Rand des Lichterkreises waren, gaben sie Bilbo von hinten einen Schubs. Bevor er seinen Ring auf den Finger streifen konnte, stolperte er vorwärts in den vollen Lichtschein der Feuer und Fackeln. Das war nicht das Richtige. Wieder gingen alle Lichter auf einen Schlag aus, und es war vollkommen dunkel.

Wenn es das vorige Mal schon schwer gewesen war, sich wieder zu sammeln, so wurde es diesmal noch schlimmer. Und den Hobbit fanden sie überhaupt nicht. Jedesmal, wenn sie sich abzählten, kamen sie nur bis dreizehn. »Bilbo Beutlin!«, riefen sie. »Hobbit! Hallo, du verdammter Hobbit, wo steckst du?«, und dergleichen mehr, aber es kam keine Antwort.

Sie wollten die Hoffnung schon aufgeben, als Dori rein zufällig über ihn stolperte. Im Dunkeln fiel er über etwas, das er zuerst für einen Holzkloben hielt, dann aber als den Hobbit erkannte. Er lag zusammengerollt da und schlief fest. Sie mussten ihn lange schütteln, bis er wach wurde, und dann war er alles andere als erfreut.

»Ich hab so schön geträumt«, maulte er. »Die ganze Zeit saß ich bei einer leckeren Mahlzeit.«

»Du lieber Himmel, jetzt fängt er auch schon so an wie Bombur!«, sagten sie. »Erzähl uns nichts von deinen Träumen! Von Traummahlzeiten wird man nicht satt, und wir können nicht mitessen.«

»Sie sind aber noch das Beste, was ich in diesem abscheulichen Wald wohl bekommen werde«, brummte er, als er sich neben die Zwerge niederlegte, um weiterzuschlafen und seinen Traum fortzusetzen.

Aber die Lichter im Wald ließen ihnen keine Ruhe. Später, als die Nacht sich wohl schon zum Ende hin neigte, kam Kili, der nun Wache hatte, weckte sie und sagte:

»Da ist eine wahre Festbeleuchtung, nicht weit von hier – Hunderte von Fackeln und viele Feuer müssen ganz plötzlich durch Zauberei angezündet worden sein. Und hört nur den Gesang und die Harfen!«

Nachdem sie eine Weile still dagelegen und gelauscht hatten, konnten sie dem Wunsch nicht widerstehen, sich noch einmal zu nähern und um Hilfe zu bitten. Wieder machten sie sich auf, und diesmal war das Ergebnis katastrophal. Das Festgelage, das sie nun sahen, war noch größer und prächtiger als die vorigen; und am Kopfende einer langen Speisetafel saß ein Waldlandkönig mit einer Laubkrone auf seinem goldenen Haar, ganz wie Bombur die Erscheinung in seinem Traum beschrieben hatte. Das Elbenvolk reichte Schüsseln von Hand zu Hand und zwischen den Feuern herum, einige spielten Harfe und viele sangen. In ihr schimmerndes Haar waren Blumen geflochten; grüne und weiße Edelsteine glitzerten an Kragen und Gürteln; und ihre Gesichter waren ebenso munter wie ihre Lieder. Laut und rein und schön war ihr Gesang, doch da kam Thorin hervor und trat unter sie.

Mitten in einem Ton wurde es totenstill. Aus gingen alle Lichter. Die Flammen verschwanden in schwarzen Rauchwolken. Asche und Funken flogen den Zwergen in die Augen, und wieder war der Wald voll von ihrem Lärmen und Schreien.

Bilbo rannte immerzu im Kreis herum (oder so kam es ihm vor) und rief und rief nach Dori, Nori und Ori, Oin und Gloin, Fili und Kili, Bombur, Bifur und Bofur, Dwalin und Balin und Thorin Eichenschild, während andere, die er nicht sehen konnte, ringsum dasselbe taten (und ab und zu auch nach Bilbo riefen). Aber die Rufe der anderen wurden immer schwächer und kamen von immer weiter her, wobei ihm allerdings schien, dass sie nach einer Weile in Gebrüll und Hilfeschreie übergingen, bis schließlich alle Geräusche erstarben und er in tiefer Stille und Finsternis vollkommen allein war.