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Währenddessen waren die schon losgeschnittenen Zwerge damit beschäftigt, auch die anderen zu befreien, indem sie die Fesseln mit ihren Messern zerschnitten. Bald würden sie alle frei sein, aber es war nicht klar, wie es dann weitergehn sollte. In der vorigen Nacht hatten die Spinnen sie ohne viel Mühe überwältigt, aber da hatten sie die Zwerge im Dunkeln überrascht. Diesmal schien es ein wildes Gemetzel zu werden.

Einige Spinnen hatten sich um den alten Bombur gesammelt, der noch am Boden lag, hatten ihn von neuem eingeschnürt und wollten ihn fortschleppen. Als Bilbo es bemerkte, brüllte er die Spinnen laut an, die er vor sich hatte, und stach auf sie ein. Sie wichen schleunigst zurück, und er sauste halb krabbelnd, halb fallend den Baum hinunter, mitten unter die Spinnen am Boden. Sein kleines Schwert war ein Stachel, wie sie ihn noch nicht kannten. Wie es hin und her zuckte! Es leuchtete auf vor Freude bei jedem Stich. Ein halbes Dutzend waren tot, als die Übrigen sich davonmachten und ihm Bombur überließen.

»Kommt runter! Kommt runter!«, rief er den Zwergen zu, die noch auf dem Ast waren. »Da oben fangen sie euch wieder in ihren Netzen.« Denn er sah, wie die Spinnen über die zunächst stehenden Bäume ausschwärmten und schon auf die Äste über den Köpfen der Zwerge krochen.

Und sie kamen herunter, kletternd, springend oder fallend, elf Mann auf einen Haufen, die meisten sehr zittrig und unsicher auf den Beinen. Da waren sie nun endlich, zwölf, wenn man den armen alten Bombur mitzählte, der zu beiden Seiten von seinem Vetter Bifur und seinem Bruder Bofur gestützt wurde; und Bilbo tanzte um sie herum und versuchte mit seinem kleinen Schwert den Hunderten von wütenden Spinnen Eindruck zu machen, die sie von ringsum und von oben herab beglotzten. Es sah ziemlich hoffnungslos aus.

Der Kampf begann. Manche Zwerge hatten Messer, manche hatten Knüppel, und alle konnten Steine aufsammeln; und Bilbo hatte seinen Elbendolch. Wieder und wieder schlugen sie die Spinnen zurück und machten vielen den Garaus. Aber lange konnte es nicht mehr so weitergehen. Bilbo war zum Umfallen müde, und nur noch vier von den Zwergen standen fest auf den Beinen. Bald würden sie alle überwältigt werden wie müde Fliegen. Schon begannen die Spinnen rings um sie her ihre Netze von Baum zu Baum zu flechten.

Bilbo fiel am Ende nichts Besseres ein als ein Plan, bei dem er die Zwerge in das Geheimnis seines Ringes einweihen musste. Das tat er nicht gern, aber anders ging es nicht.

»Ich verschwinde jetzt gleich«, sagte er. »Ich werde versuchen, die Spinnen abzulenken, und ihr müsst zusammenbleiben und euch in die entgegengesetzte Richtung durchschlagen – da, nach links, das ist ungefähr der Weg zu der Stelle, wo wir die letzten Elbenfeuer gesehen haben.«

Es war ihnen nur schwer begreiflich zu machen, bei ihren benommenen Köpfen, bei dem Kampfgeschrei, dem Krachen der Knüppel und Scheppern der Steine; aber schließlich fand Bilbo, dass er nicht länger zögern durfte: Die Spinnen umzingelten sie immer enger. Er streifte den Ring auf und war zur Verblüffung der Zwerge plötzlich verschwunden.

Bald hörte man von den Bäumen zur Rechten das »Atterkopp«-Lied. Das verwirrte die Spinnen mächtig. Sie drangen nicht weiter vor, und manche zogen ab in die Richtung, aus der die Stimme kam. »Atterkopp« brachte sie vor Wut schier um den Verstand. Da befahl Balin, der Bilbos Plan besser verstanden hatte als die anderen, den Angriff. Dicht geschlossen und einen Hagel von Steinen schleudernd gingen die Zwerge auf die Spinnen zur Linken los und durchbrachen die Einkreisung. Die Rufe und der Gesang hinter ihnen hörten plötzlich auf.

In der verzweifelten Hoffnung, dass sich Bilbo nicht hatte erwischen lassen, liefen die Zwerge weiter. Aber nicht schnell genug. Sie waren zu erschöpft, um mehr als einen Stolper- und Hoppelschritt zustande zu bringen, und viele Spinnen blieben ihnen dicht auf den Fersen. Immer wieder mussten sie kehrtmachen und die Biester zurückschlagen, die sie überholen wollten; und schon hockten etliche auf den Bäumen über ihnen und warfen ihre langen, klebrigen Fäden.

Es sah nicht gut aus für sie, als plötzlich Bilbo wieder da war und von der Seite auf die verdutzten Spinnen losging.

»Lauft weiter, weiter!«, rief er. »Lasst mich nur säbeln!«

Und er säbelte. Er stieß vorwärts und rückwärts, hackte nach Köpfen und Beinen und stach in die fetten Bäuche, wenn sie ihm zu nahe kamen. Die Spinnen schwollen an vor Zorn, sie schäumten, stotterten und zischten die ungeheuerlichsten Flüche heraus; aber vor dem Schwert hatten sie nun einen gesunden Respekt bekommen, und jetzt, nachdem es wieder aufgetaucht war, wagten sie sich nicht sehr nahe heran. So laut sie auch schimpften, ihre Beute machte sich langsam, aber sicher davon. Für Bilbo war es ein mühsames Geschäft und schien Stunden zu dauern. Aber endlich, als er schon glaubte, die Hand nicht mehr zum Schlag heben zu können, gaben die Spinnen mit einem Mal auf und verfolgten sie nicht weiter, sondern krochen enttäuscht zurück in ihre dunkle Siedlung.

Die Zwerge merkten nun, dass sie an den Rand einer runden Fläche gelangt waren, wo die Feuer der Elben gebrannt hatten. Ob es eine von denen war, die sie in der letzten Nacht gesehen hatten, konnten sie nicht sagen. Aber auf solchen Plätzen schien etwas wie ein freundlicher Zauber zu liegen, der den Spinnen gar nicht behagte. Jedenfalls war das Licht hier grüner, und die Äste der Bäume waren weniger dick und drohend, und die Zwerge hatten eine Gelegenheit, zu rasten und Atem zu schöpfen.

Keuchend und schnaufend lagen sie eine Weile dort auf dem Boden. Aber sehr bald schon begannen sie Fragen zu stellen. Die Sache mit dem Verschwinden wollten sie haargenau erklärt haben, und die Geschichte von dem Ringfund interessierte sie so sehr, dass sie für eine Weile ihre eigenen Sorgen vergaßen. Balin insbesondere beharrte darauf, dass Bilbo das ganze Abenteuer mit Gollum in aller Ausführlichkeit noch mal erzählte, mitsamt den Rätseln und mit dem Ring im richtigen Zusammenhang. Aber nach einiger Zeit wurde das Licht schwächer, und nun kamen andere Fragen zur Sprache. Wo waren sie? Wo war ihr Pfad? Wo gab es etwas zu essen? Und was sollten sie jetzt machen? Diese Fragen stellten sie immer von neuem, und die Antworten erwarteten sie anscheinend von niemand anderem als dem guten Bilbo. Woraus ihr seht, dass sie ihre Meinung über ihn entschieden geändert hatten und dass er in ihrer Achtung nun ziemlich hoch gestiegen war (wie Gandalf ja vorausgesagt hatte). Und jetzt maulten sie nicht nur, sondern erwarteten tatsächlich von ihm die geniale Idee, wie ihnen zu helfen wäre. Sie wussten nur allzu gut, dass es ohne den Hobbit mit ihnen allen wohl bald aus gewesen wäre, und sie dankten ihm viele Male. Manche standen sogar auf und verneigten sich vor ihm bis zum Boden, obwohl sie dabei vor Anstrengung umfielen und eine ganze Weile nicht wieder auf die Beine kamen. Dass sie über sein Verschwinden nun die Wahrheit wussten, schmälerte Bilbos Ansehen in ihren Augen nicht, denn sie begriffen, dass er sowohl etwas Verstand als auch Glück und einen Zauberring hatte – drei überaus nützliche Gaben. Ja, sie ergingen sich in solchen Lobsprüchen, dass Bilbo allmählich selber glaubte, etwas von einem verwegenen Abenteurer stecke in ihm. Allerdings hätte er sich noch viel verwegener gefühlt, hätte er etwas zu essen gehabt.

Aber zu essen gab es nichts, rein gar nichts; und keiner von ihnen war mehr imstande, loszugehn und nach etwas Ausschau zu halten oder den Pfad zu suchen, den sie verloren hatten. Der verlorene Pfad! Kein anderer Gedanke ging mehr in Bilbos müden Kopf hinein. Er saß da und starrte in das endlose Gewirr der Bäume; und nach einer Weile verstummten sie alle. Alle bis auf Balin. Als die andern längst zu reden aufgehört und die Augen zugemacht hatten, murmelte und schmunzelte er immer noch in sich hinein.

»Gollum, ach du meine Güte! Darum konnte er an mir vorbeischleichen, was? Jetzt kapier ich! Man muss eben schleichen, still und leise, nicht, Herr Beutlin? Und die Knöpfe an der Türschwelle! Der gute alte Bilbo – Bilbo – Bilbo – bo – bo – bo –« Dann schlief er ein, und lange herrschte völlige Stille.